10. August 2025, Feier des 13. August
Matthäus 5, 13-16
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Liebe Schwestern und Brüder, heute feiern wir ein Ereignis, das nicht nur die Brüdergemeine, sondern die ganze Christenheit geprägt hat – die Erneuerung in Herrnhut am 13. August 1727. An diesem Tag, versammelt in der kleinen lutherischen Kirche zu Berthelsdorf, wurde eine Gemeinschaft, die von Streit, Spannungen und theologischen Auseinandersetzungen zerrissen war, plötzlich von einem überwältigenden Gefühl der Einheit und Liebe ergriffen. Augenzeugen berichteten von einer „Taufe mit dem Heiligen Geist“ – nicht in auffälligen äußeren Zeichen, sondern in einer tiefen inneren Verwandlung. Die Menschen verließen den Gottesdienst versöhnt, mit Herzen, die in Liebe zu Jesus und zueinander brannten. Von diesem Moment an wurde die Brüdergemeine zu einem Licht für die Völker. Unser heutiger Bibeltext aus Matthäus 5 erinnert uns daran, was diese Erneuerung im Kern bedeutet: Salz und Licht in der Welt zu sein.
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Brüder und Schwestern, die Gemeinschaft zu Herrnhut war im Frühjahr 1727 in Gefahr auseinander zu gehen. Meinungsverschiedenheiten über Glaubensfragen, nationale Herkunft und persönliche Verletzungen zersetzten die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft, die 1722 zuerst sehr klein begann, war bis 1727 auf ca. 300 Brüder und Schwestern gewachsen. Die Gemeinschaft war recht multi-kulti aufgestellt. Es waren ca. 200 Menschen, die Nachfahren der böhmischen Brüder waren. Es gab auch ca. 50 Lutheraner aus der näheren Umgebung. Und zu guter Letzt gab es ca. 50 Menschen aus ganz Deutschland und der Schweiz, die auf ihrer individuellen spirituellen Entdeckungsreise waren. Sie waren sogenannten Separatisten, die keine Gemeinschaft angehörten. Es war eine der Herausforderungen in Herrnhut, sie in die Glaubensgemeinschaft zu integrieren.
Liebe Brüder und Schwestern, im Predigttext für heute sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Und wir wissen, was Salz tut. Wir wissen, wie wichtig Satz ist. Besonders in der Antike. Salz bewahrt. Es schützt vor Verderb. In der Antike war es besonders kostbar. Und es war lebensnotwendig. Doch Salz verleiht auch Geschmack. Es bringt das Aroma dessen hervor, was es würzt. Genauso brachte die Erneuerung 1727 den „Geschmack“ Christi zurück in ihre Gemeinschaft. Sie entdeckten neu, dass ihre Identität nicht darin lag, Streitfragen zu gewinnen, sondern als eine vergebene und vergebende Gemeinschaft zu leben.
Das ist auch für uns die Lektion: Salz muss sich mit dem vermischen, was es bewahren will. Wir können nicht „aus der Ferne“ Salz sein. So wie die Brüdergemeine nach dem 13. August müssen auch wir mitten in der Welt stehen – nicht angepasst an sie, aber in liebevollem Kontakt – das Gute bewahren, dem Verderben widerstehen und den Geschmack von Christi Gnade weitergeben. Jesus sagt weiter zu seinen Jüngern: „Ihr seid das Licht der Welt“. Licht hat zwei Aufgaben: Es macht sichtbar, und es weist den Weg. Jesus sagt: „Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.“ Herrnhut war eine kleine, unbedeutende Siedlung in Sachsen, aber nach 1727 wurde sie im geistlichen Sinn zu einer Stadt auf dem Berge.
Innerhalb von fünf Jahren nach der Erneuerung startete die Brüdergemeine die erste protestantische Missionsbewegung der Neuzeit. Sie gingen in die Karibik, nach Grönland, nach Amerika, nach Afrika und zu den indigenen Völkern Nordamerikas. Sie gingen nicht mit Reichtum oder Macht, sondern mit dem Licht Christi im Herzen. Was hatte sich verändert? Es waren nicht ihre Pläne oder Methoden – es war ihre Hingabe. Als Gott ihre Liebe zu Ihm und zueinander neu entfachte, strahlte dieses Licht ganz von selbst in die Dunkelheit hinaus. Auch wir sind gerufen, unser Licht leuchten zu lassen. Nicht, um uns selbst in Szene zu setzen, sondern – wie Jesus sagt – „damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Der 13. August war nicht als einmaliger „Berggipfel-Moment“ gedacht. Er war der Beginn eines täglichen Lebens in Demut, Gebet und brüderlicher Liebe. Die Brüdergemeine begann eine ununterbrochene Gebetskette, die über hundert Jahre anhielt. Sie machten Versöhnung zu einer Priorität. Sie lebten so, als ob die Wiederkunft Christi nahe sei – denn für sie war Er schon in ihrer Mitte gegenwärtig. Für uns heute bedeutet das Erinnern an den 13. August, sich zu fragen:
- Wo brauchen wir das bewahrende Salz Gottes, um uns vor Spaltung oder Kompromiss zu schützen?
- Wo brauchen wir Sein Licht in unseren eigenen Herzen, bevor wir es in die Welt tragen können?
- Wie würde es aussehen, wenn der Geist Gottes unsere Gemeinde heute in derselben Weise erneuerte?
Liebe Freunde, Salz wirkt nur, wenn es in Berührung kommt. Licht leuchtet nur, wenn es nicht verborgen wird. Die Erneuerung von 1727 war kein Geschenk allein für die Brüdergemeine – sie ist eine Einladung an die ganze Kirche in jeder Generation. Jesus sagt heute zu uns: „Ihr seid das Salz der Erde … Ihr seid das Licht der Welt.“ Verlieren Sie Ihre Salzkraft nicht. Verbergen Sie Ihr Licht nicht. Lassen Sie die Liebe Christi, die diese kleine Gemeinschaft in Herrnhut versöhnt hat, auch durch Sie fließen – in Ihre Familie, Ihre Gemeinde, Ihre Nachbarschaft und bis an die Enden der Erde. Und möge man auch von uns sagen, wie man von ihnen sagte: „Seht, wie sie einander lieben.“ Amen.
Gerald MacDonald
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