19. Mai 2024, Pfingstsonntag
Predigttext: Apostelgeschichte 2, 1-21
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»Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.
Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages; sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt. Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.«
Liebe Schwestern und Brüder,
die Gabe des Geistes an Pfingsten wird oft mit Babel in Verbindung gebracht, und das aus gutem Grund. Beim Bau des Turms zu Babel und am Pfingsten, kommen Menschen zusammen. Beim Bau des Turms wollen die Menschen ihr Können zeigen und einen Namen für sich machen. Sie wollen eine Stadt bauen, wo sie alle zusammen wohnen können, denn sie haben Angst davor, überall auf die Erde zerstreut zu werden. Am Pfingsten kommen die Menschen zusammen, um das jüdische Pfingstfest zu feiern. Das war in erster Reihe ein Dankfest für die Erstlingsfrüchte der Ernte. Es war aber auch in Erinnerung an den ersten Bund und deren Bekanntmachung auf dem Berg Sinai als Gott Mose die Zehn Gebote gab. Beim Bau des Turms zu Babel wollten die Menschen sich selbst ehren. An Pfingsten wollten die jüdischen Christen Gott ehren. Das ist der erste Unterschied.
Der zweite Unterschied ist der der Sprache. Die Menschen zu Babel sprachen eine Sprache. Die Menschen in der neutestamentlichen Pfingst-Geschichte sprachen unterschiedlichen Sprachen. Mindestens so haben wir es meistens in Erinnerung. Aber genau so war es ja nicht. Darauf kommen wir später zurück. Doch, wie gesagt, Pfingsten erinnert auch an den Exodus, insbesondere an die Begegnung auf dem Berg Sinai. Einige dieser Verbindungen sind offensichtlich: Das Gesetz wurde Israel etwa sieben Wochen nach dem Passahfest gegeben; der Heilige Geist wird der Kirche etwa sieben Wochen nach der Kreuzigung gegeben. Der gesalbte Anführer Mose ist hinaufgestiegen, und die göttliche Gegenwart kommt zu ihm herab. Der Heilige Geist kommt auf die Jünger und Jüngerinnen ebenfalls herab.
Beide Ereignisse sind von einem großen Getöse vom Himmel begleitet, sei es Donner und Trompeten oder ein mächtiger, rauschender Wind, und das Herabkommen Gottes in Feuer. Die Gabe, die Gottes Volk ausmacht – zuerst das Gesetz, dann der Geist – wird gegeben. Und beide sind große Geschenke. Es wird in beiden Fällen eine Predigt gehalten, die zum Gehorsam aufruft. Und in beiden Fällen beginnt ein neuer Bund. Aber es gibt auch sanftere Anklänge, die darauf hinweisen, dass Pfingsten in gewisser Weise die Umkehrung des Sinai ist. Sinai war ein Moment des Abfalls vom Glauben durch das ganze Volk. Als Mose vom Berg herunterkam, fand er das Volk in der schlimmsten Tat seiner kurzen Geschichte verstrickt: Es betete ein goldenes Kalb an und dankte ihm dafür, dass es das Volk aus der Sklaverei befreit hatte. Gott verurteilte die Menschen als ein halsstarriges Volk. Dreitausend Menschen wurden durch das Schwert niedergemetzelt und starben.
Pfingsten hingegen ist ein Moment des Segens. Petrus konfrontiert das Volk nach der schlimmsten Tat seiner Geschichte: der Kreuzigung seines Messias. Doch seine Konfrontation ist von Barmherzigkeit durchdrungen. Er verspricht ihnen Vergebung und die Gabe des Heiligen Geistes. Anstatt sie als eine böse Generation zu verurteilen, bietet er ihnen die Möglichkeit, sich vor einer bösen Generation zu retten. Dreitausend Menschen werden durch Petrus Predigt mitten ins Herz getroffen und gerettet. Von diesem Zeitpunkt an gilt die Verheißung für das ganze Volk Gottes, das seinem Ruf folgt.
„Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort.“ Die Rede hier ist von „sie“. Sie waren die zwölf Jünger minus Judas und plus der neue Jünger, Matthias, der Judas ersetzte. Matthias war bei Jesu Wirken immer dabei, war aber nicht durch Jesus persönlich berufen. Wir haben ihm das Matthiasevangelium zu verdanken. Er wurde von zwei Kandidaten ausgelost. Das, liebe Schwestern und Brüder, ist das letzte Mal in der Bibel, wo das Los angewendet wird.
Auf jeden Fall, „sie“, d. h. die Jünger Jesu, Jesu Mutter Maria und andere ungenannten Frauen, waren alle beisammen als ein Brausen vom Himmel geschah und das ganze Haus erfüllte. Und der Heilige Geist fing an sein Werk zu vollbringen.
Es erschien etwas, das aussah wie Zungen aus Feuer. Die Zungen trennten sich und ließen sich auf jede und jeden nieder, der dort anwesend war. Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden und unterschiedlichen Sprachen zu reden, jede und jeder wie der Geist sie oder ihn befähigte.
Brüder und Schwestern, da sind wir wieder beim Babelturm. Denn auf einmal verstanden sich die Jünger und die Jüngerinnen überhaupt nicht mehr. Jesus war weg. Sie waren führungslos. Und nun konnten sie auf einmal nicht mal miteinander reden und sich verständigen. Was für eine trostlose Situation! Wir vergessen oft, dass bei dem Zungenreden, die Jünger und Jüngerinnen zuerst unter sich waren. Das war bestimmt zuerst sehr beunruhigend.
Und dann kommen plötzlich von außen fremde Menschen, die das Brausen gehört hatten und neugierig geworden waren. Die Bibel nennt sie „fromme Juden“. Sie sind „zutiefst verwirrt.“ Sie verstehen nicht, wie sie plötzlich einfache Galiläer in ihren Muttersprachen reden hören. Aber nun verstehen die Jünger und Jüngerinnen, weshalb sie plötzlich so komisch sprechen. Sie erzählen den Fremdlingen von den wunderbaren Dingen, die Gott getan hat. Liebe Schwestern und Brüder, ich wüsste gerne ganz genau von welchen wunderbaren Dingen hier die Rede ist. Wir dürfen aber annehmen, dass sie von Jesus geredet haben, und die Dinge, die sie mit ihm erlebt haben inklusive seinen Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Das steht aber nicht in der Geschichte.
Die meisten Fremden fragten sich was das alles zu bedeuten habe, hatten aber keine Antwort auf die Frage. Andere machten sich darüber lustig und meinten, sie wären bloß betrunken. Es war in diesem Moment, dass Petrus das Wort ergriffen hat: „Diese Leute hier sind nicht betrunken. Es ist erst neun Uhr morgens. Und wir sind ja nicht in Bayern“. Ok. Der letzte Satz hat er nicht gesagt. „Nein“, sagte Petrus, „was hier geschieht, ist nichts anderes als die Erfüllung dessen, was Gott durch den Propheten Joel angekündigt hat“. Und dann erklärt Petrus, dass in den letzten Tagen Gott seinen Geist ausgießen würde. Söhne und Töchter werden prophezeien, junge Menschen werden Visionen haben und älter Menschen werden prophetische Träume haben. Das gilt sogar für die Sklaven und Sklavinnen. Und so weiter. Und sofort.
Und wie ist das alles möglich? Was versetzt sie plötzlich in die Lage zu prophezeien, Visionen und prophetische Träume zu haben. Egal aus welchem Stand sie kamen? Es ist der Heilige Geist! Der Heilige Geist, der sie nun innewohnt. In seiner wunderbaren Predigt erklärt Petrus wie Jesus die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen war und er schont die Zuhörer nicht vor ihrer Schuld, denn er verkündet, „Ganz Israel soll es erkennen: „Gott hat Jesus zum Herrn und Messias gemacht – den Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“
Und wie reagieren die Zuhörer auf diesen Satz, ja auf diesen Vorwurf? „Was sollen wir jetzt tun, liebe Brüder, fragen sie Petrus und die anderen Apostel“. „Kehrt um“ erwidert Petrus, und lasse euch auf den Namen von Jesus Christus taufen. Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist bekommen.“
Schwestern und Brüder, da ist so viel in diesen paar Sätzen. Erstens, die anwesenden Juden aus aller Welt haben nicht Petrus Kopf gefordert, als er ihnen die Schuld an Jesu Kreuzigung gab, sondern zeigten sich betroffen – man könnte sagen bußfertig – und fragten die Jünger, was sie tun sollten. Dass sie die Jünger fragten, sagt mir, dass die Jünger damit beschäftig waren, Petrus Predigt zu übersetzten. Denn das Ganze fand während des Pfingstwunders statt, wo die Jünger und Jüngerinnen die Sprachen der Besucher in Jerusalem gesprochen haben.
Petrus sagt den Zuhörern sie sollten umkehren, auf Jesu Namen taufen lassen, Gottes Vergebung empfangen und dann den Heiligen Geist empfangen. Nun, würde ich sagen, Petrus kannte sich mit Jesus, der Taufe und Gottes Vergebung aus. Aber was wusste er über den Heiligen Geist? Kurz vor seiner Himmelfahrt hatte Jesus gesagt, er würde ihn den Jüngern zuschicken als Tröster usw. Aber bis diesem Pfingsttag, bis diesem Moment, bis das Pfingstereignis selbst, wusste Peter so gut wie gar nichts über den Heiligen Geist.
Was ich damit sagen will, ist dies: Petrus‘ Rede hier kam direkt vom Heiligen Geist. Wir kennen ja Petrus. Was er hier in seiner Rede verkündet und erklärt geht völlig über seine Fähigkeiten hinaus. Er war ein einfacher Fischer, der zu Lebzeiten Jesu vieles nicht begriffen hatte. Der Petrus, den wir hier vor uns haben, ist anders. Vergessen wir nicht, in Vers vier steht, „Alle wurden mit dem heiligen Geist erfüllt“. Petrus natürlich auch.
Dass die Jünger und Jüngerinnen in fremden Zungen redeten, war völlig nebensächlich. Es war bloß Mittel zum Zweck. Wären die ganzen „Ausländer“ nicht in der Stadt gewesen, wäre es nicht nötig gewesen, dass die Jünger plötzlich fremde Sprachen sprechen konnten.
Insofern, liebe Schwestern und Brüder, war das Pfingstwunder nicht das Zungenreden, sondern das Innewohnen des Heiligen Geistes, das das Zungenreden erst möglich machte. Wir tun der Erzählung unrecht, wenn wir uns auf das Zungenreden fokussieren.
Und nun zum Schluss: Ich habe nachgeschaut, was Martin Luther zu Pfingsten geschrieben hat. Luther betont das Sprechen. Das Zeugnis abgeben. Das nicht stillhalten können, nach alldem, was man von Gott erfahren hat. Luther schreibt, wer vom Heiligen Geist erfüllt ist, kann nicht schweigen, sondern muss von der Liebe Gottes erzählen, die er am eigenen Leib erfahren hat. Der Heilige Geist tröstet. Aber er überzeugt auch. Und er macht mutig. Und er macht lebendig.
Amen
Gerald MacDonald
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