Im Licht der Liebe
25.10.2020 (20. Sonntag nach Trinitatis),
Markus 2, 23-28
25.10.2020 (20. Sonntag nach Trinitatis),
Markus 2, 23-28
Liebe Gemeinde,
unser Leben ist durch Gesetze, Ordnungen und Pläne geregelt. Für alle Bereiche unseres Lebens finden wir sie. Sind wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, dann gibt es die Bus- bzw. Fahrpläne der Bahn. Sie geben an, wann und wo eine Reise beginnt und wann sie endet. Daran kann man sich halten und orientieren – zumindest so ungefähr. Und es gibt die Beförderungsregeln. Diese regeln was, wer und wie etwas befördert wird. Für den Straßenverkehr gibt es die Straßenverkehrsordnung. Für unsere Sicherheit gibt es Gesetzbücher und für die Zeit von Corona gibt es die Verhaltensregel „AHA“ – Abstand, Hygiene und Alltagsmaske. Typisch deutsch könnte man meinen. Für alles und jedes gibt es Gesetze und alles bis ins Kleinste geregelt.
Auch in anderen Ländern gibt es Gesetze. Bei einem Besuch meiner Schwester Kathrin und ihrer Familie in Irland ist mir aufgefallen, dass dort die Regeln ganz anders funktionieren als bei uns. An Straßenbaustellen gibt es dort anstatt der Ampeln, wie wir sie kennen, Menschen, die mit einem Schild Stop und auf der anderen Seite Go ausgestattet sind. Sie funken sich an, wenn sie ihre Schilder drehen und der Verkehr auf der einen oder anderen Seite wieder fließen kann. Das passiert in völliger Ruhe.
Als wir mit einem Schiff auf eine kleine Insel fahren wollten, gab es Abfahrtszeiten– ja, aber sie waren nur „Richtzeiten“. Das Schiff sollte um 10 Uhr ablegen, als um 10.30 Uhr genug Menschen an Bord waren, fuhren wir dann auch los. Das war für mich ungewohnt, aber vom wirtschaftlichen Aspekt völlig logisch.
Aus der Bibel kennen wir auch die 10 Gebote, die Gott Mose und damit seinem Volk gegeben hat.
In unserem Predigttext heute geht es um einen Streit, wie Gebote befolgt werden sollen. Wir hören den Text aus Markus 2, 23-28
Und es begab sich, dass er (Jesus) am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.
Was ist hier los? Es gibt einen Streit zwischen den Pharisäern, die dafür bekannt sind, dass sie sich ganz strikt und übergenau an die Gesetze halten und auf der anderen Seite Jesus und seine Jünger, die schlicht weg Hunger hatten und über das Gebot, am Sabbat keine Arbeit zu tun, hinweggehen. Und sofort sprechen die Pharisäer dieses Vergehen an.
Zum Sabbatgebot sagt Mose im 5.Kapitel in den Versen 12-14: „Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligest, wie der HERR, dein Gott geboten hat. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleich wie du.“
Für die Pharisäer ist das Ausraufen einzelner Ähren Erntearbeit. Und das ist am Sabbat verboten. Da kommen Jesus und seine Jünger und setzen sich über die geltenden Gesetze einfach hinweg. Das ist unerhört. Für die Pharisäer ist das Gesetz ein Geschenk von Gott an sein auserwähltes Volk. Und das Einhalten der Gebote ist ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber Gott.
Was hätten die Pharisäer heute für Probleme mit Menschen, die sich über Dinge hinwegsetzen. Wenn z. B. Menschen den frisch gemähten Rasen überqueren und sich darauf sogar niederlassen oder Fußball spielen. Das ist doch unerhört. Es gibt doch Wege aus Stein, die um die Rasenflächen herum führen. Warum denn dann kreuz und quer über die Wiesen laufen. Dazu sind doch Wege da, dass sie genutzt werden und Wiesen, dass auf ihnen Blumen blühen. Diese Regel steht zwar nicht in Stein gemeißelt oder auf einem Schild, aber das versteht sich doch von selbst.
Und da kommen plötzlich Menschen von außerhalb und ignorieren diese Regel einfach so. Das geht doch nicht. Da muss bitte schnell eine Kommission her, die Regeln schafft und am besten auch sichtbar aufhängt.
Jesus und seine Jünger setzen sich über die strikte Einhaltung des Gebotes hinweg. Er will etwas ganz anderes damit ausdrücken. Das Gesetz regelt das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Wo das Zusammenleben funktioniert, braucht es nicht die unbedingte und starre Einhaltung.
Denn was würden wir machen, wenn auf der Wiese ein Kind beim Fußballspiel verletzt wird und wir es sehen? Gehen wir hin und sagen ihm, dass es eigentlich gar nicht erlaubt ist, hier zu spielen und machen ihm Vorhaltungen? Oder tun wir im Vorbeigehen so, dass wir nichts gesehen haben und nehmen etwas mehr Schwung im Vorbeigehen? Oder aber laufen wir zu ihm hin, fragen, ob es sich weh getan hat und helfen ihm? Alles ist möglich und sicher ist alles auch schon bei uns so vorgekommen.
Wir sollen uns fragen, worauf es bei den Gesetzen ankommt. Es geht um ein gutes Miteinander und im Markusevangelium um das Miteinander von Mensch und Gott.
Gott hat uns einen Sabbat, einen Ruhetag geschenkt. Er möchte, dass wir uns ausruhen und erholen von den vielen Dingen, die wir in der Woche in unserem Kopf, in den Händen und Beinen bewegen. Wir brauchen Ruhe. Wir brauchen es, uns mal auf einer schönen Wiese niederzulassen und den Blick nach oben zu wenden. Wir brauchen Kontakt zu Gott, der uns geschaffen hat. Und diesen Kontakt können wir immer wieder suchen, auch heute und hier.
Jesus sieht das Gebot des Ausruhens im Licht der Liebe. Im Licht der Liebe sollen wir alle Gebote und Vorschriften sehen. Gottes Gebote sind gut und gelten auch für uns. Wir sollen aber auch immer prüfen, bei allem, was wir tun, wie wir es tun und aus welchem Geist wir es tun. Denn das ist entscheidend.
Und so heißt es im Markusevangelium: Denn der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.
Gabriele von Dressler