Predigt am 6. April 2025
Johannes 18,28-19,5
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Liebe Gemeinde, der Predigttext für heute ist uns wohl bekannt. Jesus vor Pilatus. Aber egal wie oft wir diese Geschichte hören, egal wie oft wir uns diese Szene vor unseren Augen sehen, bleibt sie erschreckend. Jesus, von allen seinen Jüngern verlassen, steht allein zwischen einem heidnischen Statthalter, der gar nichts über Jesus und seinen Auftrag versteht, und den religiösen Anführer seines eigenen Volks, die ihn verstehen mussten, tun es aber nicht. Sondern wollen ihn tot sehen. Jesus steht zwischen den zwei Autoritäten seiner Zeit. Die eine, die eine Vollmacht über geistige Dinge hat. Die andere, die eine Vollmacht über alles andere hat. Beide entscheiden sein Schicksal. Und beiden fehlte es an das alles Entscheidende: Die Erkenntnis der Wahrheit. Denn weder Pilatus noch die religiösen Anführer hatten einen Schimmer Ahnung darüber, wer Jesus eigentlich war.
Der Predigttext beginnt mit der Übergabe Jesu an Pilatus. Die jüdischen Anführer bleiben draußen, damit sie sich vor dem Passahfest nicht verunreinigen. Deswegen muss Pilatus nach draußen zu ihnen kommen. Sie übergeben ihm Jesus draußen. Pilatus geht dann wieder hinein ins Prätorium und nimmt Jesus mit. So entsteht die skurrile Situation, wo der römische Statthalter Pilatus immer hin- und herläuft zwischen den jüdischen Anführer draußen und den Juden Jesus drinnen im Prätorium. Jesus steht vor Pilatus. Der römische Statthalter fragt ihn: „Bist du der König der Juden?“ Und Jesus antwortet in einer Weise, die Pilatus nicht verstehen kann: „Meine Königsherrschaft ist nicht von dieser Welt.“ Pilatus ist verwirrt. Was meint Jesus? Pilatus lebt in einer Welt der Macht, des politischen Kalküls und der persönlichen Interessen. Er ist ein Mann, der sein Amt innehat, weil er Macht ausübt und die Ordnung aufrechterhält. Doch er merkt schnell, dass der Mann vor ihm, Jesus, etwas anderes von „Königtum“ und „Macht“ versteht.
Denn Jesus ist kein König im politischen Sinne, er ist der wahre König, dessen Herrschaft sich nicht in territorialer Macht oder Gewalt zeigt, sondern in Wahrheit und Liebe. Jesus ist der König, der sich nicht auf einen Thron setzt, sondern das Kreuz auf sich nimmt. Und genau hier, in der Offenbarung seiner wahren Königsherrschaft, begegnet uns die zentrale Wahrheit unseres Glaubens: Das wahre Königreich Gottes ist nicht von dieser Welt. Pilatus ist verwirrt. Genau wie er immer zwischen Jesu Ankläger draußen und Jesu selber drinnen hin- und her laufen muss, scheint Pilatus innerlich hin- und hergerissen zu sein. Und so fragt er Jesus: „Was ist Wahrheit?“
Diese Frage ist nicht nur eine rhetorische Frage, sondern ein Spiegelbild der Verwirrung und Unsicherheit, die Pilatus verspürt. Was ist die Wahrheit in dieser Situation? Wie kann es wahr sein, dass ein Mann wie Jesus, der weder ein Aufständischer noch ein Verbrecher ist, vor ihm steht und zum Tode verurteilt werden soll? „Ich finde keine Schuld an ihn“, sagt Pilatus. Er fragt „Was ist Wahrheit?“ aus einer Haltung der Skepsis und der Resignation. Für ihn gibt es keine objektive Wahrheit, die das Handeln leitet. Es gibt nur die politische Wahrheit, die zur Erhaltung seiner Macht notwendig ist. Doch Jesus zeigt ihm eine Wahrheit, die weit über diese Welt hinausgeht.
Liebe Gemeinde, Jesus selbst ist die Wahrheit – nicht eine abstrakte Idee, sondern eine lebendige, handelnde Wahrheit. Wer die Wahrheit sucht, findet sie in ihm. Wer aus der Wahrheit ist, hört seine Stimme. Diese Wahrheit ist nicht der Sieg des Stärkeren, nicht die Manipulation der Masse, sondern das Zeugnis von Gottes Liebe und Gerechtigkeit. Jesus steht hier nicht bloß als unschuldiger Gefangener, sondern als der, der die Wahrheit selbst verkörpert.
In Pilatus Frage zeigt sich der Konflikt zwischen der menschlichen Wahrnehmung von Wahrheit und der göttlichen Wahrheit, die in Jesus Christus offenbart wird. Pilatus sieht nur das Äußere, er sieht die politische Situation und versucht, alles aus seiner weltlichen Perspektive zu verstehen. Aber die Wahrheit, die Jesus verkörpert, ist tiefer. Sie ist nicht etwas, das man mit den Augen der Welt begreifen kann.
In diesen Versen sehen wir die Verblendung und den Widerstand des menschlichen Herzens gegenüber der Wahrheit. Trotz der Klarheit, dass Jesus unschuldig ist, dass er keinen Grund zur Verurteilung gibt, lehnen seine Ankläger die Wahrheit ab. Sie bevorzugen den Aufstand, die Gewalt und das, was sie als gerecht empfinden, obwohl es in Wirklichkeit nur eine falsche Gerechtigkeit ist. Und dann kommt der entscheidende Moment, der so auch in uns viele Emotionen weckt: Pilatus bringt Jesus mit einem Dornenkranz und einem purpurroten Mantel heraus und ruft: „Sieh, der Mensch!“ Pilatus meint es als Spott, als die finale Geste der Verachtung. Doch in diesen Worten liegt die tiefste Wahrheit. Denn dieser „Mensch“, der hier so entstellt, verspottet und misshandelt wird, ist nicht nur ein „einfacher Mensch“. Er ist der wahre Mensch, wie Gott ihn von Anfang an gemeint hat. Er ist der wahre Mensch, der Liebe in die Welt bringt, der sich für andere hingibt und im Leid die wahre Größe und Stärke zeigt.
„Sieh, der Mensch!“ – Liebe Gemeinde, diese Worte fordern uns heute heraus, den wahren Menschen in Jesus zu sehen, nicht den geschlagenen, misshandelten, ohnmächtigen Menschen. Denn in diesem „Menschen“ offenbart sich Gottes Liebe, die in der Schwachheit und im Leiden stärker ist als jede Macht der Welt. Jesus zeigt uns, was es heißt, Mensch zu sein: zu lieben, zu leiden, zu vergeben und die Wahrheit zu bezeugen, auch wenn diese Wahrheit im Augenblick wie eine Niederlage aussieht …
Und was ist die Wahrheit, die uns Jesus offenbart? Es ist eine Wahrheit, die nicht von den Maßstäben dieser Welt bestimmt wird. Für Pilatus und die Welt war Jesus ein „Fehltritt“, ein Aufrührer, ein gefährlicher Mann. Doch in Wirklichkeit ist Jesus der wahre König, der nicht mit der Gewalt der Welt herrscht, sondern mit der Macht der Wahrheit und der Liebe. Pilatus erkennt nicht, dass der wahre Richter nicht er selbst, sondern Jesus ist. Denn Jesus ist der Richter, der das Urteil über das Böse spricht – ein Urteil, das nicht in der Vernichtung endet, sondern in der Versöhnung.
Jesus gibt uns in seinem Leiden und Tod die tiefste Wahrheit: Der wahre König ist der, der für uns lebt und stirbt. Wer aus der Wahrheit ist, hört seine Stimme. Und diese Wahrheit befreit uns. Sie befreit uns von der Furcht vor der Macht der Welt, von den Lügen und Manipulationen, die uns umgeben. Sie befreit uns in die Freiheit der Kinder Gottes, die wissen, dass ihre wahre Identität nicht in den Maßstäben dieser Welt zu finden ist, sondern in der Liebe und Wahrheit Gottes.
Die Frage von Pilatus „Was ist Wahrheit?“ ist eine Frage, die auch heute noch gestellt wird. In einer Welt, in der Wahrheit oft durch politische Interessen, Medien oder persönliche Vorteile verdreht wird, müssen wir immer wieder neu fragen: Wo finden wir die Wahrheit? Wo begegnet uns die Wahrheit?
Ich habe diese Woche gelesen, dass innerhalb 10 Jahren, werden wir die Nachrichten nicht mehr aus dem Internet holen…können. Denn künstliche Intelligenz wird so gut sein, sie wird so ausgefeilt sein, dass wir nicht mehr unterscheiden können werden, welche Nachrichten authentisch sind, und welche fingiert. Wir werden es nicht mehr erkennen können, welche Meldungen wahr sind und welche falsch. Welche Bilder sind echt…und welche unecht. Wir werden selbst die Frage nach der Wahrheit stellen. Und wir werden immer unsicherer sein, ob dass, was wir lesen, sehen und hören, wahr ist. Oder einfach raffiniert gefälscht. Ich bin der Hoffnung, dass die altbewährten Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Fernsehsender uns zuverlässige Nachrichten noch liefern können werden, ABER, sie werden die Last tragen müssen, zu unterscheiden, was wahr ist und was falsch. Das tun sie jetzt schon. Aber es wird für sie immer schwerer. Umso wichtiger wird unser christlicher Glaube für uns sein. Denn die Wahrheit begegnet uns in Jesus Christus. In Jesus ist die Wahrheit nicht nur eine Idee. Sie ist nicht nur Fakten. Sie ist nicht nur Geschehnisse. Sie ist eine lebendige, handelnde Kraft. Sie befreit uns von der Lüge, von der Täuschung und der Verwirrung, die uns umgeben.
Pilatus Frage „Was ist Wahrheit?“ ist nicht nur eine philosophische Frage, sondern eine persönliche Frage. Wo suchen wir die Wahrheit in unserem Leben? In den politischen und sozialen Strukturen dieser Welt? Oder in der Person Jesu Christi, der uns die wahre Wahrheit offenbart hat – durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung?
Wir dürfen uns nicht von den fraglichen „Wahrheiten“ der Welt täuschen lassen, sondern die tiefere Wahrheit erkennen, die in Jesus Christus und seinem Opfer für uns liegt. Diese Wahrheit fordert uns heraus, unsere eigenen Werte und Überzeugungen zu hinterfragen. Sie lädt uns ein, in die Liebe und das Opfer Christi einzutreten, die die wahre Quelle der Freiheit und des Lebens sind. Wir werden die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird uns frei machen. Johannes 8,32.
Liebe Gemeinde, lasst uns in dieser kommenden Woche, in der wir uns auf das Leiden und Sterben Jesu vorbereiten, die Frage der Wahrheit ernst nehmen. Lasst uns Jesus Christus als die einzige Wahrheit erkennen, die wir brauchen und auf die wir uns mit Zuversicht verlassen können. Und lasst uns für sie dankbar sein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gerald MacDonald
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