In welcher Zeit leben wir?
21.11.2021 (Ewigkeitssonntag)
Jes 65, 17-19. 23-25
21.11.2021 (Ewigkeitssonntag)
Jes 65, 17-19. 23-25
Gnade sei mit euch und Friede durch unseren Herrn Jesus Christus. Amen
In was für einer Zeit leben wir, liebe Schwestern und Brüder?
So mögen manche Menschen seufzen, wenn sie Nachrichten sehen oder die Zeitung aufschlagen. Begünstigt durch den Übergang von alter zu neuer Regierung hat die Pandemie eine Dynamik angenommen, die beängstigend ist. Unser Landkreis bildet einen Hotspot im Land und setzt ab Montag einen weitgehenden Lockdown für Ungeimpfte in Kraft. Auch bei der Klimaerwärmung ist schon viel zu viel Zeit ungenutzt ins Land gegangen. Und dann zündeln noch skrupellose Machthaber mal hier, mal da, und man weiß kaum sie zu stoppen. In was für einer Zeit leben wir? Auf was für eine Welt steuern wir zu?
Die Frage stellen sich alte und junge Menschen. Die Seufzer war vor 20 Jahren zu hören und vor 100 Jahre und vor 1000 Jahren und vor 2500 Jahren. So alt ist der Predigttext. Der Prophet versucht eine Antwort auf die Frage aus eine himmlischen Perspektive. In was für einer Zeit leben wir? Auf was für eine Welt steuern wir zu?
Jesaja 65, 17-19
So spricht der HERR:
17 Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude,
19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.
24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.
1. Jesaja
Männer Gottes und Frauen Gottes haben immer wieder versucht, die Seufzer ihrer Zeit zu hören und die Frage, in was für einer Zeit sie leben, zu beantworten. Auch die Jesajas. Ja, die Jesajas, Sie haben richtig gehört. Denn es ist nicht nur einer. Es sind drei Propheten, deren Stimme wir in dem Buch hören. Der erste tritt auf im 8. Jahrhundert vor Christus, der zweite während des Exils im 6. Jahrhundert und der dritte nach der Heimkehr aus dem Exil. Jeder weiß sich gerufen, in seiner Zeit die Botschaft Gottes zu sagen: „Der Ewige hat euch nicht vergessen, es gibt eine Zukunft.“
Unser Abschnitt steht beim dritten Jesaja. Diese Generation war aus der Verbannung in Babylon nach Jerusalem zurückgekehrt. Sie hatte noch die großen Verheißungen des zweiten Jesaja im Ohr.
In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden.
Sie waren wirklich wieder in Jerusalem, aber so echt „herrlich“ war es nicht geworden. Die Anfänge waren bescheiden, die Nachbarn machten sie lustig über die mickrigen Bauwerke, die entstanden.
Der dritte Jesaja sieht die Not der Menschen. Er kennt die Worte der Jesajas vor ihm Und er weiß: Gott lässt uns nicht im Stich. So greift er die Worte seiner Namensvettern auf, aktualisiert sie im Hören auf Gott. So klingt nicht nur ein Seufzen durch die Jahrhunderte, sondern auch eine Hoffnungsbotschaft, ausgesprochen von Menschen, die Gottes Reden hören und sein Handeln spüren.
2. Die Hoffnung bleibt wach
Auch das letzte Kapitel der Bibel, die Offenbarung, nimmt die Verheißungen der Jesajas auf. Was Johannes auf seiner Patmos-Insel von Gott hört, macht deutlich, dass der neue Himmel und die neue Erde nicht eine Renovation des Alten sein wird, sondern etwas ganz Neues (Offenb. 21). Die Welt, in der wir leben, ist nicht die Welt, die Gott schaffen wird. Natürlich arbeiten wir mit daran, dass diese Welt, wie wir sie kennen, erträglich bleibt und nicht zerstört wird. Aber das Neue wird gänzlich anders sein.
Vielleicht umgibt es uns längst in einer Weise, die wir nicht wahrnehmen können. Eine alte Anekdote erzählt: Zwei Mönche, die gute Freunde waren, zerbrachen sich oft ihre Köpfe über das Leben nach dem Tode. Schließlich machten sie aus, wer zuerst sterbe, solle dem anderen erscheinen und ihm Bericht über die Ewigkeit geben. So geschah es schließlich auch. „Qualiter“ (wie ist es) fragte der Überlebende. „Totaliter aliter“ (ganz anders) lautete der kurze Bescheid.
Die Beschreibung von Gottes neuer Welt muss so immer unvollkommen sein. Uns fehlen die Worte. Es gibt nur Bilder. Bildern von Fülle und Freiheit, von Friede und Gemeinschaft, von Licht und Wärme. Die Menschen werden neu sein und doch sie selbst, und Gott ganz nah, aber ohne Erschrecken. Es wird alles gut sein.
3. In welche Zeit wir leben
In was für eine Zeit leben wir? Wir leben in einer Zwischenzeit. Gott neue Welt wird kommen. Und: sie hat schon angefangen. In Jesus. Gott hat ihn auf die Erde gesandt, um in ihm und denen, die ihm folgen, das Neue schon zu beginnen. Dies sehen wir bei Jesus. Der Tod wird überwunden, Tote werden auferweckt. Er beginnt eine neue Lebensart: Feinde lieben, bitten für die Verfolger. Gott und Mensch rücken näher zusammen; Menschen lernen, ihm als Vater zu vertrauen.
Das Neue, das in Christus angefangen hat, setzt sich in uns fort, wie Paulus in schreibt (2. Kor 5, 17): Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
So stehen wir zwischen dem Alten und dem Neuen. Das ist die Zeit, in der wir leben: Ein „Zwischendrin“. In der alten Welt und zugleich Teil der neuen. Manchmal spüren wir unter uns tatsächlich ein wenig Himmel auf Erden. Und dann wieder wird dieser Eindruck begraben unter einem Haufen von Misstrauen, Argwohn und Unverstand. Dann ist man geneigt, die Vision von Gottes neuer Schöpfung für eine grandiose Täuschung zu halten, die man wohl vergessen kann.
Aber vergessen ist keine Option, liebe Schwestern und Brüder. Es ist unsere Aufgabe, die Hoffnung und den Glauben festzuhalten, sich immer wieder neu an Gottes Verheißungen aufzurichten. Und wenn es ein Rudern gegen den Strom ist. So wie es die Propheten immer und immer wieder getan haben, Generation für Generation.
Es ist anstrengend, beides festzuhalten. Aber das ist genau unser Ort zwischen dem Alten und dem Neuen. Wir könnten sagen: vergiss die Welt um dich herum, zieh dich zurück in Innerlichkeit. Oder umgekehrt: vergiss die Hoffnung auf etwas Besseres. Die Welt ist wie sie ist, da ändert sich nichts. Wir sollen aber beides festhalten. Wir leben inmitten dieser alten Welt mit ihren ganzen Problemen, aber in uns, in unserem Denken und Handeln lebt die Hoffnung auf Gottes neue Schöpfung, Genau dafür hat Gott uns seinen Geist gegeben. Wir sind ein Vorposten des Neuen im Alten. Wir spüren die Spannung, die Sehnsucht, spüren unsere Begrenztheit und Unsicherheit. Sie gehört zu uns. Wir sind Wartende. Wir brauchen Geduld und Ungeduld zugleich.
In was für einer Zeit leben wir? Auf was für eine Welt steuern wir zu? Wir leben in einer Zwischenzeit zwischen Gottes neuer Schöpfung, die schon in uns und unter uns ist, und der alten Welt, die uns oft beschwerlich wird. Wir halten die Spannung aus und freuen uns, wenn etwas sichtbar wird vom Neuen, selbst bei uns.
Amen
Christoph Huss