Kehrt um!
06.06.2021 (1. Sonntag nach Trinitatis),
Jona 1-2
06.06.2021 (1. Sonntag nach Trinitatis),
Jona 1-2
Liebe Gemeinde,
heute machen wir eine Reise. Die Koffer sind gepackt, der Zug ist gebucht, es kann los gehen. Wohin soll denn die Reise gehen? Wir fahren über Stuttgart, Nürnberg, Bayreuth, Chemnitz, Dresden nach Löbau. Von dort aus geht es mit dem Bus Richtung Herrnhut. Ach ja, Herrnhut ist das Ziel – stimmts? Nein nicht ganz. Wir fahren in einen Ortsteil von Herrnhut,, der ganz in der Nähe ist und den viele hier vielleicht gar nicht kennen. Der Ortsteil liegt zwischen Herrnhut und Oberoderwitz und trägt den Namen Ninive. Ja, richtig – diesen Ort kennen wir aus einer biblischen Erzählung aus dem Alten Testament. Der Theologe Klaus-Peter Hertzsch hat ihn in einer wunderschön gereimten Form aufgeschrieben, und die hören wir jetzt:
Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive. Dann ließ er seine Blicke wandern langsam von einem Land zum andern, sah Wald, sah Meer, sah das, sah dies – sah einen Mann, der Jona hieß. „Los Jona“, sprach der Herr, „nun geh auf schnellstem Weg nach Ninive!
Sag ihr mein Wort! Sei mein Prophet, weil es dort leider übel steht. Da hilft nur eine kräftige Predigt, sonst ist die schöne Stadt erledigt!“
Doch Jona wurde blaß vor Schreck und sagte zu sich: „Nichts wie weg! Ich lösch mein Licht, verschließ mein Haus. Ich mach mich fort. Ich reiße aus.“
Den Blick nach Westen wandte er. Erst lief er nur. Dann rannte er. Am Feld entlang – am Wald entlang – er sah sich um. Es ward ihm bang. Der Staub flog hoch. Er keuchte sehr, als liefe einer hinter ihm her. Gott aber, der den Weg schon kannte, sah lächelnd zu, wie Jona rannte.
Am Ende kam der müde Mann am weiten blauen Meere an. Da roch die Luft nach Salz und Tang. Da fuhrn die Fischer aus zum Fang.
Matrosen sah man lachend schlendern, erzählen sich von fremden Ländern. Noch lag ihr Schiff an festen Tauen. Noch sangen die Matrosenfrauen.
Als Jona alles angestaunt, da war er wieder gut gelaunt. Er sagte zu dem Kapitän: „Wohin soll denn die Reise gehen?“
„Nach Tharsis geht es“, sagte der, „weit weg von hier, weit übers Meer“.
„Je weiter“, rief er, „desto besser!“ Hört zu: Ich bin kein starker Esser, ich nehme wenig Platz euch weg und zahle gut. Lasst mich an Deck!“ So zahlte er und ging an Bord. Und bald darauf, da fuhrn sie fort.
Das Meer war weit. Das grüne Land, es wurde kleiner und verschwand. „Ahoi!“ rief Jona. „Klar bei See! Ich gehe nicht nach Ninive!“
Dann langsam sank die Sonne unter. So stieg er in das Schiff hinunter. Und weil er nicht geschlafen hatte, legt‘ er sich in die Hängematte.
Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive und sah das Schiff, schon weit vom Hafen, und sah: Jetzt geht der Jona schlafen.
Auf einmal gab es einen Stoß. Das Schiff stand schief. Ein Sturm brach los. Die Wellen schwappten über Deck und spülten alle Bänke weg.
Das Ruder schlug und brach zuletzt. Das große Segel hing zerfetzt. Nun rollten Donner, zuckten Blitze. Der hohe Mast verlor die Spitze.
Das Schiff, es wurde hochgehoben und zeigte manchmal steil nach oben. Den armen Leuten auf dem Schiff war bange, als der Sturmwind pfiff.
Sie liefen ängstlich hin und her. Ihr Boot schien ihnen viel zu schwer. Sie nahmen alles, was sie hatten: den Anker und die Hängematten, den Kompaß und das Wetterhaus, und warfen es zum Schiff hinaus. Dann wollten sie in ihren Nötenein Lied anstimmen oder beten.
So riefen sie – weil sie nicht wußten, zu wem sie wirklich beten mußten; denn Gott war ihnen unbekannt: „Hilf, wer das kann, hilf uns an Land!“
Zu Jona lief der Kapitän und bat ihn, endlich aufzustehn. „Auf! Auf!“ befahl er dem Propheten,“wenn du es kannst, dann hilf uns beten!“
Inzwischen sagten die Matrosen, sie wollten miteinander losen. Wer nur das schwarze Los bekäm, der wäre schuld an alledem.
Und Jona zog das schwarze Los. Und jeder sprach: „Wer ist das bloß?“ „Ich bin“, sprach Jona, „ein Hebräer.Ich flieh – und doch kommt Gott mir näher.
Ja Gott, dem bin ich wohlbekannt. Hat mich nach Ninive gesandt. Da bin ich vor ihm ausgerissen und werd nun wohl ertrinken müssen“.
Zuerst versuchten die Matrosen es noch mit Rudern und mit Stoßen. Doch als es gar nicht anders ging und schon das Schiff zu sinken anfing, da nahmen sie den Jona her und warfen ihn hinaus ins Meer. Sie sahn ihm nach, wie er verschwand, und riefen:“Gott, bring uns an Land!“
Und siehe da – die Winde schwiegen, die Wolke schwand, die Sterne stiegen. Es wurde still all überm Meer. Das Schiff zog ruhig wie vorher.
Und sie erholten sich allmählich, sie lobten Gott und wurden fröhlich. Bald sahn sie auch ein Land von weitemund kamen dort zu guten Leuten.
Der arme Jona schwamm inzwischen im Meer herum mit lauter Fischen. Es war nicht Schiff noch Insel da, nur blaues Meer, soweit man sah,
Er war zum Glück kein schlechter Schwimmer; doch bis nach Hause – nie und nimmer! Da plötzlich teilten sich die Wogen. Es kam ein großer Fisch gezogen.
Dem hatte Gott der Herr befohlen, den nassen Jona heimzuholen. Sein Maul war groß wie eine Tür. Das sperrt‘ er auf und sagte: „Hier!“
Er saugte den Propheten ein. Der rutschte in den Bauch hinein. Dort saß er, glitschig, aber froh: denn nass war er ja sowieso.
Da hat er in des Bauches Nacht ein schönes Lied sich ausgedacht. Das sang er laut und sang er gern. Er lobte damit Gott den Herrn.
Der Fischbauch war wie ein Gewölbe: das Echo sang noch mal dasselbe. Die Stimme schwang, das Echo klang, der ganze Fisch war voll Gesang.
„Ich rief zum Herrn in meiner Not, und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. All deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen. Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben,
die Tiefe umringte mich, Seetang umschlang mein Haupt.
Ich sank hinunter zu den Gründen der Berge,
der Erde Riegel schlossen sich hinter mir.
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben errettet.“
„Am dritten Tag im Abendlicht, da kam das grüne Land in Sicht. Der Fisch, der würgte sehr und spuckte, bis Jona aus dem Munde guckte.
Nun sprang der Jona auf den Strand und winkte, bis der Fisch verschwand. Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive, sah auch den guten Fisch und sah: Jetzt ist der Jona wieder da.“
K.P. Hertzsch; Der ganze Fisch ist voll Gesang
Gott beauftragt Jona. Er hat das Treiben in Ninive beobachtet und schickt ihn, Jona, um den Menschen von Ninive zu sagen: So geht das nicht weiter! Kehrt um! Nun könnte Ninive ein Ort auch in unseren Tagen sein. Und Gott ruft zu uns: Meine lieben Menschen, in was für einer Welt lebt ihr? Ihr habt euch von mir entfernt. Schaut euch um, was um euch passiert! Millionen Flüchtlinge sind auf dem Weg über das Mittelmeer in einen sicheren Hafen. Sie haben alles hinter sich gelassen, um ein Leben ohne Hunger, Angst und Krieg zu führen. Er ruft uns auch zu: Was habt ihr mit der Erde gemacht, die ich euch anvertraut habe? Durch euren Lebensstil habt ihr die Natur so ausgereizt, dass die Wälder sterben, die Luft sich so verschlechtert hat und Tierarten bedroht sind, weil ihnen der Lebensraum fehlt. Ihr Menschen auf meiner Erde. So geht das nicht weiter! Kehrt um! Die Ansage des Jona traf die Menschen damals mitten ins Herz. Sie verstanden den Ernst der Lage und hüllten sich in Trauerkleider und fasteten. Sie waren fest entschlossen, so nicht mehr weiter zu leben. Kehrt um! Dieser Ruf gilt auch uns heute. Es ist erschreckend, wenn wir hören, dass wir mit unserem Lebensstil locker drei Erden benötigen und nicht nur die eine, auf der wir leben. Die Zinzendorfschulen haben im vorletzten Jahr ein Projekt auf dem Schulhof durchgeführt, bei dem es um ihren ökologischen Fußabdruck ging. Und wir ahnen, dass auch unser ökologische Fußabdruck deutlich größer ist, als die eine Erde es verkraftet. Es gibt den world earth day, der uns jedes Jahr vor Augen hält, dass wir sorgsamer mit den Ressourcen unserer Erde umgehen müssen. Und dabei sind es nur wenige, die viel verbrauchen und viele, die zu wenig haben. Das erschreckt uns, wir sollen aber dabei nicht stehen bleiben. Unser Handeln ist gefragt. Ein Schritt wäre nur das zu kaufen, was wir dringend brauchen, damit wir am Ende nichts wegwerfen müssen. Und es gibt viele weitere Dinge, die wir tun können. Hier in Königsfeld gibt es das Foodsharing, eine Initiative hier in Königsfeld und an anderen Orten, die Lebensmittel annimmt und verteilt und ein weiteres Beispiel sind die Mitfahrbänke, die dafür gedacht sind, dass Autoplätze nicht frei bleiben müssen. Gut, das ist in den Zeiten der Pandemie nicht gut nutzbar, aber jedesmal, wenn ich an einer blauen Bank vorbeifahre, werde ich daran erinnert, nach der Pandemie diese Gelegenheit zu nutzen und Menschen mit zu nehmen. Schon das Sehen von Möglichkeiten, wie ich meinen Lebensstil ändern kann, ist ein erster Schritt.
Doch Ninive erinnert uns auch noch an etwas anderes. Wir sollen unseren Blick nicht nur auf ökologische und materielle Dinge richten. Wir sollen unseren Blick zu Gott erheben, der uns unser Leben und all die Möglichkeiten geschenkt hat, die wir nutzen können. Doch wie sieht es in unserem Land aus? Vor einigen Monaten traten in Köln so viele Menschen aus der Kath. Kirche aus, dass die Server völlig überlastet waren und zusammenbrachen. Nicht nur dort ist das so, auch in unserer Kirche treten Menschen aus. In den Zeitungen wurde über Austritte berichtet. Eine freiwillige Austrittswelle hat das Land erfasst, wie man es sich noch vor Jahrzehnten nicht hätte vorstellen können. Über allem ragt die schwere Wolke der Gottesvergessenheit. Umso mehr sind wir aufgerufen, Zeugnis abzulegen für Jesus Christus – eben wie es Paulus seinem Freund Timotheus sagt: „Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit“. Gott braucht dazu jeden und jede von uns. Wir sind gemeinsam auf dieser Erde unterwegs und tragen füreinander und miteinander Verantwortung.
Kehrt um! Dieser Ruf gilt nicht nur Jona und den Menschen von Ninive. Er gilt heute auch für uns. Und so brauchen wir nicht nach Ninive zu reisen, denn Ninive ist überall. Lassen wir Gottes Wort in unser Herz hinein und lassen wir uns mit seiner Liebe füllen und führen. Er selbst will uns begleiten und ans Ziel führen. Im Psalm 139 lesen wir in den Versen 9 und 10
Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Danke
Amen
Gabriele v. Dressler