Gott sagt: komm erst mal rein.
22.05.2022 (Rogate),
Lk 11, 5-13
22.05.2022 (Rogate),
Lk 11, 5-13
5 Dann sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Stellt euch vor: Einer von euch hat einen Freund. Mitten in der Nacht geht er zu ihm und sagt: ›Mein Freund, leih mir doch drei Brote!
6 Ein Freund hat auf seiner Reise bei mir haltgemacht. Ich habe nichts im Haus, was ich ihm anbieten kann.‹
7 Aber von drinnen kommt die Antwort: ›Lass mich in Ruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder liegen bei mir im Bett. Ich kann jetzt nicht aufstehen und dir etwas geben.‹
8 Das sage ich euch: Schließlich wird er doch aufstehen und ihm geben, was er braucht –wenn schon nicht aus Freundschaft, dann doch wegen seiner Unverschämtheit.
9 Ich sage euch: Bittet und es wird euch gegeben! Sucht und ihr werdet finden! Klopft an und es wird euch aufgemacht!
10 Denn wer bittet, der bekommt. Und wer sucht, der findet. Und wer anklopft, dem wird aufgemacht.
11 Welcher Vater unter euch gibt seinem Kind eine Schlange, wenn es um einen Fisch bittet?
12 Oder einen Skorpion, wenn es um ein Ei bittet?
13 Ihr Menschen seid böse. Trotzdem wisst ihr, was euren Kindern guttut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.«
1. Einer bittet
Eine Geschichte aus einen kleinen Dorf in Palästina. Es gibt keine Läden. Das Brot backt man am Morgen, die Ration für einen Tag; es hält nicht so lange in der Hitze.
Wenn abends noch ein Besucher kommt, der die Abendkühle zum Wandern benutzt hat, kann es schon sein, dass nichts mehr übrig ist. Die Gastfreundschaft aber gebietet es, ihn nicht hungrig ins Bett gehen zu lassen. Also geht man zum Nachbarn. Der hat vielleicht noch was. In Königsfeld würde man das nicht machen. In Neugnadenfeld vielleicht schon eher. In einem orientalischen Dorf auf jeden Fall.
Aber es ist spät, die Familie schläft schon in dem einen großen Raum, der Balken vor der Tür ist schon durch die eisernen Ringe geschoben. „Ich kann jetzt nicht aufstehen, ich weck sonst alle.“
Jesus erzählt diese Geschichte. Könnt ihr Euch das vorstellen, fragt er seine Zuhörer. Nein, sagen die Leute. Wir sind hier auf dem Dorf, da hilft man sich. Auch wenn es schon spät ist. Klar, ist so eine späte Störung ist lästig. Aber was soll‘s, man kennt sich. Den bittenden Freund im Regen stehen lassen, nein, das gehört sich nicht.
Seht ihr, sagt Jesus, Freunde lassen sich nicht hängen. Gott ist für Euch wie ein Freund. So habt ihr ihn durch mich kennengelernt. Es wird euch nicht im Regen stehen lassen, nicht, weil er euer Freund ist, und auch nicht, weil ihr ihn dringlich bittet. Also, was zögert ihr! Bittet und es wird euch gegeben! Sucht und ihr werdet finden! Klopft an und es wird euch aufgemacht!
2. Bitten wir?
Zögern wir? Bitten wir gerne um Hilfe?
Als wir über diesen Bibeltext letzte Woche bei „Glaube im Gespräch online“ sprachen, meinte einer: Wir Menschen unserer Zeit bitten überhaupt nicht gerne. Lieber wollen wir Sachen selbst können und selbst machen. Oder man bezahlt eine Dienstleistung. Wir leben in einer Servicegesellschaft. Aber bitten und damit in der Schuld eines anderen stehen, das kostet Überwindung. Wir brauchen niemand, und wenn, dann sagen wir nichts.
Das ist eigentlich schade. Denn erstens brauchen wir halt doch mal jemand. Und zweitens: Menschen helfen meistens gerne.
Und wie ist das mit dem Bitten bei Gott? Jesus sagt, wir können mit Gott reden wie mit einem Freund. Es braucht also keine bestimmten Worte. Natürlich kann man auch mit Psalmen und vorformulierten Gebeten beten. Man kann Gott aber auch ganz einfach ansprechen. Hallo Gott, das bin ich, so kann man anfangen.
Vielleicht hilft es auch, sich klar zu machen, dass Gott uns kennt. Er weiß, was uns drückt, er weiß, was wir brauchen. Jesus sagt in Mt. 6, 8: Euer Vater im Himmel weiß, was ihr nötig habt, bevor ihr ihn bittet. Vielleicht fragt jemand, wozu soll ich dann überhaupt beten, wenn Gott es doch schon weiß? Ich denke, dass Gott schon Bescheid weiß, macht das Bitten leichter. Wir brauchen ihm nicht alles haarklein erklären. Wir können sagen: Gott, du weißt ja …
Wie ein guter Freund durchschaut Gott sogar Dinge, die uns noch gar nicht so klar sind. Um so mehr Sinn macht es, mit einem Freund zu reden. Um so mehr Sinn macht es, mit Gott zu reden. Guten Freunden erzählen wir manche Sachen immer wieder. Und sie hören immer wieder zu. Informieren brauchen wir Gott nicht, er weiß Bescheid. Trotzdem macht Beten Sinn. Bittet und es wird euch gegeben! Sucht und ihr werdet finden! Klopft an und es wird euch aufgemacht! Komm erst mal rein, sagt Gott. Er lässt uns nicht im Regen stehen. Ebensowenig wie ein guter Freund.
3. Er-hört
Jesus hängt noch die Geschichte mit der Schlange und Fisch an.
11 Welcher Vater unter euch gibt seinem Kind eine Schlange, wenn es um einen Fisch bittet?
12 Oder einen Skorpion, wenn es um ein Ei bittet?
13 Ihr Menschen seid böse. Trotzdem wisst ihr, was euren Kindern guttut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.«
Also: Wenn schon Eltern ihren Kindern nichts Giftiges geben, umso weniger Gott. Bekommen Kinder von ihren Eltern immer genau das, worum sie bitten? Nein, natürlich nicht. Vielleicht gibt der Vater dem Sohn, der um einen Fisch bittet, ein Brot stattdessen. Vielleicht gibt die Mutter dem Kind, das Gummibärchen möchte, stattdessen ein Stück Banane und sagt: Hab noch ein bisschen Geduld, es gibt gleich etwas Richtiges. Nicht jeder Wunsch wird punktgenau erfüllt, aber Eltern werden ihren Kindern niemals etwas Giftiges geben.
So auch bei Gott. Vielleicht gibt er etwas Anderes, als wir erbeten haben. Vielleicht sagt er auch, wie sollen uns noch ein wenig gedulden. Vielleicht gibt es uns auch war Richtiges zu beißen Obwohl wir um leichte Kost gebeten haben. Vielleicht gibt uns sogar etwas Bitteres, wo wir Süßes erbeten haben, aber niemals gibt er uns etwas Giftiges. Von dem Freund in dem ersten Gleichnis hieß es: Er wird ihm geben, was er braucht.
So ist es auch bei Gott. Er weiß, was wir brauchen. Es ist vielleicht gut, dass er nicht auf alle unsere Wünsche und Vorstellungen eingeht. Wer weiß, wie oft wir Dummes bitten.
Natürlich beantwortet diese Einsicht nicht alle Fragen, Jesus Erklärung will nicht allen Schmerz und alle Fragen vom Tisch wischen. Es gibt oft keine einfachen Antworten. Warum stirbt ein Mensch an einer Krankheit, obwohl man um Besserung gebeten hat? Warum enden nicht Krieg und Hunger? Jesus Antworten auf die Frage der Jünger nach einer Hilfestellung zum Gebet soll uns Dinge klarmachen. Als schnelle Antwort für Menschen in Not sind sie, wie viele fromme Einsichten, nur bedingt geeignet.
In dem Bücherschrank meiner Eltern stand ein Buch, dessen Titel sich mir eingeprägt hat. „Um Füße bat ich – und er gab mir Flügel“ In dem Buch schildert Dorothy Wilson das Schicksal der Inderin Mary Verghese. Die junge Ärztin wird kurz nach ihrem Examen bei einem Autounfall so schwer verletzt, dass sie querschnittsgelähmt bleibt. Sie geht durch tiefe Verzweiflung und viele Anfechtungen, bis es ihr nach einigen Operationen und unermüdlichem Training wieder möglich wird, ihren Beruf als Spezialchirurgin auszuüben. Schon bald wird sie zu einer Expertin und beginnt, Menschen zu helfen, die ein ähnliches Schicksal wie sie haben. „Um Füße bat ich – und er gab mir Flügel“
Gott tut uns über Bitten und Verstehn, heißt es in Epheser 3. Vielleicht haben wir nur um eine bestimmte Sache oder um eine konkrete Antwort gebeten. Er aber gibt uns seine Gemeinschaft, er gibt uns seinen Geist, wie es im Vers 13 etwas überraschend heißt. So kann mich das Gebet um eine konkrete Sache möglicherweise wegführen von dieser Sache, hin zu anderen Menschen. Beten kann auch heißen: weggeführt werden von uns selbst, frei werden von Fixierung.
Mitunter ist dies die Erhörung der Gebete, dass Gott uns selbst verwandelt. Wir meinten vielleicht, wir müssten im Gebet einen Sinneswandel bei Gott bewirken. Am Ende sind wir es, deren Perspektive sich verändert.
Wer betet, bleibt nicht, wer er oder sie ist, bleibt nicht, wo er ist, sondern kommt langsam Gott auf die Spur. Gott sagt: kommt erst mal rein. Bring deinen Gast mit. Stärk dich, erzähl, und dann schauen wir, was Du brauchst und ich erzähle dir, wofür ich Dich brauche.
Amen
Christoph Huss
Eigentlich ist das erste Gleichnis „angehängt“. Die Verse 9-13 finden sich auch bei Matthäus, stammen also aus Q, der Redenquelle. Vers 5-8 ist Sondergut des Lukas, wurde also vom ihm passend zu den folgenden Versen gestellt.