Predigt am 16. März 2025, Reminiszere
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Liebe Gemeinde, heute könnten wir alle etwas Freude gebrauchen. Die Fastenzeit ist gerade angefangen. Eine Zeit der Besinnung. Nach dem fast frühlingshaften Wetter letzte Woche ist es nun wieder etwas trüb geworden. Wir hoffen auf den Frühling. Und die Weltpolitik heutzutage ist nicht gerade aufmunternd.
Und welches Evangelium könnte uns mehr Freude bringen als das dritte Kapitel des Johannes-Evangeliums? Hier finden wir den berühmten Vers, der die gesamte Botschaft des Evangeliums zusammenfasst – „Denn Gott hat die Welt so geliebt…“
Und das, liebe Gemeinde, führt uns zu Nikodemus, einem Pharisäer und Rabbi, der zu Jesus kommt, umhüllt von der Dunkelheit. Vielleicht kommt Rabbi Nikodemus nachts zu Jesus, um das Gespräch vor den anderen Pharisäern geheim zu halten. Vielleicht will er nicht öffentlich zugeben, dass er Kontakt mit Jesus hat.
Oder vielleicht versuchte er einfach, mit Jesus zu sprechen, als er eine bessere Gelegenheit hatte, etwas mehr Zeit für ein Gespräch zu verbringen, nachdem die Menschenmengen den Tag verlassen hatten. Welches Motiv ihn auch immer dazu brachte, bis zur Dunkelheit zu warten, seine Erscheinung in der Nacht ist ungewöhnlich genug, dass er später, als Nikodemus wieder ins Bild kommt (Joh 7,50), als „der, der nachts zu Jesus kam“ bezeichnet wird.
Es ist ziemlich klar, dass Nikodemus in einem Zustand der Verwirrung und geistigen Blindheit zu Jesus kommt und nicht versteht, was Jesus ihm beibringen will. Ob er stur ist oder einfach fehlgeleitet in seinem Mangel an Verständnis, Nikodemus ist völlig im Dunkeln, wenn es darum geht, zu begreifen, wie Gott tatsächlich wirkt.
Es ist auch klar, dass Nikodemus Jesus im Auge behält. Er hat ihn in den Synagogen lehren sehen, und er erkennt, dass Jesus mit einer Autorität lehrt, die er selbst nie zu beanspruchen wagen würde. Das Gespräch, das Jesus mit Nikodemus führt, konzentriert sich auf die Idee der neuen Geburt, des Geborenwerdens sowohl aus Fleisch als auch aus Geist. Als Nikodemus Jesus verlässt, sind wir uns nicht sicher, ob er beschlossen hat, ein Jünger zu werden oder nicht. Wir werden das erst in mehreren weiteren Kapiteln erfahren.
Aber nachdem Jesus mit ihm gesprochen hat, wendet sich Jesus uns zu und beginnt, in der zweiten Person Plural zu sprechen. Er spricht alle von uns an, wenn er sagt: „Wenn ich euch von irdischen Dingen erzähle, wie Wind und Wasser, und ihr versteht es nicht, wie werdet ihr dann in der Lage sein, himmlische Dinge zu begreifen, wie Geist und Wiedergeburt?“ (Joh 3,13) Jesus spricht weiter:
Und wie Mose damals in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss auch der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um sie zu verurteilen, sondern um sie durch ihn zu retten. Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt. Wer aber nicht glaubt, ist damit schon verurteilt; denn der, an dessen Namen er nicht geglaubt hat, ist Gottes eigener Sohn. So vollzieht sich das Gericht an den Menschen. Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, weil ihr Tun böse war. Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht; er tritt nicht ins Licht, damit sein Tun nicht aufgedeckt wird. Wer sich jedoch bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, der tritt ins Licht, und es wird offenbar, dass sein Tun in Gott gegründet ist.«
(Joh 3,14-21)
Im Johannes-Evangelium finden wir immer wieder einen Schwerpunkt auf dem Gegensatz zwischen Licht und Dunkelheit. Im Eröffnungsprolog schreibt Johannes: „Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5), und wenige Verse später: „Das Licht war in der Welt, und die Welt ist durch das Licht geworden, aber die Welt erkannte das Licht nicht.“ (Joh 1,10)
Und jetzt sagt Jesus: „Das ist das Urteil: Das Licht ist in die Welt gekommen, aber die Menschen liebten die Dunkelheit mehr als das Licht, weil ihre Taten böse waren (oder sind).“ (Joh 3,19) Diese Worte sind hart. Sie haben nicht das gleiche „warme, kuschelige“ Gefühl wie der bekannte Vers, der mit „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt…“ beginnt. Diese Worte klingen hart, weil Jesus nicht zu jemand anderem spricht. Er spricht direkt zu uns. Wir sind „die Menschen“.
Heute, während der Fastenzeit ruft Gott uns zu einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Wir hören keine nette Geschichte über die Begegnung von Rabbi Nikodemus mit Jesus. Das ist die Vorgeschichte zum Predigttext. Nein, liebe Gemeinde, Nikodemus ist nach Hause gegangen. Wir sind es, die Jesus in die Augen sehen. Er spricht direkt zu Ihnen, zu mir und zu allen, die ihn als Herrn und Retter bekennen. Unsere Taten sind es, die dem Licht zur Prüfung vorgehalten werden. Und unser Glaube wird in Frage gestellt. Glauben wir wirklich an Jesus als den Sohn Gottes? Wo ist der Beweis? Wie zeigt sich dieser Glaube in den Dingen, die wir tun? Wenn unsere Taten dem Licht vorgehalten werden, ist es dann klar, dass sie „in Gott getan“ wurden?
Wir reden nicht gerne über das Urteil. Wir denken nicht gerne an diejenigen, die bereits verurteilt sind, weil sie nicht an den Sohn Gottes geglaubt haben. Und wir mögen es überhaupt nicht, wenn unser Verhalten auf seine Göttlichkeit hin untersucht wird. Denn wir wissen, dass wir oft versagen. Jeder von uns versagt. Wir alle brauchen Gottes Gnade, jene „unverdiente Gunst“, die Gott allen anbietet, die er liebt.
Wenn Sie sonst nichts aus dem Johannes-Evangelium mitnehmen, stellen Sie sicher, dass Sie dies verstehen: Gott liebt Sie. Diese Worte von Jesus beschreiben, wie Gott uns liebt – nicht „wie sehr“, sondern wie. Die gängige Übersetzung, wonach Gott uns so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab, wäre besser übersetzt mit, „denn Gott hat uns auf der Weise geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“. Der Vers beschreibt nicht die Intensität von Gottes Liebe zu uns, sondern die Tatsache, dass er uns liebt und dass, liebe Gemeinde, seine Liebe Konsequenzen hat.
Gott liebt uns, und hat deswegen seinen Sohn erhöht, damit wir an ihn glauben können. (14-15) Gott liebt uns, indem er seinen einzigen Sohn sendet, um uns ewiges Leben zu geben. (16) Gott liebt uns, indem er uns von unserer Sünde rettet (17) – nicht nur von unseren kleinen alltäglichen Sünden, sondern von allem, was wir unter „Sünde“ verstehen. Gott liebt uns, indem er das Licht Christi in die dunklen Stellen unseres Lebens scheint, die Stellen, wo wir versuchen, unsere Sünde zu verstecken. (19) Gott liebt uns, indem er uns ins Licht zieht, damit das, was wir tun, „in Gott“ getan wird. (21) Warum sollte Gott uns auf diese Weise lieben? Warum sollte Gott uns nicht einfach als verloren abschreiben? Es scheint geradezu töricht von Gott, seine göttliche Liebe an unser armseliges Los zu verschwenden. Aber Gott liebt uns nicht wegen unserer Würdigkeit. Gott liebt uns, weil Gott Liebe ist. Er kann nicht anders. Liebe ist, wer Gott ist.
Gott liebt uns weiter, gibt uns sich selbst, auch wenn wir es nicht verdienen, es nicht begreifen und ihm nicht zurücklieben. Ein kleines Beispiel von solcher Liebe ist die Liebe, die Eltern für ihre Kinder haben. Liebe Eltern, muss ihr Kind es verdienen, von Ihnen geliebt zu werden. Nein. Das muss es nicht. Ihr Liebe für ihr Kind ist angeboren. Es ist innewohnend. Sie können nicht anders. So ist es auch mit Gottes Liebe.
Er liebt uns weiter durch unseren Widerstand, durch unsere Selbstgenügsamkeit, durch unsere schlechten Versuche, die Kontrolle in unseren eigenen Händen zu behalten. Wäre es jemand anderes als Gott, würden wir darüber lachen, wie töricht er uns liebt.
Denn Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat. In der Tat, Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Wie sind Sie Nikodemus ähnlich? Was hält Sie im Dunkeln, sodass Sie sich nicht dem Licht zuwenden können? Wie versuchen Sie, Ihren Glauben verborgen zu halten oder ihn von den anderen Teilen Ihres Lebens zu trennen? Welche Annahmen halten Sie fest, die Sie daran hindern, den Frieden zu erfahren, der aus dem Bekenntnis kommt, Jesus als Ihren Retter zu bekennen und allein auf seine Gnade zu vertrauen? Was hindert Sie daran, Jesus als Ihren Herrn zu bekennen und neu aus dem Geist geboren zu werden?
Erinnern Sie sich an den reichen jungen Herrscher, der traurig wegging, weil er viele Besitztümer hatte? Wir erfahren nie das Ende seiner Geschichte, weil die Evangelien ihn nie wieder erwähnen. Aber von Nikodemus hören wir noch zweimal. Beim ersten Mal verteidigt er Jesus gegenüber den anderen Pharisäern und Priestern und fordert die anderen Anführer zu einem fairen Prozess auf (Joh 7,50). Beim letzten Mal sehen wir ihn am Fuß des Kreuzes, zusammen mit Joseph von Arimathäa, der den zerbrochenen Körper Jesu abnimmt und ihn mit einer ungewöhnlich großen Menge Gewürzen für das Begräbnis vorbereitet (Joh 19,39).
Ist er schließlich ins Licht gekommen? Hat er irgendwann eine geistliche „Wieder“-geburt erfahren?
Ich denke schon. Ich denke, seine Taten zeigen ein Erwachen zum Licht des Glaubens an den Sohn Gottes. Nikodemus zeigt uns, dass wir manchmal kein „vom Blitz getroffen“-Erlebnis haben. Manchmal braucht es eine Weile, um Jesus als Herrn und Retter anzunehmen. Manche von uns können keinen einzelnen Moment benennen, in dem wir plötzlich erkennen, dass unsere Rettung sicher ist, aber wir beanspruchen trotzdem die Gnade Christi und bekennen Jesus als unseren Herrn.
Ruft Jesus Sie aus der Dunkelheit heraus, in das Licht seiner rettenden Gnade? Sind Sie bereit, ihn zum Herrn Ihres ganzen Lebens zu machen, nicht nur des Teils, den Sie als „zur Kirche gehörend“ betrachten? Sind Sie bereit, aus der Dunkelheit zu treten und ins Licht von Gottes Liebe zu Ihnen zu treten? Denn Gott hat Sie auf diese Weise geliebt: Er gab seinen einzigen Sohn, damit, wenn Sie an ihn glauben, Sie nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben. Amen.
Gerald MacDonald
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