Ostern: Der Herr ist auferstanden!
21.04.2019 (Ostersonntag), Exodus 13-15 in Ausschnitten
21.04.2019 (Ostersonntag), Exodus 13-15 in Ausschnitten
Foto: Christoph Huss; Schwarzes Loch: EHT Collaboration / CC BY-SA 4.0; Notre Dame: Milliped / CC BY-SA 4.0
Anlass, den Text aus der dritten Perikopen-Reihe zu nehmen, war das Ostertuch von Gabriele King (Königsfeld), im Anschluss an ihre „textile Passion“, die 2019 in Königsfeld zu sehen war. Das Tuch stellt die Feuersäule dar.
Liebe Festgemeinde!
In den ersten Jahrhunderten feierten die Christen ihr Osterfest parallel zum siebentägigen Passahfest der Juden. Der Prozess um Jesus hatte sich ja auch im Rahmen dieser jüdischen Festtage abgespielt; aus einem Passahmahl wurde das erste Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern. Erst später gingen die beiden Kalender auseinander, weil die Christen Ostern gerne an einem Sonntag feiern wollten. (1) In diesem Jahr fallen die Termine wieder zusammen. Vorgestern begannen die Juden weltweit die Passahfeierlichkeiten, noch bis zum 27. April gehen die Tage der ungesäuerten Brote.
Auch inhaltlich gibt es eine Nähe zwischen den Osterfest und dem Passah. Im Passahfest erinnern sich die Juden an den Auszug Israels aus Ägypten, an das Bittere, an die Todesbedrohung in den Tagen der Sklaverei, an die Hast in den Tagen vor dem Aufbruch, an die Angst am Rande des Meeres und an die Rettung. Gott hat gerettet durch die Wassermassen hindurch.
So haben die Christen auch Karfreitag und Ostern erlebt. In der Osternacht gibt es in der Tradition de Kirche einen Gesang, das Exsultet, in dem es heißt. „Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. Die ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat. … Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbracht und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.“ (2)
Der Auszug aus der Sklaverei ist das zentrale Ereignis der Geschichte der Juden. Die Auferstehung von Christus ist das zentrale Ereignis für die Christen. Das ist eine Linie im Handes Gottes, der befreit aus der Knechtschaft und neues Leben schenkt.
Wir sehen: die neue Leseordnung der evangelischen Kirche hat mit gutem Grund die Geschichte des Auszug als Predigttext zum Ostersonntag vorgeschlagen. Ich lese einen Auszug aus 2. Mose 13 – 15:
13, 17 f Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott …durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Israel zog aus Ägyptenland.
21 Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.
14, 8 Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren unter der Macht einer starken Hand ausgezogen.
9 Und die Ägypter jagten ihnen nach mit Rossen, Wagen und ihren Männern und mit dem ganzen Heer des Pharao und holten sie ein, als sie sich gelagert hatten am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon.
10 Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN
11 und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast?
12 Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.
13 Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen.
14 Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
19 Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie
20 und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.
21 Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken und die Wasser teilten sich.
22 Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
23 Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.
28 Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Männer, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb.
29 Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer.
30 So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
15, 20 Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen.
21 Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt schwarze Löcher.
Im Kosmos.
Im Leben der Völker.
Im Leben von Menschen.
In einem schwarzen Loch im Kosmos ist die Gravitation so stark, dass Planeten zur Größe einer Kirsche zusammenschrumpfen. (3) Kürzlich ist es erstmals gelungen, die Umgebung solch eines schwarzen Loches bildlich festzuhalten. Zum Glück sind wir weit genug davon weg, als dass seine verschlingende Kraft unserer Erde in absehbarer Zeit gefährlich werden könnte.
Ein tiefe Erschütterung verursachte in der letzten Woche der Brand der Kirche Notre Dame in Paris. Der Blick in das schwarze Loche der Brandruine am nächsten Tag führte den Menschen „die Zerbrechlichkeit des irdischen Seins,“ vor Augen „die Erkenntnis, dass nicht selbstverständlich, nichts ewig ist“, schreibt die Journalistin Angelika Wohlfrom. (4)
Der Tod Jesu und das leere Grab waren für seine Freundinnen und Freunde wohl auch solch ein schwarzes Loch, das alle ihre Hoffnungen und Lebenskräfte schinden liess.
Schwarze Löcher gibt es eben auch im Leben der Menschen:
Es gibt Sie, diese schwarzen Löcher, die Schrecken, das Erschaudern. Anhand der Nachrichten aus alles Welt könnten wir die Liste beliebig verlängern.
Ich stelle mir die Erfahrung für das Volkes Israel am Rande des Meeres auch so vor. Sie schrieen zum Herrn, heißt es. Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben?
Da ist aber auch einer, der vertraut. Mose, der selbst schon einmal durch das Wasser hindurch gerettet wurde. Einer, der Gott kennt, der seine Stimme gehört hat aus dem Dornbusch, den das Feuer nicht verzehrt hat.
13 Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird.
14 Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
Da ist dann der Engel, der schützt, der Feuersäule des Nachts und die Wolkensäule des Tags, die den Weg weisen. Diese Feuersäule stellt Gabriele King in Ihrem Ostertuch hier vorne dar.
Auch im leeren Grab sitzen dann zwei Engel, so wie es Johannes berichtet. Und dann steht da der, den Maria für den Gärtner hält. Erst an der Stimme erkennt sie Jesus. ER lebt.
Es gibt die schwarzen Löcher, es gibt die Bedrohung. Und es gibt Gott, der da ist, spricht, rettet und neues Leben schenkt. Als sie durch sind, die Israeliten durch das schwarze, rote Meer, jubeln sie, den Schrecken noch in den Knochen, Miriam tanzt und singt. Lasst uns dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.
Wir zögern, in den Jubel einzustimmen. Muss das sein – das Leben der einen für den Tod der anderen? Geht die Rettung nicht ohne Schrecken? In der jüdischen Tradition gibt es eine Erzählung, dass die Engel ein Freudenlied anstimmen wollten, als sie sahen, dass Israel errettet und die Ägypter vernichtet wurden. Gott aber schreitet ein und bringt die Engel zum Schweigen: „Wie wagt ihr es, aus Freude zu singen, wenn meine Geschöpfe sterben?“ (5)
Es ist etwas anderes, ob Betroffene sich freuen, dass sie dem Tode entronnen sind. Miriam darf tanzen. Wir, die wir fern stehen, dürfen zögern, weil wir uns gewünscht hätten, es hätte auch eine Rettung gegeben für die Ägypter.
Es ist leider oft nicht so, wie wir es gewünscht hätten. Muss es den Schrecken und das Erschaudern, die Gewalt und den Tod geben? Muss es einen Karfreitag geben vor Ostern? Wir dürfen uns wünschen, dass es all das nicht gäbe.
Solange es aber all dieses gibt, sollten wir Mose und die Engel hören, die uns Worte zum Leben sagen: Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein. Noch sind wir nicht am Ziel, noch gibt es Leid und Geschrei. Aber der Tag wird kommen, da alle Tränen abgewischt werden. Wenn Gottes neues Welt anbricht oder wenn ein Mensch in diese Welt eingeht. Christus war der erste, den Gott zu einem neuen Leben auferweckt hat.
Noch sind wir dort nicht. Solange hören wir die Worte,
Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird.
Solange folgen wir der Feuersäule, in der Gott nahe ist, leben im Dunkel schon im Licht.
Solange proben wir schon mal das Loblied und stimmen uns ein.
Solange folgen wir Christus, der der Weg ist und das Leben.
Denn der Herr ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden.
Amen
Christoph Huss, Königsfeld
1 Passah am 14. Nissan, Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem 21. März, Beschluss Nicäa 325
2 Zitiert nach „Gemeinsam Ostern feieren“, eine ökumenische Handreichung, ACK, Frankfurt 2004
3 Man kann sich das so vorstellen, dass die Zwischenräume zwischen den Teilchen eines Atoms schwinden; die „Luft“ ist raus.
4 Angelika Wohlfrom im „Südkurier“ 18. 4. 2019, S. 2. Sie fährt fort: „Ein momento mori. Vielleicht auch die Erkenntnis, dass uns dieses christliche Erbe etwas wert ist, selbst wenn wir längst nicht mehr zum Gottesdienst gehen.“
5 A. Deeg / A. Schüle, die neuen alttestamentlichen Perokopentexte, 2018, S. 225