Vergebung, Barmherzigkeit und Treue
28.06.2020 (3. Sonntag nach Trinitatis), Micha 7, 18-20
28.06.2020 (3. Sonntag nach Trinitatis), Micha 7, 18-20
Liebe Gemeinde,
als ich ein Kind von ungefähr sechs Jahren war, wohnte ich in Ebersdorf in Thüringen – einem wunderschönen Ort. Es waren einige Kinder in meinem Alter und wir spielten oft: Bande. Einer war der Chef und verwaltete das Geld- das waren meist ein paar Pfennige. Hatten wir genug zusammen, dann kauften wir im nahegelegenen Konsum Brausepulver. Noch heute habe ich diesen Geschmack und das Prickeln auf der Zunge, wenn ich daran denke. Leider aber reichte das Geld oft nicht für dieses Brausepulver. Also schlich ich mich eines Tages in die Küche und nahm aus dem Portemonnaie meiner Mutter in der obersten Schublade 50 Pfennig heraus. Die Freude war groß über die Möglichkeit, das Brausepulver zu kaufen. Doch das schlechte Gewissen plagte mich und den Augen meiner Mutter entging der Verlust des Geldes nicht. Sie bekam es heraus und es gab Ärger. Doch nach einer Entschuldigung war dieser bald wieder verflogen. Nach dem Ärger überwog die Liebe zu uns Kindern. Die Beziehung von unserer Mutter zu uns Kindern ist tragfähig und stabil. Ihr Herz war und ist groß.
Diese Geschichte fiel mir ein, als ich den Predigttext für den heutigen Sonntag las. Ich lese ihn vor aus dem Buch Micha, Kapitel 7 die Verse 18-20
„Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übriggeblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter seine Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wir du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.“ Micha 7, 18-20
Wo ist solch ein Gott …
mit den Worten unseres Predigttextes endet das Buch des Propheten Micha. Insgesamt sind 19 Prophezeiungen darin enthalten. Eine jede beginnt mit einer Gerichtsandrohung und endet mit einer Heilszusage. Im ganzen Buch Micha geht es um die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk.
Gott, der treu zu seinem Wort steht auf der einen Seite und das auserwählte Volk, das immer wieder untreu geworden ist auf der anderen Seite.
Gott vergibt uns
In jedem Vaterunser beten wir die Bitte: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Es ist wichtig, dass wir das, was uns von Gott trennt, immer wieder bei ihm abladen dürfen. Da kommt im Lauf eines Lebens ganz schön was zusammen. Die Geschichte am Eingang erzählte von einem kleinen Vergehen. Kleine und große Lasten drücken Menschen, werden groß und größer und bestimmen unser ganzes Leben. Wie gut ist es da, wenn unsere Beziehung zu unserem Herrn stimmt. Zu ihm dürfen wir kommen und ihm unsere Bündel, die wir mit uns herumtragen abgeben. Er nimmt sie uns ab, er legt sie unter seine Füße und so wird die Last leichter. Wenn wir vor ihm aussprechen, was uns beschwert, dann können wir spüren, wie uns das Schwere genommen wird. Manchmal geht das nicht allein, da kann ein Gespräch mit einem Freund, einer Freundin oder einem Seelsorger helfen. Im Epheserbrief im 4. Kapitel steht: Lasst die Sonne nicht untergehen, ohne dass ihr einander vergeben habt.
Eine andere Möglichkeit, Lasten loszuwerden, ist, Steine zu beschriften mit Dingen, die wir mit uns herumtragen und die uns im Laufe des Lebens gebeugt gehen lassen. Da drückt das Gewissen, dass wir jemanden mit seinen Sorgen und Zweifeln stehen gelassen haben, oder dass wir andere übersehen haben. Da wartete jemand auf Hilfe und wir haben es nicht begriffen. Oder Menschen tragen in diesen Tagen so viel Aggression in sich, die sich dann an anderer Stelle entlädt und so viel Leid bringt. Ja, Menschen vergreifen sich an anderen und schrecken scheinbar vor nichts zurück.
Wir können da leicht sagen, sowas machen wir doch nicht- das sind die anderen. Mit denen wollen wir nicht verglichen werden.
Aber auch wir tragen Lasten mit uns herum, jeder und jede von uns. Wie schön ist da das Bild von Micha, dass wir die Lasten abwerfen können. Und das nicht nur so vor uns hin- nein in die Tiefen des Meeres. Dort, wo keiner sie wieder herausholen und zurückbringen kann. Der Marianengraben, ist eine Tiefseerinne im westlichen Pazifischen Ozean, mit einer Maximaltiefe von etwa 11.000 Metern unterhalb des Meeresspiegels. Das ist für uns kaum vorstellbar. Was da am Meeresboden liegt, das bringt niemand an die Oberfläche. Das ist dort ein für allemal. Und so geht Gott mit unserer Schuld um. Wenn wir sie vor ihn bringen, dann dürfen wir mit Vergebung erbitten. Das ist großartig.
Wie ist das mit den Schuldigen? Mit unseren Schuldigern? Ist es nicht oft so, dass wir uns freuen, wenn wir merken und spüren, dass unsere Lasten weg sind- aber dass wir unseren Schuldigern vergeben? Das fällt uns manchmal nicht so leicht, weil wir viel schneller den Splitter in den Augen des anderen sehen, als den Balken im eigenen Auge. Auch dazu gibt uns die Bibel eine Hilfe: Epheser 4, 26 Lasst die Sonne nicht untergehen, ehe ihr einander vergebt. (Übersetzung nach Hoffnung für alle). Das finde ich ein sehr schönes und zugleich schwieriges Wort. Versucht die Versöhnung und Vergebung, ehe es zu spät ist. Das soll ich schaffen? Wie kann ich das machen? Hören wir auf den Inhalt des Predigttextes:
Gott ist barmherzig
Dieses Thema zieht sich durch die ganze Bibel hindurch vom Anfang der Schöpfung bis zum jüngsten Tag. Immer wieder lesen wir, dass Menschen Schuld auf sich nehmen, dass sie sich von Gott entfernen, dass er aber bei ihnen bleibt und ihnen nahe ist. Und er gibt ihnen immer wieder die Möglichkeit der Umkehr. Das ist schon in der Schöpfungsgeschichte so, als Adam und Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis essen und aus dem Paradies geschickt werden. Gott sorgt aber trotzdem weiter für sie. Später bei der großen Flut straft Gott die Menschen wegen ihres Lebenswandels, rettet sie aber auch durch die Arche. Gott schließt mit den Menschen einen Bund, mit Abraham, Issak und Jakob, und verspricht ihnen seinen Segen.
Gott ist treu
Gott hält sich an seine Zusage. Immer wieder schickt er Propheten zu seinem Volk und ruft sie zur Umkehr. Selbst die Propheten erinnert er an ihren Auftrag, wie z.B. Jona, der nach Ninive gehen sollte und in die entgegengesetzte Richtung aufbrach. Gott war auch da bei ihm und holte ihn zurück und erinnerte ihn an seinen Auftrag. Gottes Treue zu uns ist nicht in Worte zu fassen. Er hat uns – dich und mich- ins Leben gerufen und er wacht über uns. Er lässt uns unsere Wege gehen, holt uns aber zurück, wenn wir uns in Irrwege verrannt haben. In der Taufe hat Gott mit jedem Menschen einen Bund geschlossen, in dem er unsere Namen ins Buch des Lebens geschrieben hat. Er hat uns nicht nur ins Lebensbuch eingetragen, er hat uns in sein Herz genommen. Wir sind ihm wichtig und wertvoll.
Vergebung, Barmherzigkeit und Treue, das sind drei große Geschenke, die er uns für unser Leben mitgibt. Durch die Vergebung unserer Schuld werden wir frei von den Lasten und können unser Leben wieder neu ausrichten. Barmherzigkeit ist Erbarmung und Herzlichkeit in einem. Wir dürfen seine geliebten Kinder sein und auch untereinander barmherzig miteinander umgehen. Und Treue, das ist ein großes Wort. Gottes Treue gilt uns allen. Wir dürfen um die Treue zu Gott immer wieder bitten.
In einem Tauflied von Johann Jakob Rambach heißt es:
Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl feste stehn. Wenn aber ich ihn überschreite, so lass mich nicht verlorengehn. Nimm mich, dein Kind, in Gnaden an, wenn ich hab einen Fall getan.
Lass diesen Vorsatz nimmer wanken, Gott Vater, Sohn und Heilger Geist. Halt mich in deines Bundes Schranken, bis mich dein Wille sterben heißt. So leb ich dir, so sterb ich dir, so lob ich dich dort für und für.
Wenn ein Mensch getauft wird, dann wird der Bund zwischen Gott und uns Menschen besonders sichtbar. Und wir werden an unseren Bund mit ihm erinnert. So wünsche ich uns allen, dass wir aus seiner Erbarmung leben dürfen – jeden Tag neu.
Amen
Gabriele von Dressler