Predigt 17.12.2023, 3. Advent
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Liebe Schwestern und Brüder,
man erzählt eine Geschichte von einer Missionarin, die eines Tages an ihrem Fenster saß, als sie die Post aufmachte. Sie öffnete einen Brief, und heraus fiel ein 10-Euro-Schein. Als sie das Geld vom Fußboden aufhob, sah sie aus dem Fenster einen ärmlich gekleideten Mann auf der Straße unter ihr. Berührt von diesem Anblick steckte sie den 10-Euro-Schein in einen Umschlag, auf den sie „Nicht verzweifeln“ schrieb, und warf ihn aus dem Fenster. Der Mann hob den Umschlag auf, öffnete ihn, schaute sich den Inhalt an, lächelte, zog seinen Hut und ging seines Weges. Am nächsten Tag klopfte es an die Tür der Missionarin, und als sie die Tür öffnete, stand der Mann da, dem sie am Vortag das Geld gegeben hatte. Er stand da und hielt ihr eine Handvoll Bargeld hin. „Was ist das?“, fragte sie. Der Mann sagte: „Gnädige Frau, das ist Ihr Anteil; ‚Nicht verzweifeln‘ hat gestern beim Rennen fünf zu eins bezahlt.“
In der Geschichte, die wir heute gelesen haben, finden wir Johannes den Täufer im Gefängnis und an einem Tiefpunkt seines Lebens. Sein Glaube war stark angefochten und er war am Rande der Verzweiflung. Am tiefsten Punkt seines Lebens hören wir ihn fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder erwarten wir einen anderen? Bedenken wir: Johannes hat die ganze Zeit von dem Kommen des Messias gesprochen und eine Botschaft der Büße und Bekehrung gepredigt. Seine Zuhörer sollten sich auf das Kommen des Messias vorbereitet sein. Nun sitzt Johannes im Gefängnis und wartet. Er konnte sogar davon ausgehen, dass er auf den Tod wartet.
Wenn wir Johannes den Täufer fragen könnten, wie er sich in seiner Situation wirklich fühlte, würde er Ihnen höchstwahrscheinlich sagen: „Im Moment macht mein Leben einfach keinen Sinn.“ Viele von uns haben sich schon einmal so gefühlt. Es gab Zeiten in unserem Leben, in denen Dinge passiert sind und wir einfach nicht verstanden haben, „warum“. Wir versuchen, richtig zu leben, das Richtige zu tun, das Richtige zu geben, das Richtige zu sagen, und doch lässt Gott zu, dass Dinge in unserem Leben geschehen, die einfach keinen Sinn zu machen scheinen. Wir fragen uns dann, was Gott in unserem Leben vorhat.
Johannes der Täufer befand sich in einer solchen Zwangslage. Die Dinge, die ihm widerfuhren, ergaben für ihn einfach keinen Sinn. Johannes fragte: „Bist du der, der kommen soll, oder erwarten wir einen anderen?“ Also, für Johannes schien Jesus sehr nahe, und doch schien er so weit weg zu sein. Er wusste, wie der Messias zu sein hatte, er wusste aber nicht, ob Jesus der Messias war. Nachdem die Boten zurück zu Johannes gingen, wendete sich Jesus der Menschenmenge um ihn zu. Wir lesen: „Und als sie weggingen, fing Jesus an, zu der Menge über Johannes zu reden.“ Jesus stellte den Menschen rhetorische Fragen, um ihnen zu zeigen, was für ein Mensch Johannes war. „Was wolltet ihr euch eigentlich ansehen, als ihr zu ihm in die Wüste hinausgingt? Ein Schilfrohr, das sich im Wind hin- und herbewegt?“ Da dachte Jesus bestimmt an das lange Schilfgras, das an den Ufern des Jordans wuchs, wo das Volk Johannes predigen gehört hatte. Wie das hohe Gras auf einem Feld neigte sich das Gras nach Süden, wenn der Wind von Norden wehte. Wenn der Wind von Süden wehte, neigte sich das Gras nach Norden, und so weiter. Es machte bestimmt einen schönen Tanz, wenn der Wind wehte. Aber das Volk machte sich nicht die Mühe in die Wüste zu gehen, um sich ein Naturschauspiel anzusehen. Sie wollten Johannes sehen. Denn Johannes war das Gegenteil des Schilfrohrspektakels. Er bewegte sich nämlich gegen den Wind. Gegen die öffentliche Meinung. Gegen die eingesessenen Autoritäten. Gegen die Erwartungen der Menschen.
Wenn Jesus heute leben würde, hätte er zweifellos gefragt: „Habt ihr in der Wüste einen Mann gehört, dessen Botschaft sich danach richtete, was die jüngsten Umfragen sagen?“ Die Antwort war natürlich „Nein“. Als die Menschen Johannes den Täufer hörten, hörten sie einen Mann, der ihnen direkt in die Augen sah und ihnen die Wahrheit sagte. Das war revolutionär. Johannes der Täufer war kein Prediger, der predigte, was die Leute hören wollten. Er predigte, was die Menschen hören mussten.
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt Predigten, die besser sind als andere. Nehmen wir an, ich habe drei Predigten vorbereitet. Eine ist sehr gut! Eine ist mittelmäßig. Und eine ist grottenschlecht. Bevor es mit der Predigt los geht, wird die Kollekte gesammelt. Welche Predigt ich dann halte, hängt von der Einnahme bei der Kollekte ab. Spenden Sie großzügig, hören Sie eine hervorragende Predigt! Spenden Sie halbherzig, bekommen Sie eine mittelmäßige Predigt. Und spenden Sie geizig, liefere ich die schlechteste Predigt, die Sie je gehört haben. Also, wie würden Sie spenden?
Johannes nahm keine Opfergaben entgegen, um zu sehen, was er predigen würde. Er fragte die Menschen nicht, was sie hören wollten. Er hatte eine Botschaft von Gott, und er zögerte nicht, sie zu verkündigen. Auch Jesus fragte das Volk: „Was wolltet ihr denn sonst dort draußen sehen? Einen Mann in feiner Kleidung? Ihr wisst doch: Die feingekleideten Leute sind in den Palästen der Könige zu finden.“ Jesus bezog sich zweifellos auf die Höflinge des Königs Herodes, deren „feine Kleidung“ für ein luxuriöser Lebensstil stand. Die Kunst dieser Höflinge bestand darin, dem König zu schmeicheln. Jesus fragte: „Wenn du Johannes hörst, hörst du dann einen rückgratlosen Weichling, der Dir nur sagt, was Du hören willst? Oder hörst du jemanden, der einen Dolch zieht und direkt auf das Herz zielt?“ Johannes predigte Reue und Buße. Das waren keine Dinge, die die Menschen unbedingt hören wollten. Dennoch wurden sie von ihm angezogen. Denn er sprach die Wahrheit. Ohne Filter.
Die letzte Frage, die Jesus dem Volk über Johannes stellte, war: „Was wolltet ihr also sehen, als ihr hinausgingt? Einen Propheten?“ Ein Prophet war jemand, der die Botschaft des Herrn verkündete. Ja, Johannes war ein Prophet, aber wie Jesus dann sagt, er war „mehr als ein Prophet“. Denn dieser ist es, von dem geschrieben steht: „Ich sende meinen Boten vor dir her; er wird dir vorangehen und dein Wegbereiter sein.“ Johannes war mehr als ein Prophet, denn er war der Bote Gottes, der gekommen war, um die Ankunft des Messias – des Herrn Jesus Christus – anzukündigen. Er war ein von Gott gesandter Mann.
Jesus wollte, dass die Menschen verstehen, dass Johannes kein gewöhnlicher Mann war. Er fiel nicht in die Kategorie des „Durchschnittlichen“ oder „Normalen“. Kein größeres Kompliment oder eine größere Ehrung ist einem Menschen je zuteilgeworden als das, was Jesus über Johannes den Täufer sagte. Wahrlich, ich sage euch: Unter allen Menschen, die je geboren wurden, hat es keinen Größeren gegeben als Johannes den Täufer.
Salomo sagte in Sprüche 27:2 „Lass dich von einem anderen loben und nicht von deinem eigenen Mund.“ Als ich meine ersten Bewerbungen geschrieben habe, klang dieser Vers stets in meinem Ohr. Wie soll man eine Bewerbung schreiben, ohne sich selbst zu loben? Es ist nicht einfach. Johannes der Täufer lobte sich nicht, sondern wies auf einen anderen hin. Auf den kommenden Messias. Auf den, dessen Schuhriemen er nicht wert sei, aufzulösen.
Es wird erzählt, dass der italienische Komponist Guiseppe Verdi bei der Aufführung seiner ersten Oper in Florenz am Ende aufstand und die Menge jubelte. Aber sein Blick war nicht auf die jubelnde Menge gerichtet, sondern auf das Gesicht eines einzigen Mannes im Publikum – des großen Gioachino Rossini. Es spielte für ihn keine Rolle, ob die Leute ihm zujubelten oder ihn verhöhnten. Was zählte, war, was der große Meister dachte.
Am Anfang unserer Geschichte, finden wir Johannes den Täufer im Gefängnis. Und wir erfahren, dass in seinem Herzen und in seiner Seele ein Kampf von gigantischem Ausmaß stattfindet. „Als Johannes im Gefängnis vom Wirken Christi hörte, schickte er einige seiner Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“
Warum stellte Johannes diese Frage? Ich glaube, in den Worten des Johannes steck ein wenig Entmutigung. Wenn man sich seine Umstände ansieht, kann man leicht verstehen, warum er entmutigt war. Er befand sich nicht in dem Palast eines Königs. Sondern – er verrottete in einem Kerker. Wenn man sich Johannes als einen Mann der Wüste und der Weite vorstellt, kann man sich vorstellen, wie bedrückend es gewesen sein muss, in vier engen Mauern eingesperrt zu sein. Hier war ein aktiver Mann mit einem göttlichen Auftrag zu predigen, aber er wurde zum Schweigen gebracht. Dies muss eine niederschmetternde Zeit für Johannes gewesen sein. Als Johannes im Gefängnis war, was ihn am meisten entmutigte, denke ich, war die Abwesenheit, die Ferne von Jesus. Jesus war ja in der Gegend. Als Johannes zum ersten Mal hörte, dass Jesus in der Stadt war, hat er vielleicht erwartet, dass der Herr ihn besucht. Und tröstet. Aber es waren Tage vergangen, und er hatte Jesus nicht nur nicht gesehen, sondern nicht einmal ein Wort von ihm gehört.
Es gibt Zeiten, in denen wir auch entmutigt werden. Es gibt Zeiten, wo wir auch an Orten sind, die nicht schön sind. Und in solchen Zeiten und an solchen Orten scheint unser Herr sehr weit weg zu sein. Was noch schlimmer ist, ist das scheinbare Desinteresse und die mangende Fürsorge unseres Herrn. Wir wissen, dass er weiß, wo wir sind und was wir durchmachen, und doch scheint es, als würden wir kein Wort von ihm hören. Es scheint fast so, als ob er sich von uns fernhält. Es gab nicht nur die äußere Situation, mit der Johannes fertig werden musste, sondern auch die inneren Kämpfe, die tief in seiner Seele vor sich gingen. Diese inneren Kämpfe sieht man an seine Frage: „Bist du es, der kommen soll, oder erwarten wir einen anderen?“
Warum war Johannes unsicher, ob Jesus er Messias war? Wie wir wissen, die Erwartungen an den Messias damals waren, dass er den Joch der römischen Fremdherrschaft bricht. Man erwartete einen politischen, einen herrschaftlichen, ja einen revolutionären und gar kriegerischen Messias. Johannes hatte erwartet, dass Jesus sein Reich aufrichten würde. Er hatte erwartet, dass der Herr „wie ein reinigendes Feuer kommt und die Axt an die Wurzel legt“ {Matthäus 3:7-12}. Nach dem, was Johannes sehen konnte, machte der Herr keine Anstalten, sein Reich aufzurichten oder das Volk zu richten.
Der Nährboden für Johannes‘ Zweifel war, dass seine Erwartungen an Jesus falsch waren. Machen wir das nicht alle? Haben wir nicht alle schon einmal die Art und Weise, wie der Herr Dinge tut, in Frage gestellt? Wir fragen ihn, „Herr, warum erhörst Du meine Gebete nicht? Du hast versprochen, dass Du meine Gebete erhörst, aber Du hast es nicht getan.“ Oder „Herr, warum hast Du das zugelassen? Warum hast Du es nicht verhindert?“ oder „Herr, warum hast Du all diese Dinge für alle anderen getan, aber für mich tust Du gar nichts?“
Es gibt Zeiten, in denen die Methoden des Herrn uns verwirren und uns ratlos zurücklassen. Ja, wir wissen, dass die Wege des Herrn unergründlich sind, aber manchmal ist das kein Trost, wenn die Dinge zu unserem Ungunsten laufen. Wir lesen in den Versen 4 bis 5, „Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und macht Johannes deutlich, was ihr gehört und gesehen habt: Die Blinden werden sehend, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden gereinigt, und die Tauben hören, die Toten werden auferweckt, und den Armen wird das Evangelium verkündigt.“
Die Jünger des Johannes hatten ihm bereits in Vers 2 erzählt, was Jesus tat. Aber Jesus sagte den Jüngern, sie sollten „hingehen und es Johannes noch einmal zeigen.“ Jesus wusste, dass Johannes der Täufer entmutigt war. Deshalb sandte Jesus eine Botschaft, um Johannes zu versichern, dass er doch am Werk war. Vielleicht anders als Johannes erwartete, aber er war am Werk.
Ich möchte Euch allen in diesem Augenblick versichern, dass der Herr am Werk ist. Er arbeitet vielleicht nicht so, wie wir denken, dass er arbeiten sollte, aber er arbeitet trotzdem. Wir sehen sein Wirken vielleicht nicht und wir spüren sein Wirken nicht, aber er wirkt. Gott sitzt nicht in den Himmeln und dreht Däumchen. Und würfeln, tut er bekanntlich auch nicht. Er ist am Werk!
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne im Jesu Christi, unseren Herrn. Amen.
Gerald MacDonald
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