Schaffe mir Recht
Ansprache zum Ältestenfest 13.11.2022
Lukas 18, 1-8
Ansprache zum Ältestenfest 13.11.2022
Lukas 18, 1-8
Der 13. November ist ein wichtiges Datum in der Brüder-Unität. Auf der Synode am 16. September 1741 ging es um das Amt des Generalältesten, also einen, der allen Brüdergemeinen vorsteht. Dieses Amt hatte bis dahin Bruder Leonhard Dober inne. Es war das wichtigste Amt in der Brüdergemeine und sollte verhindern, dass die Gemeine in eine Sekte degenerieren könnte. (Zeitschrift Brüdergeschichte 1) Br. Dober merkte aber sehr schnell, dass das Amt viel zu groß war, da er nicht an allen Orten sein konnte. Am 16. September 1741 beteten die Mitglieder der Synode um eine richtige Entscheidung. Sie schlugen dann das Losungsbuch auf und lasen den Text aus Jesaja 45,11: Weist meine Kinder und das Werk meiner Hände zu mir! Da wurde ihnen klar, dass Jesus selber als Ältester und Haupt der Gemeinde ist. Damit diese Nachricht alle Orte erreicht, wurde der 13. November 1741 zum Ältestenfest erklärt. Bis heute denken wir an diesem Tag ganz besonders daran, dass Jesus Christus selbst der Älteste der Gemeinde ist und damit offizielles Oberhaupt der Brüder-Unität. Diese wichtige Entscheidung wurde nach intensiven Gebeten offenbar. Um intensives Bitten geht es auch im Predigttext für heute aus Lukas 18, 1-8.
Der Richter und die Witwe
Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte aber Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?
Drei wichtige Punkte sind mir dabei wichtig geworden:
1.: Jesus will den Jüngern sagen, dass sie in keiner Not allein gelassen werden. So wie die arme Witwe sich immer wieder bittend an den Richter wandte, so dürfen wir uns mit unseren Problemen, Sorgen und Nöten an ihn wenden. Und wir können ihm täglich alles sagen. Gott weist uns nicht ab, sondern er hat immer ein offenes Ohr für uns. Seine Jünger und damit auch wir, dürfen mit ihm reden. So, wie es in der Brüderunität die Gebetskette gibt, die an allen Tagen des Jahres von Gemeinde zu Gemeinde, von Kontinent zu Kontinent geht. Gott ist immer in allen Sprachen und zu aller Zeit ansprechbar.
2.: Im Gebet geht es um Gottes Gerechtigkeit. Sie ist eine ganz andere, als wir sie kennen. Ganz wird seine Gerechtigkeit in dem Gleichnis des Weingärtners, der seine Knechte den ganzen Tag über anheuert. Da gibt es die, die den ganzen Tag im Weinberg arbeiten und dann die, die nur eine Stunde mithelfen.
Am Ende bekommen alle ihren Lohn. Der Weinbergbesitzer zahlt zuerst die aus, die nur eine Stunde bei ihm gearbeitet haben. Als die anderen das sehen, rechnen sie sich schon ihren Gewinn aus. Am Ende aber bekamen alle Knecht den gleichen Lohn. Gottes Gerechtigkeit hat ganz andere Maßstäbe als unser Rechtsempfinden es zulässt.
Und 3.: Nicht sofort erfüllte Bitten sind nicht ungehört.
Das Gebet ist kein Automat und funktioniert nicht auf Knopfdruck. Nach dem Motto: Oben stecke ich eine Bitte hinein und unten kommt die Erfüllung des Gebets raus. Jesus hört unsere Gebete und erhört sie. Seine Sicht auf unsere Nöte ist aber eine ganz andere. Er sieht viel weiter, als wir mit unserem engen Horizont sehen können.
Oft merken wir es erst im Nachhinein, dass sein Reagieren auf unsere Gebete für uns gut und richtig war. So, wie die Witwe nicht nachgelassen hat, zu bitten, so sind wir aufgerufen, für die bedrohte Welt zu bitten. Wir sind gerade in der Friedensdekade und beten für die vielen bedrohten Menschen weltweit. Ganz obenauf liegt der Krieg in Europa, dessen Folgen wir auch in unserem Land deutlich spüren. Wir denken aber auch an die vielen weiteren Kriege, die weltweit geführt werden. 1. Thessalonicher 5, 17 heißt es: Betet ohne Unterlass. Das Gebet kann Menschen verändern, es kann auch ein ganzes Land verändern. Denken wir an die die Erfahrungen am 9. November 1989. Ich war damals selbst in Magdeburg mit dabei, als wir jeden Montag mit einer Kerze in der Hand nach einer Andacht im Dom auf die Straße zogen und betend und schweigend für Freiheit im Land demonstrierten.
Damals in London machten die Brüder und Schwestern die Erfahrung, dass das Gebet entscheidend sein kann für den weiteren Weg der Brüder-Unität. 1989 haben wir es in unserem Land erlebt, was Gebete bewirken können. So halten wir fest an dem Gebet – ohne Unterlass, denn Gebete können Menschen verändern.
Lassen wir uns von der Witwe inspirieren für das Recht zu bitten und nicht davon abzulassen. Heute und an jedem Tag.
Gebet
Herr Jesus Christus, wir sind hier zusammengekommen, um Dich als den Ältesten unserer Gemeinde zu ehren. Du selbst bist es, der die Gemeinde lenkt und sie begleitet – jeden Tag neu. Wir kommen zu dir, so wie wir sind – mit unseren Sorgen, Nöten und mit unserer Schuld. Wir bitten dich, höre du uns zu und hilf uns. Nimm unsere Sünden und alles, was uns von Dir trennt weg und mach uns frei und zuversichtlich. Du bist mitten unter uns, wenn wir Brot und Wein miteinander teilen. Lass uns in unserem Nächsten unseren Bruder und unsere Schwester erkennen. Stärke uns auf unserem gemeinsamen Weg.
Amen
Gabriele von Dressler