17. März 2024, Judika
Predigttext: 1. Mose, 22, 1-19
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Liebe Schwestern und Brüder,
auf dem ersten Blick ergibt die Geschichte von Genesis 22 keinen Sinn. Von 1. Mose 12 bis zum Ende von 1. Mose 20 haben wir sehnsüchtig auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes über einen Sohn für Abraham und Sara gewartet. In 1. Mose 21 hören wir schließlich, dass der Sohn geboren wurde. Und in 1. Mose 22 sagt Gott plötzlich, nimm nun deinen Sohn und töte ihn und opfere ihn mir als Brandopfer.
Dieser Befehl ist verwirrend und auch schrecklich. Er steht im Widerspruch zu den Verheißungen, die Abraham zuvor in Bezug auf seinen Sohn Isaak gegeben worden waren. Wie könnte Gott dieses Werk vollbringen, wenn Isaak tot wäre? Und dieses Gebot stimmt überhaupt nicht mit dem überein, was wir über den Charakter von Gott wissen. Die Bibel verurteilt und verbietet an anderen Stellen die Praxis der Kinderopfer, die damals in der Welt praktiziert wurde. Wie konnte Gott Abraham befehlen, es zu tun?
Wir wissen nicht, was Abraham denkt. Es bleibt dem Leser überlassen, sich vorzustellen, was in seinem Kopf und seinem Herzen vor sich ging, während er diese Erfahrung machte. Zweifellos hat er das Gleiche gedacht, was wir jetzt denken: Steht das nicht im Widerspruch zu dem, was Gott zuvor zu mir gesagt hat? Und das scheint völlig untypisch für den Gott zu sein, den ich kenne. Ich bin sicher, dass diese Gedanken in Abrahams Kopf waren, aber was ging in seinem Herzen vor sich?
Wir können mit bequemem Abstand auf diese Erzählung zurückblicken und diese Fragen stellen, aber Abraham durchlebte diese Geschichte. Er stand tatsächlich „früh am Morgen auf, sattelte seinen Esel und nahm zwei seiner jungen Männer mit sich und seinen Sohn Isaak [seinen Sohn, seinen einzigen Sohn, den er liebte]. Und er hieb das Holz für das Brandopfer, machte sich auf und ging an den Ort, von dem Gott ihm gesagt hatte“. Und er muss während der dreitägigen Reise über diese Dinge gegrübelt haben. Wenn diese Geschichte schon für uns verwirrend ist, wie viel mehr für Abraham, der diese Dinge persönlich erlebte. Und deren Ausgang nicht kannte.
Gottes Ruf an Abraham hier ist sehr ähnlich wie sein ursprünglicher Ruf an ihn sein Vaterland zu verlassen und in ein Land zu gehen, das Gott ihn zeigen würde. Damals sollte Abraham zu einem ihm noch unbekannten Ort hinziehen und sich niederlassen. Das war mit viel Unsicherheit verbunden. Nun sollte er aber mit seinem Sohn losziehen, zu einem ebenfalls noch unbekannten Ort hingehen, und dort seinen Sohn schlachten und Gott opfern. Wie schrecklich. In beiden Fällen bricht Abraham ins Unbekannte auf. Und in beiden Fällen war Abraham aufgefordert, sich von menschlichen Sicherheiten, Traditionen und Wertsystemen zu lösen und sie durch Gottesvertrauen zu ersetzen.
Im weiteren Verlauf von Vers 1 lesen wir diese Worte: „Gott prüfte Abraham“. Das sind die Worte des Erzählers an den Leser und nicht die Worte Gottes an Abraham. Der Erzähler möchte, dass der Leser von Anfang an weiß, dass dies eine Prüfung war. Abrahams Glaube wurde bei diesem Ereignis auf die Probe gestellt. Das wissen wir von Anfang an. Ob Abraham sich von Anfang an bewusst war, dass es sich um eine Prüfung handelte, wissen wir nicht.
Wie ich bereits sagte, muss Gottes Aufforderung für Abraham ein Schock gewesen sein. Dieses Wort des Herrn schien zunächst dem zu widersprechen, was der Herr zuvor versprochen hatte – dass sich durch Issak die Verheißungen Gottes erfüllen würden. Auch schien dieses Wort des Herrn dem Charakter Gottes zu widersprechen, den Abraham so gut kennengelernt hatte. Die falschen Götter der Heiden waren mit Menschenopfern zufrieden, aber nicht der Herr der Schöpfung.
Es gibt aber einige Details, die zeigen, dass Gott sehr genau wusste, was er von Abraham abverlangte. Er wusste ganz genau, wie schwierig es sein musste für Abraham. Er sagte, „nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst …“ Also Gott lässt Abraham wissen, dass er weiß, wie wichtig Isaak für ihn ist. Gott lässt Abraham wissen, dass er weiß, dass er von Abraham etwas außergewöhnliches abverlangt: „deinen einzigen Sohn, den du liebst.“
Und was macht Abraham? Er tut es. Am nächsten Tag steht er auf und beginnt Gottes Gebot auszuführen. Liebe Schwestern und Brüder, das ist wieder ein Beispiel, wo die Bibel vom Glauben und Gottesvertrauen eines Menschen erzählt, wo wir gar nicht wissen, was der Mensch denkt. Er tut es. Er beweist seinen Glauben durch Taten. Er geht. Ich bin sicher, Abraham hatte Zweifel. Viel Zweifel. Aber er geht. Es erinnert mich an die Geschichte im Markusevangelium, Kapitel 9, wo ein Vater seinen Sohn zu Jesus bringt, um ihn von einem bösen Geist zu befreien. Jesu Jünger hatte es schon versucht, waren aber gescheitert. Der Vater fleht Jesus an, „Hab doch Mitleid mit uns! Hilf uns, wenn du kannst!“ „Wenn ich kann?“ fragte Jesus zurück. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Verzweifelt rief der Mann, „Ich glaube, lieber Herr. Hilf meinem Unglauben!“
Keiner von uns hat vollendeten Glauben. Aber: Wenn wir den Glauben nehmen, den wir haben, wenn wir den Glauben, den wir haben einsetzen, wird er Einsatz belohnt. Wir wissen nicht, was Abraham dachte, als Gott ihm aufforderte seinen Sohn Isaak zu opfern, aber wir wissen, was er tat. Und wir wissen, dass die Geschichte ein Happy End hat. Weil Abraham Gott vertraut hat, und bereit war, Gottes Gebot auszuführen, wurde er umso mehr gesegnet.
Und was ist aus Abrahams Glaube geworden? Ist am Ende der Geschichte sein Glaube kleiner geworden? Ist er größer geworden. Natürlich. Er ist natürlich gewachsen. Denn, er hat die Prüfung bestanden!
Prüfungen sind interessante Dinge. Wir mögen sie nicht. Sie sind anstrengend. Sie sind beängstigend. Aber, wenn wir sie bestanden haben, sind wir glücklich. Wir haben mehr Selbstvertrauen. Wir wissen, oder im Abrahams Fall, wir glauben mehr als vorher. So war es mit Abraham. Gottes Aufforderung von Haran nach Ur umzuziehen war eine Prüfung. Er nahm die Prüfung an, ist nach Ur gezogen und hat die Prüfung bestanden. Sein Glaube ist gewachsen.
Gottes Verheißung, dass er und seine Ehefrau Sarah – beide im hohen Alter – einen Sohn bekommen würden, war eine Prüfung. Sarah brachte Isaak zur Welt. Prüfung bestanden. Sein Glaube ist gewachsen. Nun sollte er ausgerechnet diesen Sohn, wonach er sich so gesehnt hat, töten. Und er war bereit es zu tun. Prüfung bestanden. Sein Glaube ist gewachsen. Und was hatte Abraham von allen diesen Prüfungen. Was hat er gelernt? Er lernte, Gott zu vertrauen. In einer Welt, wo jedes Volk, ja jede Sippe, seine eigene Gottheit oder Götter hatte, lernte Abraham, dass er seinen Gott, Jahweh, vertrauen konnte. Auf ihn war verlass. Er tat, was er versprach.
Und nun ein Schlussgedanke: Liebe Schwestern und Brüder, in einer gewissen Weise war es im Fall Abraham gar nicht Abraham, der von Gott geprüft wurde, sondern Gott wurde von Abraham geprüft. Indem er von Haran nach Ur umzog, prüfte Abraham, ob Gott sein Wort halten würde. Ob Gott ihm ein Land zeigen würde und Nachkommen geben würde, wie die Sterne am Himmel oder wie der Sand am Ufer des Meeres. Indem er mit Sarah Isaak zeugte, prüfte Abraham, ob Gott ihm tatsächlich im hohen Alter einen Sohn schenken würde. Und indem er zusammen mit Isaak gen Morija aufbrach, mit der Intention, Isaak zu töten und Gott zu opfern, prüfte Abraham, ob Gott ihm tatsächlich durch Isaak segnen wollte und würde.
Und Gott hat alle Prüfungen bestanden. Er erwies sich aus vertrauenswürdig. Er erwies sich als zuverlässig. Er erwies sich als treu. Er erwies sich als glaubwürdig. Bei jeder Prüfung lernte Abraham Gott mehr zu vertrauen. Bei jeder Prüfung wuchs Abrahams Glaube mehr.
Ich denke, wenn wir uns auf Gott verlassen lernen, zuerst in kleinen Dingen, werden wir lernen, wir können uns auf ihn auch in größeren Dingen verlassen. Und so können wir im Glauben wachsen, wie Abraham es tat.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne im Christo Jesu, unserm Herrn. Amen.
Gerald MacDonald
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