27.10.2024, 22. Sonntag nach Trinitatis
Micha 6,1-8
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Liebe Gemeinde,
wir alle leben in Beziehungen. Da gibt es die Beziehung von den Eltern zu ihrem Kind. Oder die Beziehung von Jugendlichen oder Erwachsenen untereinander. Oder die Beziehung zweier Menschen in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft. Die Beziehungen, in denen wir leben, müssen gepflegt und gestaltet werden. Eine Beziehung lebt von Gesten, Worten, von Liebe und gegenseitiger Achtung. Und in einer Beziehung kann es auch unterschiedliche Sichtweisen geben, über die diskutiert wird. Manchmal kommt es auch zu einem Streit. Und auch da ist es wichtig, sich gegenseitig die Argumente anzuhören und miteinander im Gespräch zu bleiben. Das ist nicht immer einfach und manche Beziehungen zerbrechen auch.
Heute geht es um eine ganz besondere Beziehung in unserem Predigttext. Hören wir, was der Prophet Micha im 6. Kapitel in den Versen 1-8 zu uns sagt:
Hört doch, was der HERR sagt: „Mach dich auf, führe einen Rechtsstreit mit den Bergen auf das die Hügel deine Stimme hören!“ Hört, ihr Berge, den Rechtsstreit des HERRN, ihr starken Grundfesten der Erde; denn der HERR will mit seinem Volk rechten und mit Israel ins Gericht gehen! „Was habe ich dir getan, mein Volk, und womit habe ich dich beschwert? Das sage mir! Habe ich dich doch aus Ägyptenland geführt und aus der Knechtschaft erlöst […]“ „Womit soll ich mich dem HERRN nahen, mich beugen vor dem Gott in der Höhe? Soll ich mich ihm mit Brandopfern nahen, mit einjährigen Kälbern? Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für meine Sünde?“
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Hier ist ein Streit im Gang und wir kommen mitten hinein. Gott und sein auserwähltes Volk, sie sind auch schon vorher im Gespräch gewesen, aber nun wird der Ton schärfer. Gott ruft die Berge und die starken Grundfesten der Erde in den Zeugenstand. Das felsenfeste Gestein, das schon unzählige Generationen hat kommen und gehen sehen und damit so viel Geschichte erlebt hat, soll es hören. Unerschütterlich steht es da und wirft das Gesagte mit Nachhall wieder zurück. Felsenfest sind diese Berge. Ob die Beziehung zwischen Gott und den Menschen auch so unerschütterlich ist?
Und dann fragt Gott: Was habe ich dir getan? Diese Frage klingt hart und trifft mitten ins Herz. Was habe ich dir getan? Und was antworten die Menschen?
Vielleicht würde eine Antwort heute so lauten: HERR, du machst unser Leben oft schwer. Du verlangst so viel von uns und wir merken, dass wir das alles nicht einhalten können. Du hast uns mit den Geboten Richtlinien für unser Leben gegeben. Aber wer kann diese Gebote alle halten? Es fällt uns schwer und wir spüren unser Versagen.
Gott erinnert daran, dass er derselbe ist, der von Anfang an bei seinem Volk gewesen und auch noch jetzt da ist. Er hilft unserem oft schwindenden Gedächtnis nach und ruft frühere Erinnerungen und Bewahrungen wach.
Wie schnell verlieren wir uns in unerfüllte Erwartungshaltungen und vergessen dabei die vielen Situationen in unserem Leben, in denen Gott uns auf wunderbare Weise geführt hat.
Diese Erinnerung haben wir immer wieder nötig. Und daran erinnert, reagiert der Mensch auf Gott. Er überlegt, wie er die Beziehung zu ihm wieder neu beleben kann. Und das bespricht er nicht direkt mit Gott, sondern stellt diese Frage nun auch an uns: Womit soll ich mich dem HERRN nahen, mich beugen vor dem Gott in der Höhe?
Soll ich ihm ein Opfer bringen? Und wie kann das aussehen? Damals waren es Brandopfer. Heute kann ich vielleicht ganz besonders großzügig spenden und dann wird alles wieder gut. Oder kann ich überhaupt das richtige tun, damit die Beziehung wieder stimmt?
Und auch darauf antwortet Gott mit einem Satz, den wir alle kennen und am letzten Sonntag auch gehört haben: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Gott will keine milden Gaben von uns, er will uns als ganzen Menschen. Er will nicht, dass wir unser Gewissen für einen kurzen Moment erleichtern, in dem wir etwas abgeben, er will, dass wir ihm unser ganzes Leben anvertrauen.
Und er nennt die drei Dinge ganz konkret beim Namen: Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein.
Gottes Wort halten – das können wir, wenn wir sein Wort lesen und in unser Herz aufnehmen. Wenn er der Anker und der sichere Fels in unserem Leben ist, dann können wir uns an ihm orientieren. Wenn wir nicht nur am Sonntag in der Kirche sein Wort hören, sondern auch im Alltag als Christen unterwegs sind, dann gehen wir in seinen Fußspuren.
Liebe üben – jeden Tag neu beginnen. Das kann ein Brief an den Nachbarn, die Nachbarin sein, die ich schon länger nicht gesehen habe. Das kann eine kleine Überraschung vor der Tür, ein Krankenbesuch oder auch ein freundlicher Gruß auf der Straße sein. Einander in Liebe zu begegnen, das kostet ein Lächeln und bewirkt doch so viel.
Demütig sein – das bedeutet, dass ich mich zurücknehmen kann. Ich gehe auf andere Menschen zu, nicht weil ich mich glänzend darstellen muss, sondern weil mir der andere wichtig ist und ich ihm zuhören will. Demütig sein vor Gott, denn er hat mich ins Leben gerufen und er ist schon immer mein Begleiter, auch wenn ich es manchmal nicht wahrgenommen habe.
Er hat mit der Taufe einen Bund mit mir geschlossen und er steht felsenfest dazu, selbst dann, wenn ich diesen Bund von meiner Seite nicht immer treu bin. Er hat eine große Geduld mit mir und er möchte die Beziehung zu mir nicht abbrechen lassen. Seine Liebe zu mir als sein Geschöpf gilt ein Leben lang.
Und so wird der Streit am Ende ein großes Friedensangebot von Gottes Seite her. Er lädt uns immer wieder zu einem Neuanfang in der Beziehung mit ihm ein. Sein großes Erbarmen und seine Gnade schließen mich kleinen Menschen ein und gelten auf ewig.
Diese Erkenntnis hat Martin Luther unter großer Hingabe als ganz bahnbrechend errungen. Und auch wir sind eingeladen, Gottes Erbarmen und seine Gnade für uns selbst zu entdecken.
Amen
Gabriele von Dressler
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