Predigt 1. September 2024 · 14. Sonntag nach Trinitatis
Römer 8, 14-17
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Liebe Gemeinde,
heute vor 85 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem Einmarsch deutscher Soldaten in Polen. Diejenigen, die den Krieg damals miterlebt haben, sie werden sich an die schrecklichen Jahre erinnern. Die Welt war gefangen in Leid und Zerstörung.
Die Worte des Paulus, die wir gleich als Predigttext hören, bringen eine ganz andere Botschaft. Sie kommt von Gott und ist eine befreiend. Sie überwindet das Böse, die Furcht und den Streit. Gottes selbst reicht uns die Hand und wir sind seine Kinder. (Römer 8, 14-17 Luther)
14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 15 Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.
Wenn Gottes Geist in uns wohnt, dann sind wir Kinder Gottes. Der Heilige Geist will Menschen anrühren und seine Kraft kann Menschen verändern. Das können wir mit dem Verstand nicht begreifen, wir können es aber fühlen, wie wir innerlich frei werden. Wir leben nicht mehr in der Knechtschaft. Ich verbinde mit Knechtschaft ein unterdrücktes Machtverhältnis. Da ist einer unfrei und hat zu tun, was gesagt wird. Und das erinnert mich an die Verhältnisse vor 1989. Aber gleichzeitig kommen mir dann auch die Gefühle der Zeit danach in den Sinn. Das Gefühl von Freiheit, das haben sicher alle schon einmal selbst erlebt. Ich selbst denke da an den Fall der Mauer im November 1989 zurück. Plötzlich fiel die Grenze zwischen Menschen und ein Gefühl der grenzenlosen Freiheit, an die keiner noch im Sommer 1989 gedacht hätte, machte sich breit. Was haben Menschen Jahre vorher in Kauf nehmen müssen, um aus der DDR zu fliehen! Erniedrigung, Gefängnis, die Aussicht, seine engsten Verwandten zurückzulassen und nicht mehr zu sehen oder auch den Tod. Und dann plötzlich war die große Freiheit da.
Dieses Freiheitsgefühl trage ich in mir und so stelle ich mir die Freiheit bei Gott vor. Ich und du, wir sind Gottes geliebte Kinder, die nicht mehr in Knechtschaft, sondern in einem ganz besonderen Verhältnis zu Gott leben können – ohne Furcht. Das ist eine befreiende Botschaft. Und sie gilt uns allen, die wir hier sitzen, und allen, die sein Wort – Gottes Wort hören und in ihr Herz aufnehmen. Diese Freiheit in der Beziehung zu Gott, hat sich keiner und keine von uns erarbeitet, sie ist ein Geschenk von Gott an uns. Er hat so großes Vertrauen in uns, dass wir mit diesem Geschenk sorgsam umgehen. Vertrauen bedeutet: Ich weiß, dass du – mein geliebtes Kind – es schaffst, eigene Schritte zu gehen. Ich traue dir zu, dass du deine Gaben entfalten wirst, die ich dir mit auf deinen Weg gegeben habe. Ich lasse dich eigene Erfahrungen im Leben machen und doch weißt du, dass ich immer in deiner Nähe bin.
Und dann wird Gott sicher auch Schritte und Wege in unserem Leben aushalten, die in Sackgassen münden. Er bevormundet uns nicht, sondern er gibt uns die freie Entscheidung, Wege zu wagen. Auch, wenn sie sich manchmal als Irrweg herausstellen. Er hält es aus und er hält nach uns Ausschau. So wie der Vater des verlorenen Sohns, nimmt er uns, wenn wir den Weg wieder zu ihm finden, in seine offenen und liebenden Arme. Und er feiert die Rückkehr.
Gott ist für uns nicht mehr fremd und fern, nein wir dürfen ihn Vater – Abba – nennen, so wie wir es im Gebet aussprechen, dass uns Jesus gelehrt hat: Unser Vater im Himmel…
Wenn Kinder nach einem Tag bei ihren Freunden nach Hause kommen, dann erzählen sie ihren Eltern, was sie alles erlebt haben. Es sprudelt aus ihnen heraus und brauchen ein Gegenüber, dass ihnen zuhört und sie versteht. Gott möchte für uns ein Gegenüber sein, der offen ist für unsere Freuden und Sorgen, der uns zuhört und versteht. Ja, wir tragen viele Sorgen in uns. Sorgen um die eigene Familie, die Gemeinde, aber auch Sorgen um unser Land und die ganze Welt. Heute wird in zwei Bundesländen gewählt und wir sehen die Freiheit und die Demokratie gefährdet. Die große Euphorie nach der Wende ist schon längst verpufft und einer großen Unzufriedenheit gewichen. Wir Menschen haben mehr und mehr gelernt, unsere kleinen Maßstäbe anzulegen und dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Mehr und mehr kreisen die Gedanken um sich selbst und ein gutes Miteinander wird immer schwieriger. Hat es auch damit zu tun, dass wir es verlernt haben, Abba – unseren Vater zu rufen? Wollen wir es doch alles lieber aus eigener Kraft schaffen?
Gott hat uns nicht nur zu seinen Kindern gemacht, sondern er möchte auch, dass wir seine Erben sind. Erben tragen das weiter, was sie von ihren Eltern bekommen haben. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe.
Was ist nun unser Erbe? Wir haben Gottes Geist bekommen, den wir in uns tragen. Die Früchte des Geistes sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue (Eph. 5,9)
Dieses Erbe ist riesengroß. Ich habe bis jetzt kaum einen Menschen erlebt, der dieses Erbe in seiner ganzen Tragweite ausgefüllt hat. Das ist auch gar nicht machbar. Aber dafür sind wir ja eben nicht Alleinerben. Wir alle sind Erben der Früchte des Geistes und wir können daher das Erbe aufteilen. Das ist auch eine wunderbare Sache, denn oft gibt es unter den Erben Streit – manchmal geht das so weit, dass sich Familien entzweien und statt Liebe und Friede – Hass und Eifersucht das weitere Leben vergiften. Das soll aber so nicht sein.
Wir alle erben zu gleichen Teilen und gemeinsam. Das ist für jeden und jede von uns eine Lebensaufgabe. Denn das Erbe und wir als Erben sollen nicht unerkannt bleiben. Wir haben die Aufgabe Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte und Treue hinaus in den Alltag, in unseren Ort, in unser Land, ja sogar in die Welt zu tragen.
Das fängt schon damit an, wie wir uns selbst von Gottes Geist öffnen lassen und dann aufeinander zugehen. Wie wir mit anderen umgehen, die uns nicht so vertraut sind, wie wir den Frieden im Kleinen wachsen lassen, wie geduldig wir mit anderen sind.
So wie Kinder lernen, eigene Schritte zu gehen, so sind auch wir dazu gerufen, kleine Schritte und neue Schritte zu wagen. Und selbst, wenn wir stolpern, dann können wir aufstehen und diesen Weg weitergehen.
Der Heilige Geist wird uns führen und leiten. Er gibt uns die Ideen, wie wir mit dem uns anvertrauten Erbe umgehen sollen.
Gott trau uns viel zu. Er liebt uns als seine geliebten Kinder. Wir sind keine Einzelkinder, sondern eine große Familie, die sich gegenseitig unterstützt und Mut macht. Denn wir haben eine Botschaft, die uns verbindet und die uns frei macht. Gott vertraut uns und wir vertrauen ihm, dass er uns weiter auf unserem Weg begleitet. Amen
Gabriele von Dressler
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