Kreuzwege
27. Februar 2022 (Estomihi),
Mk 8, 31-38
27. Februar 2022 (Estomihi),
Mk 8, 31-38
Wir leben in einer unfertigen, unvollkommenen Welt, in der Böses und Gewalt immer wieder einen Raum finden, sich auszubreiten. Wir leben in der Nachfolge von Jesus, der das Böse überwindet und uns aufruft, zusammen zu stehen auf den schweren Wegen.
Von Kreuzwegen spricht Jesus in dem für den heutigen Sonntag vorgeschlagenen Bibelabschnitt. Erst geht es um den Kreuzweg Jesu und dann um den Kreuzweg der Menschen, die ihm folgen.
31 Danach begann Jesus seinen Jüngern zu erklären, was Gott mit ihm vorhatte: »Der Menschensohn wird viel leiden müssen. Die Ratsältesten, die führenden Priester und die Schriftgelehrtenwerden ihn wie einen Verbrecher behandeln. Sie werden ihn hinrichten lassen, aber nach drei Tagen wird er vom Tod auferstehen.«
32 Das sagte er ihnen ganz offen. Da nahm Petrus ihn zur Seite und fing an, ihm das auszureden.
33 Aber Jesus drehte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus streng zurecht: »Weg mit dir, Satan, hinter mich! Dir geht es nicht um das, was Gott will, sondern um das, was Menschen wollen.«
34 Dann rief Jesus das Volk und seine Jünger zu sich. Er sagte: »Wer mir folgen will, darf nicht an seinem Leben hängen. Er muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir auf meinem Weg folgen.
35 Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer sich aber zu mir und der Guten Nachricht bekennt und deshalb sein Leben verliert, wird es erhalten.
36 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben dabei verliert?
37 Was kann ein Mensch einsetzen, um sein Leben dafür einzutauschen?
38 Denn wer sich nicht zu mir und meinen Worten bekennt vor dieser treulosen und schuldbeladenen Generation, der muss wissen: Der Menschensohn wird sich auch nicht zu ihm bekennen, wenn er wiederkommt –in der Herrlichkeit seines Vatersund mit den heiligen Engeln.«
(Basis-Bibel)
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Leben hat Kreuzwege.
Wohl dem, dem es gelingt, den schweren Weg dann in Anstand zu gehen.
Ob es nun um Schmerzvolles bei Anderen oder bei uns selbst geht, die erste Reaktion ist oft: das ist nicht wahr, das kann nicht sein. Genauso ist das bei Petrus.
1. Jesu Kreuzweg
Jesus spricht zum ersten Mal ganz offen davon, dass sein Weg durch Leiden und Tod führt. Darum steht über dem Abschnitt auch: „erste Leidensankündigung“. Es ist kein Zufall, dass diese auf das sogenannte „Petrusbekenntnis“ folgt. Jesus hatte seine Jünger gefragt, für wen die Leute ihn halten und wer er für sie sei. Petrus hatte geantwortet: „Du bist der Christus!“
Keiner hatte Jesus zuvor so genannt. Ich denke, alle haben dabei die Luft angehalten. Denn plötzlich lagen alte Verheißungen und große Erwartungen in der Luft.
Direkt darauf fängt Jesus an, den Jüngern zu erklären, was Gott vorhat. Der Menschensohn – so redet Jesus gerne von sich selbst – muss viel leiden und verworfen … und getötet werden.
Den Rest haben die Jünger anscheinend gar nicht mehr gehört: und nach drei Tagen auferstehen. Das fiel ihnen erst wieder nach Ostern ein, dass Jesus ja auch das noch gesagt hatte. Überhaupt haben sie diese Worte von Jesus erst später richtig verstanden.
Petrus, wieder mal der Sprecher der Gruppe, schreitet auf jeden Fall gleich ein – das ist nicht wahr, das kann nicht sein, das mit Leiden und Tod. Petrus nimmt Jesus zu Seite und tadelt ihn, macht ihm Vorwürfe. „Jesus, so darfst du nicht reden, ja nicht einmal denken. Der Christus, der Messias, stirbt nicht, er siegt über den Tod und befreit die Menschen.“
Was Petrus nicht weiß und noch lange nicht verstehen wird: Christus wird siegen, er wird befreien, aber anders, als es viele Menschen erwarteten und erwarten.
Petrus spricht mit seinen Einwendungen für die ganze Jüngergruppe. Vielleicht auch für viele von uns. Hätten auch wir uns nicht gewünscht, dass Gott einen weniger scherzvollen und blutigen Weg zur Befreiung des Menschen gewählt hätte? „Nein, Jesus, das mit dem Leiden und Sterben, das darf nicht sein, das kann nicht sein, das finden wir nicht gut.“ Hätte es keinen anderen Weg zur Versöhnung gegeben? Mancher sagt: „Das ist mir zu peinlich, ich will davon nichts mehr hören.“
Freilich, nicht alles, was im Laufe der Jahrhunderte über den Kreuzestod gesagt, gedichtet und gemalt wurde, müssen wir heute so nachvollziehen. Ich meine aber, wir sollten an dieser zentralen Stelle nicht versuchen, die Bibel umzuschreiben. Auch wenn wir manchen Weg Gottes nicht verstehen und lieber anders hätten.
Jesus entwindet sich den Einwänden von Petrus und weist seine gut gemeinte Intervention zurück. Nun macht er ihm Vorwürfe, wörtlich: „Geh weg, hinter mich, Widersacher, denn du denkst nicht das von Gott, sondern das von Menschen.“ Jesus erkennt – das erklärt vielleicht die heftige Reaktion – in Petrus die alte Versuchung, die auch im nicht fremd ist, es den Menschen recht zu machen, anstatt Gottes Weg zu folgen.
„Hinter mich,“ sagt er zu Petrus, „dort ist dein Platz; da kannst du meinen schweren Weg mitgehen. Aber bringe mich nicht davon ab. Denn es ist Gottes Weg.“
Für Jesus gilt wie für uns: Manche Dinge sind nur auf dem schweren Weg zu erreichen. Kreuzwege sind ein Teil dieser Welt.
2. Unser Kreuzweg
Um unsere mühsamen Wege geht es im zweiten Teil des Abschnitts. Was Jesus hier über seine Nachfolger sagt, geht uns genauso gegen den Strich wie das, was er über sich selbst gesagt hat. (nach Luther)
34 Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums der wird’s erhalten.
Das mit dem „sich selbst verleugnen“ ist so eine Sache. Ich bin sicher nicht der einzige, der mit dieser Erwartung von Jesus Mühe hat. Denn wir wissen doch, wie wichtig es ist, dass Menschen sich selbst annehmen können. Wir wissen, dass Menschen, die sich selbst aufopfern, in Gefahr sind, krank zu werden.
Und wir verstehen uns doch auch als Menschen, die Gott sieht und lieb hat, mit den Stärken und Schwächen.
Ob diese Liebe Gottes uns manchmal einen Schritt weg führen möchte von dem, was wir für wichtig halten? Ist es Seine Weisheit, die möchte, dass wir etwas von uns zurücklassen?
Es geht am Ende ums Leben erhalten, darum, die Seele zu gewinnen. Es geht darum, Anteil zu haben an der Herrlichkeit Gottes.
Manches Ziel ist nur auf schwierigem Wege zu erreichen. Ich habe das Vertrauen, dass, wenn ich Jesus folge, das Beste von mir zum Vorschein kommt und dass ich kein Verlustgeschäft mache. „Sich verleugnen“ könnte heißen, dass wir im Moment einer Entscheidung Gottes Plan den Vorrang geben vor unseren eigenen Ideen. Es kann heißen, dass wir einmal zu uns „Nein“ sagen, um „Ja“ sagen zu können zu Seiner Vision von unserem Leben, von unserer Gemeinde und unserer Gesellschaft.
Den Satz „Lebe deinen Traum“ finde ich nicht nur abgedroschen, sondern auch falsch. In der Nachfolge von Jesus geht es nicht um unsere eigenen Träume, sondern um Gottes Träume. Ich bin überzeugt: sie zu leben, werden wir nicht bereuen. Lebe Gottes Traum – und du wirst Dich finden – und wir werden einander finden.
Leben entsteht in Beziehung, in Beziehung zwischen Menschen und in der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Solche Beziehungen leben vom Hinhören, vom Suchen nach dem Weg, ohne um sich selbst Angst zu haben; nur in der Sorge, dass Gottes Wirken vorkommt.
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigekeit, so wird euch das alles (was ihr bedürft) zufallen.“
Schluss
Jesus spricht in diesem Bibelabschnitt über seinen Leidensweg und über unseren Kreuzweg.
Jesus nachfolgen muss kein Leidensweg sein. Aber es kann sein, dass Schmerzvolles sich uns auf diesem Weg entgegenstellt. Danken wir Gott, wenn es auf dem Weg leicht und froh geht. Bitten wir um Kraft, wenn es mühsam wird. Schließen wir die in unser Gebet ein, die schwere Wege zu gehen haben. Und schätzen wir jede Begegnung und Beziehung, jedes Gespräch mit Gott und mit Menschen, das uns deutlich macht, dass wir miteinander unterwegs sind, Jesus folgend, unterwegs, um das Leben zu gewinnen.
Amen
Christoph Huss
Markus 8, 29
επιτιμαω – gegen jemand eifern, Vorwürfe machen, tadeln, mäkeln; andere Bedeutung: ahnden, strafen (so in alten Übersetzungen)
Dasselbe Wort wie oben bei Anm. 2.
οπισω μου. Es wäre vielleicht lohnend, diesen Text als Stellungsspiel nach zu vollziehen.
σαταν – Widersacher, Feind Gottes
Matthäus 6,33