Neues Leben durch Gottes Geist
05.06.2022 (Pfingsten),
Römer 8, 1-2 und 10-11
05.06.2022 (Pfingsten),
Römer 8, 1-2 und 10-11
Kirchenfenster mit Pfingst-Motiv von Hans Stocker in der katholischen Kirche St. Peter in Büsserach (Solothurn, Schweiz); Foto: Roland Zumbuehl / CC BY-SA 4.0 (bearbeitet)
8,1 Es gibt also keine Verurteilung mehr für die, die zu Christus Jesus gehören. 2 Das bewirkt das Gesetz, das vom Geist Gottes bestimmt ist. Es ist das Gesetz, das Leben schenkt durch die Zugehörigkeit zu Christus Jesus. Es hat dich befreit von dem alten Gesetz, das von der Sünde bestimmt ist und den Tod bringt. 10 Wenn Christus jedoch in euch gegenwärtig ist, dann ist euer Leib zwar tot aufgrund der Sünde. Aber der Geist erfüllt euch mit Leben, weil Gott euch als gerecht angenommen hat. 11 Es ist derselbe Geist Gottes, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Wenn dieser Geist nun in euch wohnt, dann gilt: Gott, der Christus von den Toten auferweckt hat, wird auch eurem sterblichen Leib das Leben schenken. Das geschieht durch seinen Geist, der in euch wohnt.
Wenn ein Kind oder ein Erwachsener getauft wird, dann wird er in den Tod Jesu und in sein neues Leben getauft. Als Kind habe ich das nicht verstanden. Warum wird ein Mensch in den Tod Jesu getauft? Das Kind oder der Erwachsene soll doch leben. Später habe ich verstanden: In der Taufe geht es darum, dass unser „altes Leben“ überwunden wird und wir durch Jesus Christus ein neues Leben haben dürfen. Es geht um eine lebendige Beziehung zu Jesus. Sein Tod und seine Auferstehung ist somit nicht nur ein Ereignis, das vor über 2000 Jahren geschehen ist, es geht um die persönliche Bindung. Jesus ist diese Beziehung zu uns Menschen eingegangen, in dem er zu uns in diese Welt gekommen ist und unser Fleisch und Blut angenommen hat. Als Fleisch ist die Welt und damit das Vergängliche gemeint. Wir Menschen sind Wesen mit einem Körper, mit Gefühlen, Wünschen und Sehnsüchten. Wir haben Ziele vor Augen und möchten möglichst etwas Besonderes hinterlassen. Wir vergleichen uns mit unseren Mitmenschen und brauchen für unsere Leistung Anerkennung und Lob. Und so richten wir uns Menschen ein in diesem Leben Diese Denkweise ist in uns Menschen verhaftet, in Dir und in mir.
Nun wissen wir als Christen, dass wir aber nicht nur auf dieses irdische Leben hin geschaffen wurden. Wir leben aus der Hoffnung heraus, dass es außer dem Kräftemessen und dem Bestehen in dieser Welt noch etwas viel Größeres gibt. Gott hat uns ins Leben gerufen und er geht mit uns. Seit unserer Taufe in den Tod Jesu und in sein neues Leben können wir uns seine Kinder nennen. Was für ein großer Vertrauensvorschuss an uns. Denn schaffen wir es immer, den Weg mit ihm zu gehen? Gibt es da nicht auch Zeiten, in denen wir meinen, wir können auch allein zurecht kommen? Jesus hält an diesen Bund zu uns fest. Er weiß über unser Menschsein und hat deshalb einen Begleiter gesandt – den Heiligen Geist.
Wir feiern heute das Fest des Heiligen Geistes – das Pfingstfest. Dieser Geist verändert uns, macht uns lebendig und mutig. Die Jünger haben das damals erfahren. „Sie saßen beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen“ (Apostelgeschichte 2, 1-2) und im 4. Vers heißt es weiter: „sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden gab.“ Gottes Geist war plötzlich da und veränderte die Jünger. Sie, die erst ängstlich beisammen waren, bekamen die Worte ins Herz und in den Mund gelegt, anderen die frohe Botschaft zu verkünden.
Dieser Geist Gottes ist derselbe Geist, der Jesus auferweckt hat. Um diesen lebendigen Geist dürfen wir bitten. Der Heilige Geist ist es, der uns heute hier zusammengeführt hat – so unterschiedlich wir auch sind mit unseren Lebenserfahrungen und unseren Einstellungen. Er schenkt uns Gemeinschaft und neue Kraft. Wir brauchen einander auf dem Weg. Es ist wichtig, dass wir unsere Erfahrungen, die wir mit Gott gemacht haben, teilen. Wir wünschen uns die Vielfalt in der Gemeinde. Die Kinder, die mit ihrer Lebendigkeit das Gemeindeleben durcheinander wirbeln, die Heranwachsenden, die mehr von Jesus und seinem Leben kennen lernen möchten, die Jugendlichen, die uns durch das Hinterfragen von Traditionen zum Nachdenken bringen und die Älteren, die ihren Glauben an die Jüngeren weitergeben. Die Kirche lebt von dem Miteinander der Generationen.
Heute ist Pfingsten, wir feiern den Geburtstag der Kirche. Zu jedem Geburtstag gibt es Geschenke für das Geburtstagskind. Heute schenkt uns Gott seinen Geist, und aus seinem Wirken heraus wachsen Früchte der Freude, der Liebe, des Friedens, der Geduld, der Freundlichkeit, der Gütigkeit, des Glaubens … so schreibt es Paulus im Galaterbrief. Diese Früchte dürfen wir entdecken. Gottes Geist will in uns wirken. Er will in unser Herz einziehen. Und so kann ich und kannst Du aus der Kraft des Geistes leben, nicht aus uns selber. Das gibt mir eine neue Sicht auf die Welt, in der ich, in der wir leben. Es verleiht mir eine neue Haltung und ich spreche in einer neuen Sprache, die Jesus mir vorgelebt hat. An ihm will ich mich orientieren, wenn ich mit anderen rede. Aus den Worten, die ich spreche, sollen Worte der Versöhnung, des Friedens, der Liebe, des gegenseitigen Annehmens werden.
Aber das gelingt mir nicht immer. Wir alle kennen die Redewendung: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Sie stammt aus dem Matthäusevangelium. (26,41) Ich nehme mir viel vor, werde aber von der Realität eingeholt. Es gehen mir Worte über die Lippen, die ich so nicht sagen wollte. So entsteht statt Versöhnung Streit, statt Frieden Unfriede, statt Liebe Hass. Ich kann und schaffe es nicht aus mir selbst heraus ohne Verfehlungen – die Bibel nennt es Sünde zu leben. Keiner und keine von uns. Wir dürfen aber mit aller Schuld, die wir auf uns laden zu Gott kommen. Er macht uns frei von dem alten Gesetz der Sünde, wenn wir ihn ernsthaft darum bitten. So, wie wir es im Vater unser bitten: und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Diese Bitte schließt auch eine Änderung unseres Verhaltens gegenüber meinen Mitmenschen mit ein.
Kommen wir zurück zum Geburtstagsfest. Bei so einem Fest ist es doch so, dass das Geburtstagskind Gaben und Geschenke erhält, aber auch immer etwas von sich selbst an die geladenen Gäste weitergibt. Und genau das wünsche ich uns, dass wir alle eine kräftige Brise von Gottes Geist erhalten und uns von ihm in seinen Dienst nehmen lassen. Jeder und jede mit den Gaben, die er bekommen hat.
Am letzten Wochenende fand der 102. Katholikentag in Stuttgart statt. Vier Tage lang waren viele unterschiedliche Menschen beieinander und haben über den Glauben und über die Situation im Land und in der Welt diskutiert und nachgedacht. Das Motto dieser Tage war: „leben – teilen.“ Wir alle sind gerade zu Pfingsten aufgerufen unser Leben mit den Menschen um uns herum zu teilen. Mit den Menschen, die wir kennen und mit denen, die wir zufällig auf der Straße treffen. Und mit den Menschen, die zu uns in unser Land gekommen sind. Wir wollen leben teilen und uns von Gottes Geist dazu führen lassen.
Gabriele v. Dressler