Steht das Lebenshaus sicher?
01.08.2021 (9. Sonntag nach Trinitatis),
Matthäus 7, 24-27
01.08.2021 (9. Sonntag nach Trinitatis),
Matthäus 7, 24-27
Foto: © Valeriano Della Longa / CC BY 2.0, Reworked by Rainer Zenz
Liebe Schwestern und Brüder!
Sand ist schön.
Am Meer etwa, wenn die nackten Füße sich hineingraben. Viele verbinden Sand mit Urlaub und Sonne. Ich habe immer gern von den Urlauben am Meer eine Portion Sand mitgebracht und ihn mit anderen Fundstücken, Steinen und Holzstücken in ein Glas gefüllt.
Sand ist praktisch.
Wir denken in diesen Wochen an die Gründung der Brüdergemeine Neugnadenfeld von 75 Jahren. Deshalb haben Sie heute alle so eine Karte bekommen mit dem Kirchengebäude dort. In der Gegend dort gibt es vor allem Sand und Torf.
Ich war neun Jahre Pfarrer in Neugnadenfeld. Wissen Sie, wie man dort einen Brunnen bohrte? Man nahm ein langes Rohr mit einem Siebaufsatz vorne dran, montierte hinten einen Löschschlauch von der Feuerwehr dran, setzte das Rohr auf die Erde und drehte das Wasser auf. Durch den Wasserdruck spülte sich das Rohr selbst im sandigen Boden in die Tiefe. Das kostetet einen nur einen Kasten Bier für die Freiwillige Feuerwehr. Dann musste man noch an das obere Ende einen Schlauch und eine Pumpe anschließen und schon hatte man Wasser für den Garten.
Sand ist tückisch.
An der Ostsee sind immer wieder Siedlungen unter den wandernden Sanddünen verschwunden. In den Bergen Palästinas wird sandiger Boden leicht vom Wasser weggespült. Nur felsiger Untergrund taugt zu einem verlässlichen Fundament, wenn man ein Haus errichten will.
Freilich kostet das ein bisschen mehr Aufwand, ein Fundament in den Fels zu schlagen. Ist das Haus fertig, kann man das Haus auf Fels und das Haus auf Sand nicht unterscheiden. Beide können schön aussehen, Schatten spenden und Schutz geben. Erst das Unwetter, der Platzregen, die Krise lässt den Unterschied zu Tage treten.
Wir dachten, es passiert nur in anderen Gegenden der Erde, dass Häuser von Wassermassen weggerissen werden. In den letzten Wochen mussten Menschen in der Eifel und anderen Gegenden in Deutschland erfahren, das auch bei uns Unwetter schwere Schäden verursachen und Menschen das Leben kosten können. In den Medien und von Bekannten erfahren wir vom Leid der Menschen, von den Fragen, ob man das alte Haus wieder aufbauen oder lieber weggehen soll, wie man besser warnen und vorbeugen kann.
Jesus verwendet diese Erfahrung der Menschen als ein Bild, wenn er in Matthäus 7, 24-27, am Ende der Bergpredigt, folgendes sagt.
24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.
27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.
Die Rede ist vom Haus unseres Lebens. Man kann das Leben mit einem Haus vergleichen. Na, altes Haus, sagen wir. Wir bauen am Haus unseres Lebens, Tag für Tag. Wir richten uns ein und bauen auch mal um.
Dabei gibt es Dinge, die uns Halt geben. Es gibt auch die Angst, es könnte alles zusammenbrechen. Angst, dass der Regen kommt, dass der Sturm und die Wasser an allem rütteln und … es hält alles nicht Stand. Alles gerät ins Schwimmen, ich verliere den Halt.
Wir kennen die Angst, die einen mehr, die anderen weniger. Der Sturm, das Unwetter im Leben kann vieles sein:
Hält das Lebenshaus in der Krise? Oder kracht es zusammen. Und der Fall war groß, sagt Jesus. So lange alles glatt geht, machen die Häuser auf Sand und die Häuser auf Fels beide einen guten Eindruck. Vielleicht macht das Lebenshaus dessen, der mehr in die Fassade als in das Fundament investiert hat, ja sogar mehr her. Erst die Krise zeigt, ob es hält. Die Krise kommt, irgendwann.
Wenn die Bibel hier vom Platzregen spricht, der alles zu Tage bringen wird, dann meint sie nicht nur die Lebenskrisen, sie meint auch jene letzte Krise, die letzte Entscheidung, die die Bibel das Gericht nennt. Es bedeutet letzte Verantwortung vor Gott, Rechenschaft, die wir zu geben haben.
Was wird dann Bestand haben? Was bleibt, was überdauert in den Krisen des Lebens und in der letzten Verantwortung unseres Lebens vor dem, der uns das Leben gegeben hat?
Es gibt viele Konzepte, die ein Leben bestimmen können.
Etwa: Üb immer Treu und Redlichkeit, bleib im Lande und nähre dich redlich.
Oder: Achte stets auf deinen Gewinn und nimm, soviel du kriegen kann, denn es wird einem nichts geschenkt. Oder: kämpfe gegen das Böse, egal was es ist, denn das gibt ein gutes Gefühl und stärkt die eigene Gruppe.
Jesus sagt am Beginn unseres Abschnittes: Darum, wer meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Welche Rede meint Jesus?
Der Predigttext steht am Ende der Bergpredigt. In diesen Kapiteln 5 bis 7 fasst Matthäus wesentliche Teil der Botschaft Jesu zusammen. Zum Beispiel:
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.
Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen
Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.
Sammelt euch aber Schätze im Himmel.
Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Das ist nicht das, was alle denken. Das ist nicht die herrschende Moral. Ganz im Gegenteil: Immer wieder sagt Jesus in den Kapiteln: Ihr sagt, man soll … Ich aber sage euch … Die Bergpredigt richtet sich gegen die bekannten Normen. Sie tut es auch noch heute.
Diese Worte Jesus sind zugleich faszinierend. Es ist viel Wahrheit drin, das spüren wir. Selbst Nichtchristen sprechen sie an. Mahatma Gandhi meinte: „Am Christentum ist vor allem die Bergpredigt wahr.“ Freilich fügte er diesem positiven Urteil die Beobachtung hinzu: „Aber die Christen tun nicht, was die Bergpredigt lehrt. Was wahr ist, kann man nur erfahren, wenn man es tut.“
Die Worte der Bergpredigt zu leben, ist nicht einfach. Mit ihr ist in dieser Welt schwer zu bestehen. Wenn man es versucht, zieht man nach weltlichen Maßstäben oft den Kürzeren.
Dennoch sagt Jesus: Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleich einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Nach den Worten Jesu zu leben, hat Zukunft. Denn seine Welt, die kommende Welt Gottes, sein Reich, ist das, was bleiben wird. Alles andere wird vergehen.
Sehen wir nicht immer wieder, wie sehr andere Lebenssysteme die Welt ins Wanken bringen und Menschen ins Verderben stürzen? Wird uns nicht immer klarer, in welche Gefahr uns die allgemein gültigen Prinzipien des Lebens gebracht haben?
An mehreren Stellen merken wir: Wir können so nicht weitermachen; es ist fünf vor zwölf und hoffentlich nicht schon zu spät. Das gilt bei den großen weltpolitischen Fragen und den kleinen unseres eigenen Lebens.
Und merken wir nicht auf der anderen Seite, dass etwas ganz Neues wächst, wenn Menschen zusammenrücken? Wenn wir mal hinhören auf das, Jesus uns hier vorträgt?
Die Bildrede Jesus endet mahnend mit den Worten: und sein Fall war groß. Es geht darum, dass unsere Lebenshäuser dem großen Fall entgehen. Die Rettung liegt in Jesu Worten. Darum hat Gott diesen Retter geschickt. Damit wir ihn ihm ein festes Fundament für unser Leben und unser Zusammenleben bekommen.
Das Fundament ist nicht nur das, was Jesus sagt. Er ist das, was er ist, was Jesus lebt und erleidet. Jesus tut den Willen des Vaters, wie es keine und keiner von uns kann und muss dafür leiden und sterben. Er tut dies … für uns. Das Erbarmen Gottes, das in Jesus zutage tritt, wird das tragfähige Fundament, auf dem auch unser Leben bestehen kann. Wer bestehen will, braucht schon Jesus selbst.
Von der Liebe Gottes in Jesus Christus kann uns nichts trennen, kein Sturm, kein Unwetter. Ich wünsche uns, dass wir das erfahren in den Stürmen unseres Lebens.
Amen
Christoph Huss