28.04.2024, Kantate
Offenbarung 15, 2-4
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Liebe Schwestern, liebe Brüder.
Das Buch der Offenbarung. Ich habe oft gedacht, die Namensgebung von diesem Buch der Bibel sei ein Scherz. Oder mindestens ein Versehen. Ein undurchschaubareres Buch gibt es in der ganzen Bibel nicht. Wenn man mich fragt, wäre „die Verschleierung“ ein geeigneterer Name für das Buch. Denn einfach zu verstehen, ist das Buch der Offenbarung nun wirklich nicht. Johannes Calvin, der zu fast allen Büchern der Bibel Kommentare geschrieben hat, hat zum Buch der Offenbarung keinen Kommentar geschrieben. Denn er hat es nicht verstanden. Martin Luther, dagegen, hat es genau verstanden. Mindestens glaube er, er könne die Hauptfiguren der Erzählung identifizieren. Für Luther waren die „Engeln“ der ersten drei Kapitel der Offenbarung historische Personen, zum Beispiel Bischöfe und Lehrer. Manche gut. Manche böse. Sie waren die Anführer der sieben Kirchen in Kleinasien, Ephesus, Smyrna, Pergamum, Thyatira, Sardes, Laodicea und Philadelphia. Übrigens, die einzige von den sieben Kirchen, die ohne Fehl und Tadel war, war Philadelphia. Meine Heimatstadt. Und auch die Heimatstadt unseres Kantors.
Im vierten und fünften Kapitel geht es um die gesamte Christenheit zusammen mit Christus im Himmelreich. Im sechsten, siebten und achten Kapitel geht es um künftige Trübsale. Im sechsten um die leiblichen Trübsale, Krieg, Pest, Dürre, Zerstörung jeder Art. Im siebten Kapitel geht es um geistliche Trübsale. Die Christenheit wird falsche Lehrer und Ketzer erdulden müssen, wird aber nach Luther immer auch fromme „Engel“ haben, die das reine Evangelium predigen. Für Luther sind die guten Engel vor allem die Kirchenväter, die das Schiff, das man Kirche nennt, durch das gefährliche Gewässer der Anfangszeit steuerte, wo falsche Lehrer und Lehren überall zu finden waren. Hier nennt Luther die guten und die falschen Engel-Lehrer namentlich. Zu den guten gehören zum Beispiel Athanasias und Hilarius, der Mentor von Martin von Tours. Und zu den schlechten gehören Pelagius und Marcion.
Luther deutet die Bilder der Offenbarung auf historische Ereignisse der Vergangenheit, seine Gegenwart und die Zukunft. Zu seiner Zeit sei ein gewisser Höhepunkt erreicht gewesen, mit einem päpstlichen Kaisertum und einem kaiserlichen Papsttum. Die von Gott gegebenen Aufteilung der weltlichen und spirituellen Gewalten sei verkehrt. Das Papsttum verfolge weltliche Ziele und das Kaisertum mische sich in geistlichen Angelegenheiten ein. Für Luther sind Papsttum und Kaisertum die zwei Tiere der Apokalypse.
Unser Predigttext für heute sind drei Verse aus Offenbarung 15, Verse 2-4: Und ich sah, wie sich ein gläsernes Meer mit Feuer vermengte, und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine Urteile sind offenbar geworden.
Ich will heute gar nicht groß versuchen zu deuten, wer das Tier ist. Was sein Bild ist. Oder was die Zahl seines Namens bedeutet. Unzählige haben versucht, das Tier einen Namen zu geben. Jeder Versuch lässt die nachfolgende Generation leise schmunzeln oder auch den Kopf schütteln, denn schon passen diese Interpretationsversuche nicht mehr. Aber das Tier hat eine Eigenschaft, die es immer gibt und darum nicht einem einzelnen Menschen oder einer Epoche zugeordnet werden kann: Es ist ein Verführer. Es verführt die Menschen dazu, Gott nicht mehr die Ehre zu geben, die ihm gebührt. Es stellt sich selbst auf den Sockel, auf dem es angebetet und verehrt werden will. Ich könnte etliche Namen nennen, die sich auf den Sockel stellen und viele Menschen verführen. Manche sind Zeitgenossen. Manche historischen Figuren. Aber darum geht es mir nicht heute. Es geht um das Loblied.
In unserem Text erschallt das Lob Gottes durch die, die das Tier besiegt haben. Ihr Sieg besteht aber nicht darin, dass sie das Tier erschlagen hätten, sondern darin, dass sie trotz der zahlreichen Versuchungen und der Macht des Tieres, den Glauben nicht aufgegeben haben. Sie ließen sich nicht verführen. Und so sind sie es, die das Loblied anstimmen dürfen im Angesicht Gottes, „Groß und wundersam sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!“ Und liebe Brüder und Schwestern, auf eine unvollendete Weise singen wir ja jeden Sonntag dasselbe Lied!
Aber im Kapitel 15 singen es eben die, die durch schwere Versuchungen und großes Leid hindurch gegangen sind, die erst dann die Macht Gottes erfuhren, als es fast schon zu spät schien. Meistens erkennen wir die Macht Gottes erst rückwirkend, und zwar gerade da, wo wir schwach waren. Gott offenbart sich nicht wie in einem Schauspiel als der Allmächtige. So billig ist er nicht zu haben. Und so billig will er uns nicht haben, dass wir nur darauf warten, was er als Nächstes wohl tun wird. Gott kommt mit Macht, indem er uns erlöst und frei macht von allen Fesseln, selbst dann, wenn wir gebunden sind. Er macht uns frei, damit wir bei ihm Zuflucht nehmen und Geborgenheit finden können.
Gerecht und wahrhaftig sind seine Wege, so heißt es dann im weiteren Verlauf des Liedes. Der König der Völker kennt nur Gerechtigkeit und Wahrheit. Es gibt keine Ungerechtigkeit oder Lüge in ihm. In Gerechtigkeit und Wahrheit handelt er. Das steht im krassen Gegenteil zum Handeln des Tiers oder des Antichrists oder der Antichristen. Gerechtigkeit kennen sie nicht. Höchstens Selbstgerechtigkeit. Und Wahrheit? Sie verdrehen die Fakten nach ihrem eigenen Gutdünken.
Wir leben heute in einer Welt, die dem Versucher oder besser vielen Versuchern ausgesetzt ist, wo die Kirche, das heißt die Gemeinschaft der Gläubigen, im Kampf ist. Die Christenheit im Westen ist stark angeschlagen. Die Zahl der Kirchenmitglieder und Besucher sinkt. Aber nicht alles ist schlecht. Gottes Kirche wächst im globalen Süden und in Asien. Trotz Verfolgung. Vieles ist in Bewegung. Liebe Schwestern und Brüder, wir haben nur drei Verse aus diesem wundersamen Buch der Bibel gelesen heute. Aber wenn man das ganze Buch nimmt, kommt eins ganz deutlich zum Vorschein: Unser Lamm hat gesiegt. Lasst uns ihn folgen. Amen.
Gerald MacDonald
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