Der wahre Weinstock
03.05.2020, Johannes 15,1-8
03.05.2020, Johannes 15,1-8
Liebe Gemeinde zu Hause an den Bildschirmen und alle, die uns im Christoph Blumhardt Haus über die Anlage verbunden sind.
Sieben Jahre habe ich mit meiner Familie im Rheinland in Neuwied gelebt. Die Gegend ist wunderschön. Rechts und links des Rheins gibt es wunderbare Wanderwege. Ja, der Rhein ist berühmt und sagenumwoben. Gleich im Nachbarort in Leutesdorf gibt es am Rheinufer große weite Hänge. Und diese Hänge sind voll von Weinstöcken. Oft und zu verschiedenen Jahreszeiten waren wir in diesen Weinbergen. Und es war und ist dort immer etwas los. Nicht nur Wanderer sind dort täglich anzutreffen. Die Weinbergbesitzer haben zu jeder Jahreszeit alle Hände voll zu tun. Im Frühjahr beginnt die Arbeit. Dabei ist es wichtig, dass die Blüten nicht durch späten Frost kaputt gehen. Viele Winzer stellen Fackeln auf, damit die zarten Triebe nicht erfrieren. Denn dann würde es am Ende keine Ernte geben. Die Rebe wird auf ein bis zwei Ruten zurückgeschnitten, damit die übrigen Triebe gut gedeihen. Das abgeschnittene Holz wird klein gehäckselt und als Dünger für den Boden verwendet. Wenn die Pflanzen dann austreiben, müssen sie gebunden und damit in Form gebracht werden. Wenn dann die Blütezeit der Reben beginnt, werden sie ausgegeizt, d.h. unerwünschte Triebe werden ausgeschnitten, um die vorhandenen Triebe zu stärken. Von Mai bis August wird dann der Blätterwuchs in Form gebracht. Das nennen die Fachleute: Heften. Dabei wird Laub entfernt, damit später die Reben besser Sonne und Luft abbekommen und Ungeziefer nicht angezogen werden. Vor der Lese ist Juli und August die grüne Lese. Hier werden nicht gereifte Trauben herausgeschnitten. Das Ernteergebnis wird damit zwar verringert, die Qualität ist dafür aber deutlich besser. Im Spätsommer wird der Zuckergehalt der Trauben gemessen. Dies geschieht in sogenannten Öchslegraden, die Rückschlüsse auf den Alkoholgehalt des späteren Weines geben. Dann beginnt die Lese und das Keltern. Ein Weinbergbesitzer hat viel in seinem Weinberg zu tun.
Unser heutiger Predigttext spricht vom Weinstock, vom wahren Weinstock Jesus Christus. Hört den Predigttext aus Johannes 15,1-8
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.
3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.
4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.
7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.
8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.
Hier sagt Jesus in den uns bekannten „Ich bin“-Worten des Johannesevangeliums: Ich bin der wahre Weinstock. Wir kenne auch noch andere „Ich bin Wörter“ Jesu: Ich bin das Licht der Welt, Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, Ich bin der gute Hirte, Ich bin die Tür- um nur einige zu nennen. Hier also: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner.“ Gleich fällt mir dazu das Lied ein, dass am Gründonnerstag Vormittag in der sogenannten Weinstockstunde in der Karwoche in einigen Brüdergemeinen gesungen wird: „O süßer Weinstock, deine Reben erwarten neuen Lebenssaft. Du bist, o Jesu Heil und Leben, des Kranken Arzt, des Schwachen Kraft. Du Lebenssaft, o Lebensquelle, ergieße dich in unser Herz. Wir nah‘n zu Dir mit Herz und Munde ach stille unsern Sehnsuchtsschmerz.“ Schade, dass es hier nicht gesungen wird. Es drückt die tiefe Verbundenheit des Weinstocks mit seinen Reben aus. Jesus Christus der Weinstock und wir die Reben. Wir sind abhängig von Jesus. Wenn wir an und in ihm sind, dann spüren wir Lebenssaft, dann spüren wir Lebensfreude in uns. Wir wissen uns am Weinstock gehalten und geborgen. Wir werden heute mit den Worten aus dem Johannesevangelium aufgefordert bei Jesus zu sein und zu bleiben. Die Welt in der wir leben ist unsicher und gerade in diesen Tagen und Wochen erfahren wir das auf besondere Weise. Ein Virus – mit bloßem Auge nicht zu sehen, bestimmt unser Leben hier in Königfeld, in unserem Land, ja die ganze Welt. Wir alle sind davon betroffen. Es gibt Verordnungen und Regeln, an die wir uns halten müssen. Wer gegen sie verstößt, muss mit Geldstrafen rechnen. Eine dieser neuen Regeln seit letzter Woche ist das Tragen von Mundschutz. Wir sehen ein, dass dieses Tragen andere vor unseren Keimen schützen kann und halten uns daran.
Zurück zum Bild des Weinstocks. Wir sind die Reben. Was für einen Auftrag bekommen wir da von Jesus. Was sind wir für Reben?
In unsere heutige Zeit übersetzt kann es heißen: Bleibt am Weinstock – bleibt am Glauben verwurzelt und holt euch täglich den Lebenssaft, die Lebenskraft von ihm. Haltet als Gemeinde von Christen zusammen. Helft euch untereinander und tragt einander. Es heißt ja nicht: Ich bin der Weinstock und du die Rebe – nein Ihr – wir alle gemeinsam. Wie könnte das konkret aussehen? Welche Früchte können daraus wachsen und groß werden?
Betet füreinander – das können wir alle zu Hause tun. Wir denken besonders an die Menschen, die gerade in diesen Tagen einen lieben Menschen verloren haben und traurig sind. Wir denken an alle, die allein zu Hause sind und denen die Zeit lag wird. An alle, die soziale Kontakte so sehr vermissen und darüber krank werden. Wir denken auch an alle in den Krankenhäusern und Altenheimen die keinen Besuch empfangen können. Das Gebet hat Kraft und das spüren die Menschen, für die wir beten auch.
Bietet eure Hilfe an – auch das ist etwas, was wir tun können. Wir können in der Nachbarschaft fragen, wie es ihnen geht. Das geht auch per Telefon oder mit einem Druck auf den Klingelknopf und einem anschließenden Gespräch mit dem nötigen Abstand. Solche überraschenden Anrufe und Gespräche tun sooo gut und zeigen, dass keiner vergessen ist. Und vielleicht braucht auch einer ganz konkret eine Hilfe beim Einkauf oder beim Gang zur Apotheke. Achtet aufeinander und rennt nicht am anderen vorbei – das muss in diesen Tagen gar nicht sein, denn was uns alle miteinander verbindet ist die ZEIT, die wir haben.
Bleibt dran am Glauben – ja, das ist manchmal gar nicht so einfach. Menschen, die in diesen Tagen die Nachrichten verfolgen und alles in sich aufsaugen, was gesagt wird, können darüber auch krank werden. Sie können den Lebensmut verlieren und resignieren. Sie fühlen sich dem allen hilflos ausgesetzt und sehen kein Ende in Sicht. Manche hinterfragen ihr eigenes Leben. Ja, auch das gibt es in diesen Tagen. Wie hilfreich ist es da, diesen verzweifelten Menschen zuzuhören, sich wie die Freunde von Hiob neben sie zu setzen und Zeit miteinander zu teilen. Wenn der Glaube gerade durch eine Wüstenzeit geht, dann ist es gut zu wissen, dass ein Freund oder eine Freundin durch das Gebet meinen Glauben, ja mich selbst mitträgt.
Füreinander beten, einander helfen und zum Glauben ermutigen, das alles hat Jesus uns mit seinem Leben vorgelebt.
In jede einzelne Rebe hat Gott viel Liebe hineingesteckt. Er, der Weingärtner, hegt und pflegt den Weinstock und die Reben. Das ist tägliche, harte Arbeit und Fürsorge. Gott möchte, dass jede Rebe reichlich Frucht bringt. Er hat in jedes Leben Gaben gelegt, das wir im Laufe unserer Jahre entfalten können und sollen. Und wenn sie sich heute Zeit nehmen, dann schauen sie mal, welche Gabe sie bekommen haben. Dazu braucht es Zeit und Ruhe. Wir hier haben zum Beispiel entdeckt, dass das Führen einer Kamera gar nicht so einfach ist, damit ihr zu Hause ein ordentliches Bild habt. Und auch die Übertragung mit dem richtigen Ton – daran arbeiten wir schon ein paar Wochen. Gaben zu entfalten braucht seine Zeit und braucht Geduld. Das haben wir hier ganz konkret gelernt. Wenn die Gaben dann entdeckt sind, dann sollen sie auch zum Einsatz kommen. Dabei kommt es auf jeden Einzelnen an. Denn nur gemeinsam in der Gemeinde können wir uns untereinander stärken und Mut machen, durch diese Zeit zu kommen. Lasst uns dabei kreativ werden und neues wagen.
Unsere Gemeinde hat einen Hirten, so wie wir es am letzten Sonntag gehört haben. Einen Hirten, der sich um seine Schafe kümmert. Lasst uns bei Jesus, unserem Hirten und Weinstock bleiben. Dann bekommen wir von ihm Lebenssaft und Lebensmut.
„Und dann wird die Herrlichkeit Gottes sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch als meine Jünger erweist.“ sagt Jesus Christus
Amen
Gabriele von Dressler
—
Foto: Laura Weisser