Gott ist mitten unter uns
06.01.2022 (Epiphanias)
Joh. 1, 14-18
06.01.2022 (Epiphanias)
Joh. 1, 14-18
Liebe Gemeinde,
die Zeitungen wollen uns weismachen, dass Weihnachten schon vorbei ist. Die Christbäume wurden von Jugendlichen in den Nachbarorten schon abgeholt. Die Weihnachtsdekoration kommt wieder zurück in die Kartons und auf den Speicher. Wirklich jetzt schon? Wir haben doch heute ein Festtag, der noch zu Weihnachten gehört und die folgenden Wochen bis zu Maria Lichtmess.
Was feiern wir heute? Epiphanias oder Dreikönigstag – was bedeutet das? Der Herr erscheint – Erscheinungsfest. Der Text für heute steht in Johannes 1, 14-18
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 15 Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.
Menschen haben sich damals auf den Weg gemacht, weil sie einem Stern gefolgt sind. Weise Menschen waren das, die in ihren Büchern genau studiert und das große Licht am Himmel entdeckt haben. Sie sind nun angekommen in Bethlehem und haben Jesus mit Maria und Josef gefunden. Und sie haben kostbare Geschenke dabei – Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Das kostbarste Geschenk aber hat ihnen Gott selbst gemacht in seiner Menschwerdung. Der unsichtbare Gott hat in dieser Welt ein Gesicht – ja eine Gestalt bekommen. Mitten in unsere Dunkelheit strahlt das Licht des Lebens auf. In unsere Finsternis kommt ein heller Schein. Und wir in der Finsternis? Wir haben es nicht ergriffen – wir wollen oder können es nicht sehen. Zu sehr sind wir gefangen in dem, was uns direkt vor Augen ist. Die Pandemie lähmt unsere Gedanken und schafft Entzweiung und Fronten. Der jetzt schon gut gefüllte Terminkalender will alle Ruhe, die wir in den letzten Tagen hatten, zunichte machen.
Doch halt! Heute ist Epiphanias – das Fest der Erscheinung. Gott wird Mensch und kommt zu uns. Er tritt in eine lebendige Beziehung zu uns. Und das verändert uns.
Beziehungen sind gerade in dieser Zeit nicht einfach zu leben. Bei einem Besuch eines Geburtstagskindes habe ich es gehört. Die Freude über den besonderen Tag war getrübt, weil nicht viele zum Feiern kommen konnten. Noch immer ist die Pandemie da und durchkreuzt unsere Pläne. Dabei sind wir Menschen doch auf Gemeinschaft hin angelegt. Wir brauchen einander, wir brauchen den Austausch und auch ein anerkennendes Zeichen – ein Schulterklopfen, ein Lächeln, eine Umarmung. Und wie dankbar sind wir, dass wir uns hier im Kirchensaal begegnen können. Auf Abstand zwar aber doch spüren wir, dass wir zusammen sind.
Die Zeit, in der wir leben, ist nicht einfach. Und doch ist es erstaunlich, was sich Menschen einfallen lassen, damit Begegnung stattfinden kann. Da gibt es Einsätze des Bläserchors auf den Straßen und Plätzen vor den Heimen und Kliniken. Kindergartenkinder malen Bilder und lassen sie in einem Korb in die verschiedenen Stationen des Altenheimes hochziehen. Da gab es den Königsfelder Adventskalender auf dem Zinzendorfplatz und Päckchen für die Mitglieder im Bereich. Und eine Adventssingstunde der Zinzendorfschulen im Onlineformat. Und auch die Übertragungstechnik hier vom Kirchensaal in die Wohnungen wurde und wird weiterentwickelt.
Gott ist mitten unter uns und setzt uns Menschen in Bewegung. Wir kommen heraus aus den Mauern, die uns umgeben und dürfen als Lichtträgerinnen und -träger das Licht aus der Krippe weiterreichen in unsere Nachbarschaft, in unseren Ort, in unsere Beziehungen.
Es ist gut, dass wir die Krippe noch nicht weggeräumt haben. Das Gott zu uns kommt, Mensch wird, uns anspricht und verändert, das braucht Zeit, um es zu begreifen. In unserer Gesellschaft ist Schnelligkeit und Eile gefragt. Aber hier brauchen wir Zeit zum Hören und verstehen. Diese Zeit sollten wir uns nehmen und alles andere beiseiteschieben.
Gott ist da – mitten unter uns. Wenn wir die Einladung annehmen und noch einmal zur Krippe kommen, dann merken wir, dass Weihnachten weiterreicht als bis zum heutigen Tag. Jesus – Gottes Sohn wurde Mensch – das haben die Weisen damals begriffen und das dürfen wir auch heute feiern. In den Liedern zu Epiphanias schwingt diese unbegreifliche Freude mit. Wir haben einige davon gerade gesungen, z. B.: Auf Seele auf und säume nicht, es bricht das Licht herfür, der Wunderstern gibt dir Bericht, der Held sei vor der Tür. (Michael Müller) oder Immer werden wir‘ s erzählen, wie das Wunder einst geschehen und wie wir den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht. (Hermann Claudius)
Unsere Welt ist rational und kalt. Wenn wir uns vom Licht in der Krippe anstecken lassen, dann staunen wir, wie wir wieder einen Blick für Wunder und Licht in unserem Leben bekommen, was wir schon beinahe verlernt haben. Und anders als mit Staunen und Dankbarkeit können wir es nicht fassen. Lassen wir uns mit hineinnehmen in das Wunder der Heiligen Nacht. Lassen wir uns darauf ein, Gottes Liebe und sein Wirken in uns geschehen zu lassen. Nehmen wir uns die Zeit mit ihm zu reden und auf seine Worte zu hören.
Die Weisen damals waren überwältigt von dem Besuch in Bethlehem. Sie kamen mit ihren Geschenken, bekamen aber ein noch viel größeres Geschenk zurück. Anders als sie es sicher vermutet hatten, fanden sie Jesus – den Retter der Welt dort in einem Stall – arm und doch eingehüllt in Liebe. Jesus will auch uns überwältigen mit seinem Licht und seiner Liebe. Und davon dürfen und sollen wir weitererzählen. Und das tun wir mit dem nächsten Lied: Wisst ihr noch, wie es geschehen. 191, 1-6
Gabriele von Dressler