Predigt am 9. Februar, 2025
Amos 5, 21-24
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Amos 5, 21-24 (Basisbibel)
Und Gott sprach:
Ich hasse, ja ich verabscheue eure Feste, und eure Gottesdienste mag ich nicht riechen – auch wenn ihr mir Brandopfer darbringt.
Ich habe keinen Gefallen an euren Speiseopfern.
Und euer Mastvieh, das ihr zum Abschluss als Opfer darbringt,
soll mir nicht unter die Augen kommen.
Lasst mich in Ruhe mit dem Lärm eurer Lieder!
Auch euer Harfenspiel mag ich nicht hören!
Vielmehr soll das Recht wie Wasser strömen und Gerechtigkeit wie ein Bach, der nie versiegt.
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1. Kor. 1,3)
Liebe Gemeinde,
„ich hasse!“ So fängt der Predigttest für heute an. „Ich hasse eure Feste und euere Gottesdienste!“ Wow! Gott hasst.
Dabei dachte ich immer, Gott sei Liebe. Wie kann er denn hassen?
Um die Frage zu beantworten, müssen wir sehen, genau was her hasst. In dem Predigttext für heute steht, dass Gott die Feste, die Gottesdienste und die Brandopfer der Israeliten hasst. Ja, er mag sie nicht riechen. Ein passendes Bild, denn Brandopfer riecht man tatsächlich. Ich möchte sagen, sie stinken. Denn brennendes Fleisch gibt ja keinen angenehmen Duft ab. Ja, die Brandopfer stinken Gott buchstäblich zum Himmel. Die Frage ist: warum? Warum stinken sie. Warum will Gott sie nicht riechen?
Aber damit nicht genug. Es geht weiter. Amos tun eins drauf. Gott will nicht mal das Vieh sehen, das geopfert werden soll. Und er will die Lieder, die Gesänge, das Harfenspiel der Israeliten bei ihren Gottesdiensten nicht mehr hören. Liebe Gemeinde, das ist ja schrecklich!
Wenn ich diesen Bibeltext lese, denke ich sofort an uns, liebe Brüder und Schwestern. An unsere Gottesdienste. An unsere Gesänge, an unsere beliebten Bläserchöre. Denn in unsere Versammlungen und Gottesdienste wird geblasen, nicht geharft. Und natürlich auch georgelt.
Dürfen wir, sollten wir, müssen wir diesen Text, diese Kritik auf uns beziehen? Sind wir wie die Israeliten damals?
Um Gottes Verurteilung der Feste, der Gottesdienste und der Brandopfer der Israeliten zu verstehen, muss man den Kontext kennen. Amos war ein einfacher Hirt. Er lebte während der Teilung der Nation Israel in Norden und Süden. Amos gehörte zum Stamm Juda und wohnte im Südreich. Er wurde von Gott nach Norden, nach Israel zu den restlichen Stämmen Israels gesandt, um Ihnen ihre Verfehlungen vorzuführen und sie zur Umkehr zu ermahnen.
In den Augen der Bewohner Israels, war er ein Fremder, ein Ausländer. Das war für Amos eine heikle Sache. Denn wer lässt sich gerne von einem Wildfremden zurechtweisen?
Was hat der Typ bei uns zu suchen?
Stellen Sie sich vor, ein fremder Prediger käme aus einem fremden Land wie – sagen wir – Amerika und käme nach Königsfeld und trüge der Gemeinde in Königsfeld eine Bußpredigt vor. Sie würden ihn wahrscheinlich mit dem nächsten Zug nach Hause schicken. Vorausgesetzt der Zug fährt.
Die Botschaft Amos ist einfach: Das Volk Israels muss ihre Verfehlungen anerkennen, Buße tun, und gerecht handeln. Und was waren die Verfehlungen Israels? Die Anführer Israels waren es schuldig, die Armen im Lande auszubeuten und zu unterdrücken. Dabei feierten sie weiterhin ihre Feste und Gottesdienste, als ob nichts wäre. Aber Israels Versammlungen zur Ehre Gottes waren mit dem Lebenswandel Ihrer Anführer nicht im Einklang. Israels Gottesdienste waren gut. Hochprofessionell könnte man sagen. Aber der Lebenswandel der Elite, die sie feierte, war schlecht.
Was Amos bei ihnen anprangerte, war nicht Fehlverhalten wie etwa die Völlerei oder andere persönliche Schwächen oder gar Sünden. Nein. Das Problem beim Volk Israel war der falsche Umgang miteinander. Soziale Ungerechtigkeit, wenn man so will.
Gottes Gesetz kann man in zwei Gebote zusammenfassen: Gott lieben und deine Nächsten lieben. Aber sie gehören zusammen. Man kann nicht behaupten eins davon zu tun und dabei das andere vernachlässigen. Deswegen waren die Gottesdienste in Gottes Auge verächtlich. Was nutzt es einen wunderschönen Gottesdienst zu feiern und Brandopfer zu bringen, wenn ich meinen Bruder oder meine Schwester ausbeute? Es ist Heuchelei.
Eines Tages in den 90er Jahren, ging ich in den Supermarkt einkaufen. Draußen, neben dem Eingang, saß ein junger Mann. Nach allem Anschein war er fit. Fitter als ich. Er fragte mich, ob ich eine Mark für ihn hätte. Ich sagte ihm kalt „nein“, und ging in den Supermarkt. Dabei dachte ich, der Mann sollte doch lieber arbeiten gehen als betteln. Während ich im Supermarkt meinen Einkaufskorb füllte, empfand ich Gewissensbisse. Ich zahlte an der Kasse, ging raus und drückte dem Mann ein 2-Mark-Stück in die Hand. Er hatte nur um eine Mark gebeten. „Sorry“, sagte ich, ich war vorhin schlecht gelaunt.“
Amos will gar nicht sagen, dass ein gerechter Umgang mit unseren Nächsten uns vor Gott gerecht macht. Er will uns sagen, dass unsere Beziehung zu Gott unzertrennbar zu unserer Beziehung mit unseren Mitmenschen steht. Wie können wir von Gott Gerechtigkeit erwarten, wenn wir mit unseren Mitmenschen ungerecht umgehen? Wie können wir Gottes Barmherzigkeit erwarten, wenn wir unseren Mitmenschen Barmherzigkeit vorenthalten? Wie können wir Gottes Liebe erwarten, wenn wir unsere Mitmenschen nicht lieben?
Ich sagte vorhin, ich habe die Bitte des jungen Mannes vor dem Supermarkt kalt abgewiesen. Dann kamen die Gewissensbisse. Dann kam die Wiedergutmachung. Ich zahlte ihm Doppel. Und ich tat es gern.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist die Geschichte einer Bekehrung. Zwar im Kleinen, aber immerhin, es war eine Bekehrung. Mein Herz ging von kalt zu warm. Ich entdeckte Mitleid. Ich entdeckte Barmherzigkeit. Der Mann war in einer misslichen Lage. Egal weswegen, der junge Mann bettelte. Was für eine Erniedrigung. Das muss für ihn schrecklich gewesen sein.
Ich erzähle diese Geschichte, nicht weil ich gerne peinliche Geschichten aus meiner Vergangenheit erzähle, sondern weil jede und jeder von uns ähnliche Situationen erlebt hat. Sie ist universal.
Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums steht die Geschichte über Gottes Gericht, wo Jesus der Richter sagt, „Was immer ihr für einen meiner Brüder getan habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen -, das habt ihr für mich getan.
Und liebe Schwestern und Brüder, solche Wohltäter nennt Jesus „gerecht“.
Also Gerechtigkeit ist nicht, was man selbst bekommt, was man für sich selbst wünscht, sondern was man für andere tut. Man tut Gerechtigkeit. An anderen. Das ist revolutionär.
Amos erklärt den Anführern Israels, dass wenn sie weiterhin mit den Armen ungerecht umgehen, werden sie eines Tages Gottes Gerechtigkeit erfahren.
Und das wird für sie nicht schön.
Und Jesus erzählt, wenn wir den Armen Barmherzigkeit widerfahren lassen, werden wir eines Tages selbst Gottes Barmherzigkeit erfahren.
Denn Jesus erklärt für gerecht, wer Barmherzigkeit gezeigt hat.
Wir reden hier nicht von Werkgerechtigkeit. Wir werden nicht vor Gott gerecht, wir werden nicht von Gott angenommen, weil wir unseren Nächsten Barmherzigkeit gezeigt haben. Das hat uns spätestens Martin Luther gelehrt. Aber wie wollen wir Gottes Barmherzigkeit mit uns erhoffen und verstehen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, sie unseren Mitmenschen zu gönnen.
Mein Vater starb 2013. In seinen letzten Jahren benutzte er einen Rollator. Er mochte ihn nicht, aber er war auf ihn angewiesen. Wenn ich meine Eltern in ihren letzten Jahren besuchte, fuhr ich immer das Auto, wenn wir irgendwohin gefahren sind. Das war für meine Eltern eine Entlastung und für meine Nerven war es auch. Eines Tages waren wir im Auto unterwegs, wollten parken und ich suchte nach einem behinderten Parkplatz, denn mein Vater hatte Anspruch auf einen Behindertenparkplatz. Wir sahen wie ein anderes Auto auf den von mir anvisierten behinderten Parkplatz parkte, und ein Mann ausstieg. Nach allem Anschein war er fit. Fitter als mein Vater. „Guck mal“, sagte ich. „Er ist bestimmt nicht behindert.“ „Das weißt du nicht“, sagte mein Vater. „Manchmal sieht man eine Krankheit nicht. Vielleicht leidet er an ein Herzproblem.“
Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich weiß bis heute nicht, was aus dem jungen Mann vor dem Supermarkt geworden ist. Ich weiß es nicht, warum er vor dem Supermarkt saß und bettelte. Ich weiß es nicht, ob er bloß ein Faulenzer war, einen schweren Schicksalsschlag erlitten hatte oder sonst was.
Genauso wenig weiß ich, ob der Mann, der die Behindertenparklücke genommen hat, sie wirklich brauchte.
Es ist aber in beiden Fällen egal was ich weiß. Oder nicht weiß. Wir sind nicht berufen unsere Nächsten zu richten. Wir sind berufen, sie zu lieben.
Wir sind berufen ihnen Barmherzigkeit zu zeigen.
Durch unsere Taten aber auch in unseren Gedanken.
Manches Leid sieht man. Manches nicht.
Manches Leid wird im Herzen getragen.
Wie bei dem jungen Mann, der scheinbar fit war.
Oder wie bei dem Mann, der den Behindertenparkplatz nahm.
Liebe Gemeinde, wenn wir hier in diesem wunderschönen Kirchensaal, Gottesdienst feiern wollen; wenn wir wollen, dass unsere Gebete erhört werden; wenn wir wollen, dass unser Gesang und unser Bläserchor und unser Orgelspiel Gott gefallen; dann müssen wir unseren Nächsten helfen. Dann müssen wir unsere Nächsten lieben.
Wie können wir das nicht tun?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herze und Sinne im Jesu Christi. Amen.
Gerald MacDonald
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