Jesus ist da!
Predigt 8. November 2020
(Drittl. S. / Ältestenfest)
1. Tess 5, 1-6
Predigt 8. November 2020
(Drittl. S. / Ältestenfest)
1. Tess 5, 1-6
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt Tage, das wird alles anders. Da wird das, was man geplant und bedacht hat, bedeutungslos. Da passiert etwas und nichts ist wie zuvor.
Nun haben wir wahrscheinlich ganz unterschiedliche Tage im Kopf.
Die einen ein persönlich einschneidenden Tag, die Begegnung mit einem ganz wichtigen Menschen, oder ein plötzliches Unglück. Andere mögen an die Veränderungen durch die Pandemie denken. Und wieder andere an die Chance, dass andere führende Person in der Weltpolitik auch einen anderen Ton sich bringen könnten.
Ich weiß nicht, ob jemand an jenen Tag am 16. September 1741 dachte, an dem die Brüdergemeine Jesus Christus als Generalältesten wiederentdeckte? Die wenigsten werden an jenen Tag in der Zukunft gedacht haben, den Juden und Christen als den „Tag des Herrn“ erwarten.
Von ihm spricht der heutige Predigttext und wir werden sehen, ob all diesen besonderen Tagen etwas gemeinsam ist. Der Abschnitt ist dem ersten Tessalonicherbrief entnommen. Zuvor hat Paulus über die Auferstehung der Toten und die Wiederkunft des Herrn geschrieben.
Textlesung (Basis-Bibel)
1 Nun zu der Frage nach den Zeiten und Fristen, wann das geschieht:
Brüder und Schwestern,
eigentlich brauche ich euch dazu nichts zu schreiben.
2 Denn ihr wisst selbst ganz genau:
Der Tag des Herrn kommt unerwartet
wie ein Dieb in der Nacht.
3 Gerade sagen die Leute noch:
„Wir leben in Frieden und Sicherheit!“
Da wird das Verderben ganz plötzlich
über sie hereinbrechen –
so wie bei einer schwangeren Frau
plötzlich die Wehen einsetzen.
Dann gibt es kein Entkommen.
4 Brüder und Schwestern!
Ihr lebt nicht im Dunkel.
Deshalb wird der Tag des Herrn
euch nicht überraschen wie ein Dieb.
5 Denn ihr seid alle Kinder des Lichts
und Kinder des Tages.
Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht
oder der Dunkelheit.
6 Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen.
Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!
1: Der Tag des Herrn:
Die ersten Christen, zu denen auch die Leute gehören, an die Paulus diesen Brief schreibt, waren sich ganz sicher: bald kommt der Tag, vom dem schon im Alten Testament immer wieder die Rede ist, der Tag, an dem Gott sichtbar in die Geschichte eingreift, der Tag des Herrn. Alles Bestehende wird vergehen und eine neue Welt anbrechen, die ganz von der Gegenwart Gottes erfüllt ist.
Eine Vielfalt von Bildern verbindet sich mit diesem Tag: kosmische Katastrophen, das Gericht über die Welt, Rettung auf die eine oder andere Weise, Jesus kommt noch einmal und alles wird neu.
Den einen von uns ist dieser Gedanke an ein alles veränderndes Eingreifen Gottes vertraut. Anderen ist er fremd geworden im Laufe vieler Jahre, in denen alle Vorhersagen eines Endes der Welt nicht eintrafen.
Für sie ist viel schlüssiger, davon aus zu gehen, dass ein Tag auf den anderen folgt, ohne dass Gott eingreift. Wie verlässlich aber ist unser Denken und Planen? Wie verlässlich ist es, das Morgen als Verlängerung des Gestern zu sehen?
Zeigen uns nicht die persönlichen schlechten und guten Überraschungen, dass es morgen ganz anders sein kann? Wir wissen nicht, was wann passiert. Wir wissen auch nicht, wann und in welcher Weise Gott alles anders macht.
Das passiert so unerwartet wie nachts ein Dieb ins Haus steigt, sagt Paulus. Das Bild braucht auch Jesus selbst. So unerwartet kommt der Tag des Herrn.
Und nun das Entscheidende: Wir brauchen uns davor nicht zu fürchten. Denn wir rechnen mit Gott. Wie leben von ihm her und auf ihn hin. Wir sind keine Ahnungslosen.
Paulus schreibt: Denn ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages.
Und die brauchen sich vor dem Licht nicht zu fürchten. Seid aufmerksam, wach auf Gott hin.
Rechnet mit ihm.
Denn unser Leben besteht einerseits aus dem Gleichmaß der Tage, aus dem, was wir uns vornehmen,
und andererseits aus dem, was wir überhaupt nicht geplant haben.
Dies müssen wir wissen. Damit müssen wir rechnen. Damit dürfen wir rechnen.
Paulus ermutigt die Gemeinde zu einer offenen Haltung gegenüber dem, was ihnen geschieht.
Rechnet im Schwierigen wie im Erfreulichen mit Gott.
2: Jesus Generalältester
Die Schwierigkeit, vor der die Brüdergemeine im Jahr 1741 stand, war die, dass sie ein Problem mit der Kirchenleitung hatte. Es fehlte jemand, der die ganze Gemeindearbeit der wachsenden Brüdergemeine zusammenhielt. Zinzendorf war ja immer sehr einfallsreich gewesen im Erfinden von Ämtern und Aufgaben. Aber jetzt war er am Ende seines Lateins.
Der sogenannte „Generalälteste“ Leonhard Dober, der zuständig war für die innere Einheit der Brüdergemeine, der Friedensstifter und Begleiter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, fühlte sich überfordert. Er war fest entschlossen sein Amt niederlegen.
Dazu kam, dass Zinzendorf selbst, bei dem viele Fäden zusammenliefen, dabei war, zu einer mehrjährigen Reise nach Übersee aufzubrechen.
Wie sie nun zusammen waren – in London war im September 1741 – und nicht wussten wer die Brüdergemeine leiten sollte, wurde ihnen durch Gebet und durch Bibelworte deutlich: wir dürfen doch eigentlich, auch in den täglichen Fragen, mit Gott rechnen. Jesus ist doch auch heute noch unter uns.
Ihnen wurde klar: „Eigentlich ist doch Jesus Christus unser Generalältester“.
Sie haben ihre Stühle alle ein wenig nach hinten geschoben und noch einen leeren Stuhl dazwischen gestellt, damit sie das nicht vergessen.
Man hat dies noch eine ganze Weile in Sitzungen so gemacht. Sie wollten, dass alle Gemeinden der Brüdergemeine sich das noch einmal ganz klar machen. Also haben sie einen Brief aus London in die verschiedenen Länder geschrieben.
Alle sollten sich am 13. November 1741 noch einmal vor dem Herrn beugen und seinem Wort und seinem Geist allen Raum geben.
Dies ist es, woran die Brüdergemeine beim Ältestenfest denkt.
Daran, dass Jesus der leitende Älteste ist.
Jede und jeder kann das für sich nachvollziehen: wenn ich wieder einmal merke, dass ich mit meinem Planen und Machen festsitze, wenn ich völlig verdattert bin, weil Unvorhergesehenes passiert: schiebe Deinen Stuhl ein wenig zurück und lade Jesus ein, neben dir Platz zu nehmen.
Nimm Kontakt zu Jesus auf und rechne mit ihm, mit dem Wirken Gottes.
Wir dürfen wissen: es gibt Tage, das wird alles anders.
Da wird das, was man geplant und bedacht hat, bedeutungslos.
Da passiert etwas und nichts ist wie zuvor.
In dem allen müssen und dürfen wir mit Gott rechnen.
Jesus ist da.
A m e n
Christoph Huss
Foto: Huss