Erleben Sie den Kirchensaal von verschiedenen Perspektiven bei einem interaktiven Rundgang. Sie können sich auch die Eingänge ansehen und anschließend auf den Zinzendorfplatz wechseln.
„Gute Stube“
Nach Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700 – 1760), dem Begründer der Herrnhuter Brüdergemeine, soll der Kirchenraum die „gute Stube“, das „Wohnzimmer“ der Gemeinde sein. In den Herrnhuter Gemeinden wird er „Saal“ genannt, um deutlich zu machen: dem Raum kommt keine sakrale Bedeutung zu. Er soll der Ort sein, an dem sich die Gemeinde trifft. Darum ist der Saal Mittelpunkt des ganzen Gemeindelebens: hier wird gesungen, gebetet und Gottes Wort verkündigt – aber auch musiziert, Theater gespielt, Vorträgen zugehört und diskutiert, gemeinsam gegessen und getrunken. Den Königsfelder Zinzendorfschulen dient der Kirchensaal als Aula für ihre Schulfeiern.
Als „Versammlungen“ werden die Gottesdienste in der Brüdergemeine bezeichnet, denn schon nach Martin Luther ist ja nicht nur die Zusammenkunft am Sonntagmorgen sondern das ganze christliche Leben ein „Gottesdienst“. Zu den regelmäßigen Versammlungen gehören in Königsfeld die „Predigtversammlung“ sonntags um 10 Uhr. Da der Kirchensaal auch den Mitgliedern der Badischen Landeskirche als kirchlicher Raum dient, gilt abwechselnd die Gottesdienstordnung der Herrnhuter Brüdergemeine und die Liturgie der Badischen Landeskirche. An den Samstagabenden findet um 19 Uhr nach Herrnhuter Tradition die „Singstunde“ statt: eine 30-minütige Versammlung, in der mit Liedversen ein Bibeltext, meistens die Texte aus dem Herrnhuter Losungsbuch, ausgelegt werden.
Die je vier großen Fenster auf den Längsseiten sorgen dafür, dass der Saal viel Licht von außen erhält. Sie dehnen sich gewissermaßen über zwei Stockwerke aus und reichen in der Höhe bis zu den Emporen. Sie verstärken den Eindruck, dass der Raum ein in sich geschlossenes Ganzes darstellt. Die weißen Vorhänge, die zugezogen werden können, erinnern einerseits an den wohnlichen Charakter des Saals, andererseits geben sie ihm ein festliches Gepräge.
Die unregelmäßig breiten Bohlen des Fußbodens aus einfachem Fichtenholz stammen zum großen Teil noch aus der Anfangszeit des Saales.
Die Farbe Weiß
Betreten die Besucher den Königsfelder Kirchensaal von einer der zweiflügligen Türen auf den Querseiten, bietet sich ein eindrückliches Bild. Der Raum – 24,80 Meter lang, 14,55 Meter breit und neun Meter hoch – hat etwas Stilvolles, Festliches und doch auch Schlichtes. Die dominierende Farbe ist weiß, auch wenn in Königsfeld bei der letzten Renovierung vor dreißig Jahren die Wände einen leicht rötlichen Anstrich bekommen haben, der die weiße Farbe wärmend ergänzt. Dennoch: Decke, Emporen, die Holzverkleidung an den Seiten und die Bänke sind ganz in weiß gehalten.
Das war nicht immer so – was aus Holz war, wurde ursprünglich in der natürlichen Farbe Braun belassen. Später wurde das geändert, denn die beherrschende weiße Farbe entspricht der Herrnhuter Tradition und dem Baustil des vereinfachten, vom Klassizismus beeinflussten Barock – auch „bürgerlicher Barock“ genannt. Die Gemeinde Herrnhut ist in der Barockzeit entstanden, und die weiße Farbe soll an die Freude eines Christenmenschen erinnern, der durch den Tod von Jesus Christus von seinen Sünden erlöst wird und dem durch die Auferstehung Jesu neues Leben geschenkt wird.
Darum spielt die Farbe weiß auch im liturgischen Leben der Brüdergemeine eine wichtige Rolle. Pfarrer und Pfarrerinnen tragen zu Taufen und Abendmahlsfeiern sowie bei Ordinationsfeiern einen weißen Talar. Weiß ist auch die Farbe des Sarges, wenn verstorbene – nach Ausdrucksweise der Brüdergemeine „entschlafene“ oder „heimgegangene“ – Gemeindeglieder zur irdischen Ruhestätte, dem „Gottesacker“ geleitet werden. Die weiße Farbe findet ihre Begründung in Aussagen des biblischen Buches der Offenbarung (Kapitel 4, Vers 4); dort tragen die um den Thron Gottes versammelten Ältesten weiße Kleider.
Bilder und Ausschmückungen finden sich nicht im Kirchensaal. Auch dafür liefert Zinzendorf die Begründung: seiner Überzeugung nach bildet die versammelte Gemeinde „den Schmuck des Saales“. Das einfache Kreuz vorne in der Mitte fand erst später seinen Weg in den Königsfelder Kirchenraum, nachdem gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Saal von Herrnhut ein Kreuz angebracht worden war. Am Sonntag und bei Trauungen zieren aber schöne Blumenarrangements die vordere Balustrade und unterstreichen damit das festliche Gepräge des Saals.
Bänke und Tische
Dem Betrachter fällt die Anordnung der weißen Bänke ins Auge. Sie stehen gestaffelt in der Längsrichtung des Saales. Zinzendorf hatte dies in seiner Jugend im „Singesaal“ des „Adelspädagogiums“ in Halle kennengelernt. Die Anordnung hat einen praktischen Grund: die Entfernung zwischen dem Pfarrer oder der Pfarrerin und den anwesenden Gemeindegliedern soll möglichst kurz sein. Um das zu betonen, wurden in Königsfeld die beiden äußeren Bankreihen vor einiger Zeit leicht schräg gestellt, sodass ein Halbrund angedeutet wird. Denn der Pfarrer oder die Pfarrerin bleibt auch als Leiter oder Leiterin der Versammlung ein „Bruder“ bzw. eine „Schwester“ der Gemeinde. Deshalb sollen er oder sie sich auch räumlich möglichst wenig von ihr absetzen. Bei den Herrnhuter Versammlungen tragen sie außer bei Taufe und Abendmahl auch keinen Talar.
Anstelle der Kanzel steht ein kleiner Tisch, je nachdem mit einem Aufsatz versehen. Auch damit wird betont, dass es keinen Unterschied zwischen dem Leiter oder der Leiterin einer Versammlung und der Gemeinde geben soll. Dieser „Liturgustisch“ (der „Liturg“ oder die „Liturgin“ leitet die Versammlungen) trägt eine grüne Decke, die bei den Abendmahlsfeiern und bestimmten Festtagen durch eine rote ersetzt wird. An der vorderen, dem Saal zugewandten Seite hängt ein weißes Tuch, „Antependium“ genannt. Darauf ist das Erkennungszeichen der Brüdergemeine gestickt: ein Lamm, das eine Siegesfahne trägt. Nach der Botschaft des biblischen Buches der Offenbarung symbolisiert es Jesus Christus. Das wehrlose Lamm erinnert an die Kreuzigung Jesu, die Fahne an seine Auferstehung – als Auferstandener hat er die Mächte des Todes besiegt.
Die Umschrift (sie fehlt auf manchen Antipendia) lautet in lateinischer Sprache: „Vicit Agnus Noster – Eum Sequamur“ – „Unser Lamm hat gesiegt – lasst uns ihm folgen.“ Das Lamm mit der Siegesfahne gilt auch in den afrikanischen, amerikanischen, karibischen und asiatischen Gemeinden als Merkmal und Erkennungszeichen der Herrnhuter Kirche.
An den vier Wänden des Kirchensaals sind feste Bänke angebracht. Sie hatten früher verschiedene Funktionen: Während die Bänke an der Vorderseite den „Arbeitern“ oder „Dienern“ und „Dienerinnen“ der Gemeinde vorbehalten waren, insbesondere den Mitgliedern des Ältestenrates oder anderer wichtiger Gremien, standen die Bänke an der Rückwand des Saals den Ehepaaren zur Verfügung, denen dort erlaubt war, nebeneinander zu sitzen. Das hängt mit einer Tradition zusammen, die es früher auch in anderen Kirchen gab: Frauen und Männer saßen in den Herrnhuter Versammlungen getrennt. Auf der Seite links vom Liturgustisch die Frauen, die „Schwestern“ der Gemeinde, auf der rechten Seite die Männer, die „Brüder“. Bis heute haben sich die Bezeichnungen „Schwestern-“ und „Brüderseite“ der beiden Saalhälften erhalten, während das nach Geschlecht verpflichtete Sitzen längst aufgegeben worden ist.
Diese Sitzordnung, heute überholt und nicht mehr zeitgemäß, hatte auch einen positiven Aspekt: ob ledig oder verheiratet, ob jung oder alt – kein weibliches und kein männliches Gemeindeglied sollte sich im Kirchensaal allein fühlen, denn Frauen und Männer saßen jeweils bei der Geschlechtergruppe, der sie angehörten.
An der hinteren Längsseite des Kirchensaales befindet sich seit einigen Jahren ein kleiner Tisch, auf dem das Herrnhuter Losungsbuch und eine Bibel liegen. Er lädt besonders Gäste zur Meditation und zur Besinnung ein. Anliegen zur Fürbitte können eingeworfen werden.
Die Leuchter und der Stern
Die Decke des Saals trägt zwei große kranzförmige Leuchter; seit 1913 wird der Saal elektrisch beleuchtet. Sie und die kleinen Leuchter an den Seitenwänden erinnern noch an die Zeit der Wachs- und Stearinkerzen, später an die Petroleum- und Gasbeleuchtung. An der Decke befinden sich auf der „Schwesternseite“ zwei Lüftungsöffnungen. Die ihnen entsprechenden beiden Rosetten auf der „Brüderseite“ haben nur die Funktion, die Symmetrie der Deckenansicht zu gewährleisten. Der einfache „bürgerliche Barock“ wird durch beiden Umrandungen der Decke unterstrichen.
Der Öffnung oben links vom Liturgustisch aus gesehen kam einige Jahrzehnte lang eine besondere Funktion zu: über Schall-Leitungen wurde der Effekt erzielt, die Orgel auch auf der gegenüberliegenden Seite von der Decke erklingen zu lassen – ein Klangphänomen, das sich besonders bei kirchlichen Trauungen großer Beliebtheit erfreute.
In der Advents- und Weihnachtszeit hängt in der Mitte oberhalb des Liturgustisches ein großer, beleuchteter Adventsstern von der Decke, dessen Licht in dieser Zeit auch nachts nicht ausgeschaltet wird und an das Kommen Jesu Christi, das „Licht der Welt“ erinnern will. Die innen beleuchteten „Herrnhuter Sterne“, im 19. Jahrhundert in einem Herrnhuter Internat entwickelt, sind heute weit über die Herrnhuter Brüdergemeine hinaus verbreitet.
Die Emporen
Die Emporen auf beiden Seiten des Kirchensaals sind von außen auf breiten Treppen erreichbar und verfügen über eine geschwungene Brüstung, die in der Mitte nach außen gewölbt ist. Auf der „Schwesternseite“ sind in den Ecken links und rechts zwei Logen angebracht, deren Decke bis zur Saaldecke hochgezogen ist; dadurch sind die Logen gut in den Gesamtraum integriert. Sie erinnern an die „Fürstenlogen“, die im ursprünglichen, am Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten Saal von Herrnhut vorhanden waren und dem Stil und dem Empfinden der damaligen Zeit entsprachen. Zinzendorf, seines Zeichens Reichsgraf, hat allerdings „seine“ Logen in Herrnhut und anderswo nicht genutzt. Im Königsfelder Saal sind sie letztlich Attrappen geblieben und wurden nur eingerichtet, weil das Vorbild in Herrnhut sowie andere Herrnhuter Säle solche Logen aufwiesen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Logen dazu benutzt, lungenkranken Patienten – Königsfeld war ja als Heil-Kurort anerkannt – die Teilnahme an den Versammlungen zu ermöglichen, ohne dadurch die anderen Besucher gesundheitlich zu gefährden. In diesem Fall wurden die Schiebefenster der Logen geschlossen; wie viel die dort Sitzenden akustisch vom Gottesdienst hören konnten, ist nicht überliefert. Die Praxis hielt nur wenige Jahre Bestand. Die Königsfelder Logen erinnern also nur an die fürstliche Ursprungszeit des Herrnhuter Saales.
Auch den zweiflügligen Fenstern der beiden Seitenräume unter den Emporen kam diese Funktion zu: Kranke, aber auch Gemeindeglieder, die zu spät kamen oder eine Aufgabe zu erfüllen hatten, erhielten damit die Möglichkeit, den Versammlungen zu folgen.
Zinzendorf wollte manchen seiner theologischen Ideen sichtbar Ausdruck verschaffen. Die Emporen in den Herrnhuter Sälen waren ihm deshalb wichtig, weil sie optisch an die „Gemeinde im höheren Chor“, an die Heimgegangenen, erinnern sollten. Abgehoben von der irdischen Gemeinde – und doch mit ihr verbunden. Sie dienen demnach in erster Linie nicht dazu, mehr Sitzplätze zu schaffen (insgesamt bietet der Königsfelder Saal rund 650 Personen Platz). Der Kirchenchor singt auch in Königsfeld von der Empore, denn sein Gesang soll an die „himmlischen Chöre“ in Gottes Reich erinnern.
Die Orgel
Auf der „Brüderseite“ befindet sich die Orgel; Logen hat es auf dieser Seite nie gegeben. 1809 hatte die „Unitäts-Aufseher-Conferenz“ in Herrnhut beschlossen, der im Entstehen begriffenen Gemeinde Königsfeld „die seitherige Barbysche Orgel“ zur Verfügung zu stellen (Barby war eine Herrnhuter Gemeinde südlich von Magdeburg, die damals geschlossen wurde). Herrnhuter Brüder und Schwestern aus Basel übernahmen die Transportkosten, und nach Fertigstellung des Saals 1812 konnte die geschenkte Orgel aufgebaut werden. Woher diese Orgel letztlich stammte, ist unklar. Fachleute ordnen das spätbarocke Gehäuse, den sogenannten Prospekt, der Mitte des 18. Jahrhunderts zu. Er weist große Ähnlichkeiten mit Silbermann-Orgeln aus dem sächsischen Raum auf. Ob es sich hier um eine Silbermann-Orgel gehandelt hat oder nur der Prospekt von einem Mitarbeiter Silbermanns gefertigt worden war, lässt sich nicht mehr feststellen.
Die Orgel musste bereits 1825 repariert werden; 1873 wurde sie durch die Ludwigsburger Firma Walcker erneuert und erweitert. Entscheidend ausgebaut wurde das Instrument 1903 durch die Firma G. F. Steinmeyer in Oettingen (Bayern). Dabei wurde das Register verdoppelt und ein Fernwerk mit acht Registern eingebaut. Für die nach 1900 einsetzende Orgelbewegung, welche die klangliche Schönheit des barocken Orgelbaues wiederentdeckte, genügte die Königsfelder Orgel nicht mehr. Als auch Albert Schweitzer als Vertreter der Orgelbewegung von 1923 an immer wieder auf der Königsfelder Orgel spielte, wurde sie entsprechend den Maßstäben der Bewegung 1949 so erfolgreich erneuert, dass der damalige Südwestfunk Baden-Baden in Königsfeld eine Reihe von Aufnahmen Bach’scher Orgelwerke machte.
Der Sparzwang bei der Renovierung von 1949 – kurz nach der Währungsreform – hinterließ allerdings seine Spuren: Mängel und Störungen traten immer häufiger auf. Darum wurde 1981 beschlossen, die Orgel grundlegend zu erneuern. Unter anderem wurde der Klang der Orgel in den Saal hinein verbessert und der Spieltisch so angeordnet, dass der Organist dem Saal und der Gemeinde den Rücken zukehrt. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Firma G. Heinz in Schiltach. Das Instrument verfügt jetzt über drei Manuale, 36 Register und 2.500 Pfeifen.
Die Königsfelder Orgel erfreut sich bei namhaften Orgelinterpreten großer Beliebtheit. In der früheren Kursaison fanden regelmäßig Orgelkonzerte statt. Diese werden derzeit im Sommer durch Orgelmatinées ersetzt; Orgelkonzerte werden sporadisch angeboten und gut besucht. Albert Schweitzer spielte auf der Königsfelder Orgel vor allem, um sich auf seine Konzerte zur Spendenwerbung für Lambarene vorzubereiten. Er gab aber auch Konzerte in Königsfeld, wobei er die Stücke, die er spielte, selbst erläuterte.
Der Kleine Saal
Hinter der Empore befindet sich auf der Schwesternseite der „Kleine Saal“. Heute bestuhlt, bietet er rund 60 Personen Platz und steht für kleinere Versammlungen und Andachten zur Verfügung. Für die monatlichen Taizé-Gottesdienste eignet er sich besonders gut. Im Kleinen Saal fanden die ersten Versammlungen im neuen Gebäude statt.
An der linken hinteren Wand hängt eine Kopie des „Erstlingsbildes“ von Valentin Haidt (1700 – 1780), von dem es verschiedene Versionen gibt. Während das Herrnhuter Original 1945 verbrannte, befindet sich noch eines im Kleinen Saal der Brüdergemeine Zeist in den Niederlanden. Auf dem Bild sind die „Erstlinge“, die ersten Getauften aus verschiedenen Völkern zu sehen; sie stellen Personen dar, die wirklich gelebt haben. Den „Erstlingen“ kam die Aufgabe zu, das Evangelium von Jesus Christus selbst in ihren jeweiligen Völkern zu verkündigen – ein wichtiges Anliegen der Herrnhuter Missionstheologie. Möglichst bald sollten Getaufte in ihrer Umgebung ohne Hilfe von außen missionarisch tätig werden.
Die Seitengebäude
Die Seitengebäude, „Arbeitergebäude“ genannt, weil sie die „Arbeiter“ mit ihren Familien – den Pfarrer oder die Pfarrerin auf der West-, den Verwalter oder die Verwalterin auf der Ostseite – beherbergen, entsprechen sich spiegelbildlich. Aufgrund der Gelände-Absenkung verfügt der Ostteil über höhere Kellerfenster; der Treppenaufgang im Ostteil hat deswegen doppelt so viele Stufen wie der westliche Teil. Auch die Seitengebäude sind von einem Krüppelwalmdach gedeckt. Zum Garten, der Nordseite, setzen sich die Gebäude durch Anbauten fort, sodass der Eindruck einer Dreiflügel-Anlage entsteht. Diesen Anbauten kamen im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen zu. Heute beherbergen sie das Gemeinde-Archiv, ein kleines Museum („Historische Sammlung“), Gästezimmer und Jugendräume.
In den Erdgeschossen sind Gemeinderäume für Treffen und Sitzungen (auf der Westseite) und das Gemeindebüro (auf der Ostseite) untergebracht. Auf der dem Garten zugewandten Längsseite des Kirchensaals befinden sich in einem kleinen Anbau zwei Leichenkammern. Seit 2012, als das 200-jährige Jubiläum des Saals mit verschiedenen festlichen Veranstaltungen gefeiert wurde, wird das Kirchengebäude nach Einbruch der Dunkelheit mit LED-Leuchten von außen angestrahlt – ein Geschenk der politischen Gemeinde Königsfeld.
Der 1812 vollendete Königsfelder Kirchensaal ist der zuletzt erbaute Herrnhuter Saal seiner Art. Er ist mit seinen Seitengebäuden als Kulturdenkmal geschützt.
Der Zinzendorfplatz
Der Platz vor dem Kirchengebäude war aufgrund der Ortsplanung als Mittelpunkt der Gemeinde angelegt. Den Namen Zinzendorfplatz erhielt er 1933. Anlass dafür war die Umbenennung der Hermann-Voland-Straße in die „Adolf-Hitler-Straße“. Es wurde befürchtet, der bis dahin namenlose Platz könnte vom Rat der Kommune ebenfalls einen Namen eines nationalsozialistischen Politikers erhalten.
Die quadratische, spätbarocke Grünanlage misst 75 mal 75 Meter und wurde durch einen Kreuzweg in vier Quadrate aufgeteilt. Um der Idee des Mittelpunkts Rechnung zu tragen, wurden diese Quadrate lange Jahre unterschiedlich genutzt. So wurde eines als Garten mit Beerensträuchern und Gemüsepflanzungen angelegt; zwei andere dienten als Wäsche-Trockenplatz, und auf einem stand die Zisterne, die das aus dem Rotwald fließende Wasser auffing. Später wurde in der Mitte der sich kreuzenden Wege ein Brunnen errichtet, der über Jahrzehnte die einzige Wasser-Entnahmestelle des Ortes war. So kamen Hausfrauen und Fuhrleute mit ihren Pferden zu diesem Mittelpunkt des Platzes und erfüllten ihn täglich mit Leben.
Um 1850 bemühte sich der damalige Ortsverwalter, den Platz zu verschönern und ihm ein parkähnliches Aussehen zu verleihen. Die Gärten verschwanden und machten Zierpflanzen Platz. Dem Charakter eines Parks wurde auch dadurch Rechnung getragen, dass im Quadrat vor dem Gasthof ein Musik-Pavillon erstellt wurde. Eine Veranda aus Holz an einer anderen Stelle des Platzes diente dreimal in der Woche dem Verkauf von Obst und Gemüse. Beide Gebäude wurden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts abgebrochen.
Aus dem ehemaligen Wäscheplatz wurde ein „Missionsplatz“: zweimal im Jahr feierte hier die Gemeinde mit viel Besuchern Feste zugunsten der äußeren und inneren Mission. Zudem wurden dort auch vaterländische Feiern abgehalten. Nach den sonntäglichen Versammlungen spielte der Bläserchor auf dem Platz kirchliche Lieder; vom Pavillon aus machte er durch das Blasen auf einen Todesfall aufmerksam, wobei die Gemeinde an der jeweiligen Weise erkennen konnte, welchen bürgerlichen Stand der oder die Verstorbene hatte (Frau, Mann, ledig, verheiratet oder verwitwet, Kind oder Jugendlicher).
1974 wurde der Park gelichtet und erhielt im Wesentlichen seine heute noch bestehende Form. Die Wegkreuzung soll nach Herrnhuter Tradition auch an das Kreuz Jesu Christi erinnern; der Brunnen, jetzt ein Springbrunnen, an Jesus Christus als die lebendige Quelle des Lebens. Ab und zu dient der Zinzendorfplatz als Festzentrum, so etwa bei der 200-Jahr-Feier der Gründung Königsfelds im Jahre 2006. Der Platz selbst sowie fast alle umliegenden Gebäude sind heute als Kulturdenkmale geschützt.
Der Bau
Im Jahr 1806 war der Herrnhuter Brüdergemeine die Genehmigung zum Anbau einer eigenen Siedlung am Rand des Schwarzwaldes erteilt worden. Als 1810 mit dem Bau des Kirchengebäudes begonnen wurde, standen erst drei Häuser am neuen Ort, der damals 85 Einwohner zählte. Es muss für die Bewohner der umliegenden Schwarzwald-Dörfer ein fremdartiger Anblick gewesen sein, als zu diesen drei Häusern, die so gar nicht an die üblichen bäuerlichen Anwesen erinnerten, nun noch ein weiteres, stattliches Gebäude hinzukam.
Aber die Anlage der Gemeinde Königsfeld wurde ja auf dem Reißbrett entworfen, hatte andere Herrnhuter Gemeinden als Vorbild und war auf Zuwachs gebaut. „O Herr, lass wohlgelingen, und das, was, wozu es gemeint ist, dir nicht nur 100, sondern 1000 mal viel 1000 mal viel 1000 Früchte bringen!“ betete der erste Pfarrer Königsfelds, Heinrich Christian Tschirpe, beim Fällen des ersten Baumes für den Saal am 3. März 1810. Der Baum war übrigens doppelstämmig und sollte damit die zweifache Bedeutung des Gebäudes symbolisieren, das kirchlichen Versammlungen und bürgerlicher Verwaltung zugleich dienen sollte; Gemeinhelfer (Pfarrer) und Vorsteher (Verwalter) bewohnten je einen Flügel.
Die Baugeschichte
Die Leitung der Herrnhuter Kirche hatte den Königsfeldern zur Auflage gemacht, den Saal nach bestehenden Vorbildern zu errichten. Als Modelle dienten insbesondere die Säle im schlesischen Gnadenberg und in Neuwied am Rhein. Renatus Früauf, der sich in der Brüdergemeine als Pädagoge einen Namen gemacht hatte, fertigte die Bauzeichnung an. Er konnte dabei auf Pläne des Architekten Siegmund August von Gersdorf (1702 – 1777) zurückgreifen. Früauf wusste nicht, dass das Gebäude auf einem leicht abschüssigen Gelände zu stehen kam. Deswegen mussten seine Baupläne noch einmal überarbeitet werden, was vom Basler Architekten Benedict Stähelin besorgt wurde. Die Mitglieder der Basler „Brüder-Sozietät“, einer Herrnhuter Gemeinschaft, der Stähelin angehörte, finanzierten mit namhaften Spenden den Bau mit.
Wie in Neuwied zählt der Saal vier Fensterachsen. Die Nebengebäude sind in Königsfeld aber deutlich größer (jeweils sechsachsig statt dreiachsig) ausgefallen. Dennoch sollte sich nach Herrnhuter Verständnis das Kirchengebäude in das Gebäude-Ensemble des Platzes eingliedern und nicht wie ein herkömmlicher Kirchenbau optisch zu stark den Ort dominieren; deshalb besitzt der Kirchensaal auch keinen freistehenden Turm.
Das Baumaterial
Außer Holz wurde als Baumaterial Bruchsandstein aus der Umgebung verwendet. Die Gesamtlänge des Baus beträgt 68,50 Meter. Das Dach des Saales deckt ein hoher Krüppelwalm, also eine nach allen vier Seiten abgeschrägte Dachkonstruktion, die auf den beiden Querseiten nicht ganz bis unten durchgezogen ist und die als besonders stabil gilt. Vier Fensteröffnungen im unteren Teil des Daches korrespondieren mit den vier großen Saalfenstern auf beiden Seiten, im oberen Dachteil befinden sich drei Gaupen. Auf der Mitte des Daches ruht ein Dachreiter, dessen kleine Spitze eine Höhe von 28 Metern über Grund aufweist. Die nach allen vier Seiten angebrachten Schallöffnungen sorgen dafür, dass der Schlag der Uhr mit ihren zwei Zifferblättern und das Geläut der Glocke möglichst weit gehört werden können.
Kirchenräume der Brüdergemeine
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Fotos: Joachim Klingner; Jörg Potschaske; Stephan Klingner; DIGNUS.DE; Irmgard Weisser; F. Manschott, © Museumstichting Het Hernhutter Huis Zeist; Dietmar Fleig; Jens Hagen; Archiv der Brüder-Unität; zvg.