Jeden Tag spürt man das Leben im und ums Haus Früauf – in diesem Haus, umrandet von einem großen parkähnlichen Gelände und diversen Sportplätzen, leben heute bis zu 45 Jungen aller Schularten und Klassenstufen der Zinzendorfschulen.
Das Haus selbst liegt exponiert „im Schatten“ des Kirchensaals und sticht durch seine Bauart und Lage deutlich hervor. Seit seiner Erbauung Mitte des 19. Jahrhunderts gab es hier vielerlei Veränderungen –baulich als auch in seiner Funktion.
Lange Zeit beherbergte das Haus eine Mädchenanstalt – erst 1943 wurde es unter dem Namen „Haus Renatus Früauf“ der Knabenanstalt zugeordnet und damit zum Unterstufeninternat für Jungen. Seitdem hat sich viel getan. Einige „Facelifts“ an den Fronten und viele große und kleine Umbauten im Inneren, wechselnde pädagogische Strömungen und viele unterschiedliche Menschen, die in diesem Haus lebten oder arbeiteten. All dies führte zu dem, was das Haus heute ist.
„Man fühlt sich sofort wohl!“ sagen viele Eltern und Besucher, die zum ersten Mal ins Haus kommen. Es ist diese familiäre und natürliche Atmosphäre des Hauses, welche zum Kommen und zum Bleiben einlädt. So ist das Haus Früauf ein Ort der Begegnung, des Lebens – charakteristisch dafür sind die vielen Jugendlichen, welche sich bei entsprechendem Wetter auf dem neu gestalteten Vorplatz des Hauses oder auf einem der Sportplätze treffen.
Im Eingangsbereich stechen so auch zuerst die vielen Fußballschuhe neben der Treppe ins Auge – von einer der Hauswirtschafterinnen alltäglich neu sortiert. Die Jungen lassen die Schuhe dort stehen, denn sie sind hier zuhause – für manche ist es ein zweites Zuhause, für andere sogar das Zuhause.
Das Haus steht immer offen für Gäste, viele externe Schülerinnen und Schüler kommen gerne zu Besuch. Zu jeder Tageszeit findet man welche im Gespräch, beim Spielen oder beim Lesen in den vielen gemütlichen Ecken des Hauses. Es ist ein Miteinander verschiedenster Typen und Altersstufen – man trifft sich und gehört zusammen.
Doch wer war dieser Früauf, dessen Namen die meisten zunächst falsch schreiben und eher mit einem Morgenappell in Verbindung bringen? Christian Renatus Früauf wurde 1764 geboren und ging hochbetagt 1851 heim. Früauf war das, was man heute einen Vollblutpädagogen nennen würde – und er brannte für die Internatsarbeit. In Königsfeld selbst war Renatus Früauf indes nur einmal – im Jahre 1826 auf der Durchreise in die Schweiz. Unter anderem um den Kirchensaal zu sehen, für den er erste Entwürfe angefertigt hatte –denn neben der Pädagogik wurde Früauf auch für seine mathematischen und zeichnerischen Fähigkeiten geschätzt.
In seinem pädagogischen Schaffen orientierte er sich am Alltag, nicht an Theorien. Früauf hatte stets den ganzen Menschen im Auge, wollte neben dem Geist auch Seele und Körper ausbilden. Mit diesem modernen Ansatz repräsentiert sein Name auch heute noch Grundgedanken der Internatsarbeit. Er selbst arbeitete seit seiner Berufung zum Lehrer im Jahr 1787 viele Jahre über an unterschiedlichsten Orten in unterschiedlichen Funktionen – stets allerdings mit einer sehr engen Bindung zu dem, was er liebte: der Internatserziehung.
Seitdem ist viel Zeit vergangen. Die Welt hat sich mehrfach, teilweise dramatisch, verändert – und diese gesellschaftlichen, politischen und pädagogischen Veränderungen brachten auch immer wieder neue Herausforderungen, Ideen und Zielgruppen für die Internatsarbeit mit sich. Diese werden heute begleitet von einem Team professioneller und hochmotivierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ähnlich wie Früauf damals, diese Arbeit als Berufung sehen.
Und dass das Haus Früauf ein guter Platz ist, zeigt sich daran, wie viele der Schüler sich bis heute damit identifizieren, ein „Früaufler“ zu sein.Aber auch im Rahmen des Altschülertreffens kommen alljährlich viele ehemalige Bewohner des Hauses, um ihre Erinnerungen an eine schöne Zeit aufleben zu lassen – Friedrich Renatus Früauf hätte das sicherlich gefallen.
Andreas Sendlbeck (Dachreiter 2019-2)