5. Februar 2023, Sonntag Reminiszere, Unitätsgedenktag
Markus 12,1-12
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Liebe Gemeinde,
ein Erbe anzutreten, das ist schon immer schön gewesen. Da kommt plötzlich ein Geldsegen auf den Erben zu und damit wird doch vieles im Leben einfacher. Oft aber gibt es nicht nur einen Erben und dann beginnt schon ein Streit. Das Testament ist eröffnet und plötzlich bekommt der Bruder oder die Schwester mehr als ich. Wie kann das sein? In vielen Familien beginnt um das Erbe ein regelrechter Streit, der auch mit einem Bruch der Beziehung enden kann. Geschwister, die sich vorher gut verstanden haben, reden nicht mehr, wollen gar nichts mehr miteinander zu tun haben. Statt Liebe kommen Hass, Neid und Habgier auf. Das kann das Klima in Familien vergiften. Unser Predigttext heute spricht von einem Erbe, das für die Verwaltung in die Hände anderer gelegt worden ist. Wir hören den Predigttext aus Markus 12, die Verse 1-12.
Und er (Jesus) fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Ps 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon. (Markus 12,1-12, Lutherbibel 2017)
Zunächst ist da ein Weinbergbesitzer, der mit viel Liebe einen Weinberg pflanzt. Die Reben hat er gut ausgewählt und in die Erde gebracht. Er hat alles dafür getan, dass sie gut anwachsen können und viel Zeit in seinen Weinberg investiert. Dann hat er einen Zaun darum gezogen, damit keine Tiere an den Pflanzen nagen. Er hat eine Kelter gegraben, das ist eine Presse für die Trauben, aus denen dann der Saft gewonnen wird und alles war vorbereitet.
Im besten Zustand also wird das Projekt Weinberg an Pächter übergeben. Sie sollen ihn verwalten und später dann würde der Besitzer schauen und sehen, was daraus geworden ist und sich seinen Anteil holen. Das klingt schön und gut und ist nachvollziehbar. Und ich merke schon, wie unsere Köpfe arbeiten. Wenn wir diese Pflege des Weinbergs anvertraut bekommen hätten, was hätten wir nicht alles gemacht? Natürlich würden wir uns zusammentun und viele Einsätze machen, die Reben zurückschneiden und vor Kälte schützen. Wir würden das Unkraut beseitigen und die Reben anbinden, damit sie viel Sonne abbekommen und gut wachsen. Es gäbe viel zu tun, aber wir würden uns schon dafür einsetzen. Alles würden wir besser machen, als die Weingärtner in dem Gleichnis – auf jeden Fall?
Ist das wirklich so? Wären wir so motiviert und einsatzbereit? Dann frage ich mich, wie wir mit dem Erbe umgehen, dass vor unseren Füßen liegt. Unsere Gemeinde ist wie ein Weinberg. Jesus hat in unserem Leben einen Anfang gesetzt. Er hat uns den Glauben mitten ins Herz gegeben und alles dafür getan, dass dieses kleine Samenkorn in uns aufgeht. Er hat es mit Liebe und Schutz in uns keimen lassen. Und dann? Dann hat er uns den freien Willen gegeben, damit wir selbständig werden und selbst etwas tun, damit der Same aufgeht. Wir haben sein Wort in der Bibel im Regal stehen – aber lesen wir auch darin? Wir sind zu vielen Versammlungen eingeladen, um sein Wort zu hören – aber gehen wir auch hin? Wir haben gelernt, im Gebet mit ihm zu reden, aber beten wir zu ihm?
Wie gehen wir mit dem Erbe um? In den Anfängen der Brüder-Unität haben sich einige Brüder um Bruder Gregor versammelt, um in einfachen Verhältnissen und nach den Regeln der Bergpredigt zu leben, weil sie mit der bestehenden Kirche unzufrieden waren. Sie wollten von ganzem Herzen nach dem Willen Jesu leben verbunden im lebendigen Glauben und dafür auch materielle Sicherheiten aufgeben. Sie taten sich zusammen zur Gemeinschaft der Brüder und Schwestern vom Gesetz Christi – zur Brüder-Unität. Das war vor 566 Jahren.
Diese Anfänge waren bescheiden und klein in dem kleinen Ort Kunvald im heutigen Tschechien. Sie wollten die Bibel in ihrer Sprache lesen können und selbst verstehen, was Jesus den Menschen gesagt und vorgelebt hat. Sie wollten das Abendmahl mit Brot und Wein feiern, so wie es Jesus getan hat, und sie wollten dem Lamm nachfolgen.
Die Brüder-Unität ist eine kleine aber weltweite Kirche geworden. Längst sind die Tage des Anfangs vorbei. Und wie gehen wir heute mit dem Erbe um? Wird es die Brüder-Unität auch noch weiter geben? Gerade haben es die Kirchen in unserem Land sehr schwer. Von Missbrauchsskandalen und Kirchenaustritten hören wir in den letzten Jahren mehr und mehr. Das ist schrecklich, das ist ein Unkraut im Weinberg das nicht geduldet werden kann. Das Unkraut entfernen ist das eine. Nach dem Weinbergbesitzer Ausschau zu halten das andere. Wir haben ein wichtiges Erbe, welches wir angetreten haben. Es wurde uns weitergereicht mit der Aufgabe, gut dafür zu sorgen, dass die Früchte wachsen können. Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt, was wird er hier vorfinden?
Am Ende des Gleichnisses ist vom Eckstein die Rede. Jesus Christus ist der Eckstein, den die Bauleute verworfen haben. Er hält alles zusammen und ohne ihn würde alles in sich zusammenfallen. Jesus ist es, der uns vorangegangen ist und dem wir vertrauen. Wenn wir unser Leben nach ihm ausrichten, dann bekommen wir neue Kraft und Stärke. Dann sind wir auch offen für einen Neuanfang.
Diesen Geist des Aufbruchs, den wünsche ich uns auch für unsere Gemeinde hier in Königsfeld. Wir haben ein so kostbares Erbe angetreten und dürfen im Weinberg mitarbeiten. Für jeden und jede ist hier Platz und eine Aufgabe. Und wir sind aufgerufen, solange den Weinberg zu verwalten, bis der Weinbergbesitzer wiederkommt. Damit wir nicht müde werden, sind wir immer wieder von ihm eingeladen, an seinen Tisch zu kommen und uns mit Brot und Wein stärken zu lassen. Unser Herr hat alles für uns bereitet. Kommt, lasst uns seine Nähe suchen und bei ihm sein.
Amen
Gabriele von Dressler
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