Predigt am 29. Oktober 2023, Männersonntag
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Perikope (Philipper 4, 1-9)
1 Also, meine lieben Brüder und Schwestern, nach denen ich mich sehne, meine Freude und meine Krone, steht fest in dem Herrn, ihr Lieben. 2 Evodia ermahne ich und Syntyche ermahne ich, dass sie eines Sinnes seien in dem Herrn. 3 Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Gefährte, steh ihnen bei; sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen anderen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen. 4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. 8 Weiter, Brüder und Schwestern: Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid bedacht! 9 Was ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut; so wird der Gott des Friedens mit euch sein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.
Vertraute Worte, liebe Männer. So endet jede evangelische Predigt. Dann folgt noch das „Amen“ und es ist vollbracht. Die Predigt ist zu Ende. Gott sei Dank, wird so mancher antworten. Ob erbaut, erleichtert oder ernüchtert, das liegt nur bedingt im Geschick des Predigers. Der Kanzelsegen, liebe Brüder. Höher als alle Vernunft, höher als alles menschliche Reden ist der Frieden Gottes. Darauf kann ich vertrauen, als Prediger und als Predigthörer.
Ich möchte nichts auf den Kopf stellen, wenn ich das Ende vor den Anfang stelle. Doch das 2023er Jahresthema „Höher als alle Vernunft – Männer im Vertrauen“ erzwingt es nahezu: „Höher als alle Vernunft“ – vier Worte des Apostel Paulus aus dem Schlusskapitel seines Briefes an die christliche Gemeinde in Philippi und „Männer im Vertrauen“ – drei Worte der Männerarbeit der EKD. Sie sind nach einem demokratischen Aushandlungsprozess auf der Mitgliedervollversammlung hinzugefügt worden. „Höher als alle Vernunft – Männer im Vertrauen“; die Losung evangelischer Männer in diesem Jahr. Sieben gute Worte, die unsere Sinne erreichen und unsere Herzen erweichen können.
Vom Schluss der Predigt zurück zum Anfang, vom Kanzelsegen zum Kanzelgruß.
Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unserem Vater und unserem Herrn, Jesus Christus.
[Hinweis: Wenn Du predigst, so sprich das Wort „Gnade“ gnädig und das Wort „Frieden“ friedlich aus. Lass Dich von Gottes Gnade tragen und von Gottes Frieden durch die Predigt führen. Vertraue darauf.]
Die Gnade hat das erste Wort. Mit „Gnade“ beginnt meine Predigt. Ich wünsche sie Dir und ich wünsche sie mir. Gnade schwebt über meinen menschlichen Worten. Die Gnade garantiert mein Leben. Der Kanzelgruß, die Zusage der Gottesgnade, er / sie ist geborgt. Das sind geliehene, ausgeliehene Worte. Ich kann Gottes Gnade weder sinnlich erfahrbar erzeugen noch vernünftig herbeireden. Aber ich kann Gottes Gnade für mich ersehnen und anderen wünschen. Ebenso hat der Apostel Paulus die göttliche Gnadenzusage verstanden, als er den Gruß an den Anfang seines Briefes an die christliche Gemeinde in Philippi setzte und nachdem er Gottes Gnade in seinem Leben zuvor existenziell erfahren hatte.
Bevor Paulus wurde, war Saulus. Und Saulus war ein fundamentalistischer Gotteskrieger. Sein gnadenloser Kampf galt der wörtlichen Erfüllung der Tora. Er sah Feinde in allen Menschen, welche die Gesetze des Moses nicht in buchstäblicher Weise befolgten. Viele Christinnen und Christen standen auf seiner persönlichen Todesliste. Und wenn Saulus Jesus leibhaftig in Jerusalem begegnet wäre, dann hätte er vermutlich auch dessen Kreuzigung wegen Gotteslästerung gefordert. Aus Gnade erschuf unser auferstandener Herr Jesus Christus aus Saulus den Paulus vor den Toren von Damaskus. Aus Gnade wird aus dem jüdischen Gotteskrieger ein streitbarer Christ. Aus Gnade kämpft Paulus den Kampf des Glaubens in Wort und Schrift. Und das mit unermüdlichem Eifer bis zu seinem legendären Märtyrertod in Rom.
Der Mann war und blieb ein vernünftiger Kämpfer. Seine Wahrheit des jüdisch-christlichen Glaubens erweist sich logisch nachvollziehbar sowohl aus dem mosaischen Gesetz als auch dem griechischen Wissen über Gott und die Welt. Seine Briefe an die christlichen Gemeinden und die Geschichte der Apostel zeugen gleichermaßen und an sehr vielen Stellen davon. Genauso zahlreich sind die Namen der Männer und Frauen, zu denen der Apostel ein vertrauensvolles Verhältnis hatte. Die Bibel sprudelt aus vielen Quellen und spricht mit verschiedenen Mündern davon, dass diese Männer und Frauen wiederum in Paulus einen Mann des Vertrauens fanden: Allen voran Timotheus, Silas und Titus. Paulus nennt sie liebe und rechte Söhne. Andere heißen treue Brüder und liebe Schwestern. Sie sind einander aus Juden und Griechen zu Stammverwandten geworden.
Und die Philipper? Paulus nennt sie „meine lieben Brüder und Schwestern“. Die Gemeinde war „seine Freude und seine Krone“. Paulus sehnte sich nach diesen Männern und Frauen. Sie waren seine erste europäische Liebe (erste christliche Gemeindegründung auf europäischem Boden). Der Apostel blieb ihnen stets herzlich durch weitere Besuche (und vermutlich auch weitere Briefe) verbunden. Und die christlichen Philipper unterstützen die paulinische Mission finanziell.
Paulus und die Philipper, Christen und Christinnen, die sich vertrauen. Männer und Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die sich geistlich anvertrauen. Schwestern und Brüder von verschiedenen Kontinenten, die materielle Güte vertrauensvoll teilen. Das wünschen wir uns doch in unseren Familien. Das wollen wir auch in unseren christlichen Gemeinden. Als Mann des Vertrauens kann Paulus einzelne Männer und Frauen der Gemeinde öffentlich beim Namen nennen. Er ermahnt Evodia und Syntyche vor der ganzen Gemeinde. Sie sollen „eines Sinnes sein“ steht im Brief. Und der Brief wurde in der Versammlung laut vorgelesen. Unvorstellbar in unseren evangelischen Gemeinden oder bei unseren kirchlichen Männertreffen? Undenkbar für aufgeklärte Herzen? Unfassbar für abgeklärte Sinne?
Und falls wir es doch tun; mahnen wir nicht meistens lieber die anderen mit erhobenem moralischem Zeigefinger? Wer mahnt sich selbst gern und das mit ethischer Urteilskraft? Ermahnen wir uns unter Christenmenschen. Männer im Vertrauen können das. Und ich frage euch kritisch und mich selbstkritisch: Wie, wann und womit? Es geht uns Christinnen und Christen doch nicht darum, andere vor anderen bloßzustellen. Wir sollen darauf bedacht sein, ethisch vertretbar miteinander umzugehen. Paulus spricht von wahrhaftigem Reden und ehrbarem Verhalten, von gerechtem Handel mit Fremden und liebenswertem Dienst am Nächsten, von reinem Gemüt und gutem Ruf. Und er beendet seine Mahnung an die Philipper mit den Worten: ,,Was ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut; so wird der Gott des Friedens mit euch sein.“ (Phil. 4,9)
Der größter „Prediger“ Sachsens – nach Martin Luther – war, ist und bleibt Johann Sebastian Bach. Manche nennen ihn sogar den fünften Evangelisten. Vor genau 300 Jahren (im Jahr 1723) entstand die Leipziger Fassung der Kantate ,,Herz und Mund und Tat und Leben“ (BWV 147). Im ersten Coral heißt es: ,,Herz und Mund und Tat und Leben / muss von Christo Zeugnis geben/ ohne Furcht und Heuchelei / dass er Gott und Heiland sei.“ Bei allem christlichen Tun geht es um Gott. Jesus hat das vorbildhaft gesagt und gelebt. Paulus hat das vornehmlich geschrieben und gelebt. Und Bach hat es vorzüglich vertont und gelebt. Soli Deo Gloria – allein Gott die Ehre. Johann Sebastian Bach hat alle seine weltberühmten Werke nicht mit seinem eigenen Namen, sondern mit s.d.g. (soli deo gloria) unterschrieben. Denn Gott handelt zuerst gnädig an uns Menschen, warum überhaupt der barocke Evangelist aus Leipzig sagt und singt. Und Gott tut das gemäß jener höheren Vernunft, wovon der Apostel der Völker schreibt.
So wie sich beides am Handeln von Jesus ganz praktisch erkennen lässt: Er hält nach der rechten Wange auch noch seine linke Wanke dem Schläger zum Schlag hin. Der Gott des Friedens verzichtet auf Gegenwehr. Das ist paradox. Doch damit erweist sich der Frieden Gottes gerade in seiner höheren Dimension als die vernünftig kalkulierten menschlichen Friedensordnungen. Und es gilt umgekehrt für uns Christenmenschen; zumindest manchmal und meistens auch nur zeitlich begrenzt, aber doch sichtbar unter uns Schwestern und Brüdern und vorzeigbar in der Welt: Diese höhere Friedensordnung Gottes; sie pumpt in unseren Herzen und sie fließt aus unseren Mündern und sie tut sich durch unsere Taten und sie lebt durch unsere Leben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.
Erik Panzig, Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen
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