9. Juni, 2024, 2. Sonntag nach Trinitatis
Epheser 2, 11-22
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Gnade sei mit euch und Friede durch unseren Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, Die Welt ist voller Barrieren – physischer, psychologischer, ethnischer, geschlechtsspezifischer, religiöser, finanzieller und so weiter und so fort. Einige von ihnen sind beeindruckend – die Chinesische Mauer, der Hadrians Wall. Die Berliner Mauer, die eine Stadt und ein Volk für 28 Jahre trennte. Bis er plötzlich irrelevant wurde. Wer hätte das gedacht?
Einige Mauer sind real, aber unsichtbar, wie das Mittelmeer zwischen Afrika und Europa und andere sind bloß in unseren Köpfen. Aber so gut wie alle sind dazu da, Menschen (oder Dinge) fernzuhalten. Sie sind Symbole der Spaltung, der Zwietracht. Sie sind oft Zeichen unserer gefallenen Menschheit.
Die Geschichte der Menschheit ist von Spaltungen und Konflikten geprägt. Aber das ist nicht das, was Gott will. Das ist nicht das, was er beabsichtigte, als er diese wunderbare Welt schuf und als er Menschen in sie setzte, die mit ihm und in Harmonie miteinander leben sollten.
Die Gegenwart des Bösen und die Art und Weise, wie es die Menschheit durch die Sünde infiziert hat, hat Gottes gute und perfekte Schöpfung entstellt und verdreht.
Die Gabe des freien Willens, die Gott uns gegeben hat, wurde für falsche Zwecke verwendet und hat zur Zersplitterung der Menschheit beigetragen, da wir falsche Entscheidungen getroffen haben. Barrieren sind allesamt Symptome dieses tiefgreifenden Problems der menschlichen Sündhaftigkeit und Selbstsucht. Wir wollen das, was wir haben, für uns behalten und schließen unsere Nächsten von Dingen aus, von denen wir glauben, dass sie nur für uns sind.
Und in den Versen, die wir heute Morgen gelesen haben, erzählt uns Paulus wieder einmal, wie sehr Gott diesen Missstand in Ordnung bringen will und was er getan hat, um die Barriere zwischen ihm und uns und zwischen uns Menschen zu überwinden.
Paulus hat diesen Brief aus seiner Gefängniszelle in Rom geschrieben, um die neuen Christen in den Gemeinden im östlichen Mittelmeerraum zu ermutigen und zu inspirieren.
Und Paulus Mitstreiter Tychikus ist mit dem Brief nach Ephesus gekommen, der ersten Station auf einer Visitationsreise der Kirchen in der heutigen Türkei. Der Brief wurde in den Gemeinden verlesen, wenn sie sich zu ihren wöchentlichen Gottesdiensten versammelten. Diese Gemeinden bestanden aus Menschen, die sich mit dem neu gefundenen Glauben auseinandersetzten – hauptsächlich Juden, die zu erkennen begannen, dass Jesus der Messias war, den sie seit Jahrhunderten erwartet hatten. Der Brief war aber auch an die Heiden, also Nicht-Juden gerichtet, die von Jesu Leben, Sterben und Auferstehung gehört hatten und den neuen Glauben angenommen haben.
Unser Predigttext hat als Thema die Barriere zwischen Juden und Nicht-Juden, symbolisiert durch den Ritus der Beschneidung. Es gab also diese riesige Kluft, die sich zwischen Juden und Heiden aufgetan hatte – bis zu einem gewissen Grad veranschaulicht durch das Ritual der Beschneidung, das Paulus hier als Mittel zur Unterscheidung zwischen den beiden Völkergruppen verwendet.
Die Kluft war auch durch andere Dinge sichtbar, wie durch den völligen Ausschluss der Heiden vom Inneren des Tempels bei Todesstrafe und die strengen Gesetze darüber, wer mit wem essen durfte. Einiges davon hatte sich auf die neuen Kirchen übertragen, da die Juden den nichtjüdischen Gläubigen gegenüber misstrauisch waren und die Heiden ihren neuen jüdischen Brüdern und Schwestern in Christus gegenüber nachtragend waren. Eintracht in Christus war die Idee. Die Wirklichkeit sah aber anders aus.
Was Paulus hier über Juden und Nichtjuden schreibt, ist auch heutzutage in unseren Gemeinden durchaus relevant. Die Barriere zur Eintracht sind bloß anders. Und der Schlüssel zum Verständnis von all dem ist die Rolle, die Jesus spielt.
Das ist der Punkt, an dem Paulus das Gefühl der Ausgrenzung und des Mangels an Hoffnung anerkennt, das viele Menschen erlebten. Nachdem er in V. 12 von der Hoffnungslosigkeit und der Trennung von Gott gesprochen hat, die die Nichtjuden erlebt hatten, kommt in V. 13 ein großes „ Jetzt aber“. „Jetzt aber seid ihr in Christus Jesus, die ihr einst fern wart, seid ihr nun durch das Blut Christi nahe geworden.“
Durch seinen Tod am Kreuz hat Jesus „den Zaun, die trennende Mauer der Feindschaft, zerstört, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm.“ Sie wissen noch, in der Todesstunde Jesu „riss der Vorhang des Tempels von oben bis unten entzwei.“ Wieder eine Barriere beseitigt.
Paulus sagt, dass Gott „aus den beiden einen neuen Menschen schaffen würde“. Heiden und Juden werden beide durch Jesus Christus verwandelt. Der Unterschied, das Trennungsmerkmal gibt es nicht mehr. Sie sind nun eins. In Christus.
Die Juden konnten sich nicht mehr auf ihr Erbe berufen, um die Heiden herabzusetzen und auszuschließen; und die Heiden konnten nicht auf die Juden herabsehen, weil sie jetzt dazu gehörten. Der Kirchenvater Johannes Chrysostomus beschrieb es so: Man nahm eine Statue aus Silber und eine andere aus Blei und schmolz sie ein. Man nahm das Eingeschmolzene und formte eine neue Statue und sieh da, sie ist aus Gold.
Liebe Gemeinde, Gott stellt uns wieder so her, wie es am Anfang hätte sein sollen, bevor jemand Jude oder Heide war, in der kurzen Zeit der arkadischen Glückseligkeit. Gottes ursprünglicher Plan war eine Welt ohne Barrieren, ohne Zäunen, in der niemand ausgeschlossen, herabgesetzt oder benachteiligt wird. Und genau das ist es, was er jetzt – seit dem Tod und Auferstehung Jesu – in die Tat umsetzt.
Wenn Jesus wiederkommt und Gott alle Dinge in Ordnung bringt, werden wir diesen Zustand der Harmonie für alle Ewigkeit genießen können, aber im Moment erhaschen wir nur flüchtige Eindrücke davon.
Paulus sagt uns mit dem Bild eines Gebäudes, dass wir nun alle „zu einer Wohnung zusammengebaut werden, in der Gott durch seinen Geist wohnt“. Alle, die das Evangelium gehört und angenommen haben; die gute Nachricht, dass Jesus gestorben ist, um uns mit Gott und untereinander zu versöhnen, sind an diesem Bauprojekt beteiligt. Gott will, dass wir ein lebendiger Tempel werden, in dem es offensichtlich ist, dass er am Werk ist.
Ja, liebe Gemeinde, Gott ist am Werk in seiner Kirche. Aber sehen die Menschen das, wenn sie sich die Königsfelder Gemeinde anschauen? Sehen sie, dass Gott aktiv ist und einen Unterschied macht in unserem Leben, individuell und gemeinsam? Sehen die Menschen das, wenn sie auf die Kirchengemeinden dieser Welt blicken?
Die evangelische und die katholische Kirchen in Deutschland erleben zurzeit eine Krise. In beiden Kirchen geht die Zahl der Mitglieder zurück. Aber gleichzeitig nehme ich eine andere Entwicklung wahr. Die Beziehung zwischen den Kirchen entspannt sich. Wir leben noch nicht in Eintracht und Harmonie. Das weiß ich. Eine Amtskirche werden wir in absehbarer Zeit nicht werden. Und wir müssen es auch nicht sein.
Wir können uns aber alle an früheren Zeiten denken, wo wir uns als Rivalen und manchmal sogar als Feinden betrachtet haben. Katholisch und Evangelisch. Nun arbeiten wir in vielen Bereichen zusammen und feiern sogar manchmal gemeinsame Gottesdienste. Wir werden zunehmend aufeinander angewiesen. Ich bin sehr evangelisch, aber aus Gottes Perspektive gibt es nur ein Leib Christi auf Erden. Und dass ist was Paulus uns sagen will: Ob Jude, ob Evangelisch, ob Katholisch, zusammen sind wir Gottes Tempel, vorausgesetzt, Jesus Christus ist der Eckstein.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen
Gerald MacDonald
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