Liebe Gemeinde,
seien wir ehrlich: das ist keine schöne, es ist eigentlich eine ärgerliche Ge-schichte. Da werden die gelobt, die die ihnen anvertrauten Talente – das war schon sehr viel Geld! – verdoppeln. Wie sie das gemacht haben, wird uns nicht erzählt, auf wessen Kosten sie gewirtschaftet haben, bleibt unerwähnt. Da denke ich an die Großkonzerne, an manche Banken, die trotz aller Krisen und Kriege, trotz oder sogar wegen der Armut Vieler immer mehr verdienen. Wir schauen hilflos zu und müssen erleben, dass Gerechtigkeit oft auf der Strecke bleibt.
Aber bevor wir uns weiter ärgern und uns fragen, was das soll, müssen wir uns klarmachen, dass wir dieses Gleichnis nicht als eine für sich stehende Geschichte betrachten dürfen. Das war nicht die Absicht des Erzählers: Jesus will hier nicht die Gesetze des Großkapitals für gut heißen, sondern er will uns erklären, was geschieht, wenn das Himmelreich kommen wird. Oder anders gesagt: er will uns sagen, wie wir uns in Gottes Herrschaftsbereich verhalten sollen. Gleichnisse Jesu dürfen nie ein zu eins auf unsere Situation übertragen werden, sondern sie wollen uns mit einem oder zwei Punkten bei unserem Glauben helfen.
Wir stellen uns vor: die Christen und Christinnen, die diese Erzählung etwa 40 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung vorgelesen bekommen, gehören zu jungen Gemeinden, die durch die weltliche Macht unterdrückt werden und gefährdet sind. Wir sind inzwischen als Gemeinden und Kirchen fast 2000 Jahre weiter, aber gefährdet sind wir auch – nicht durch die Bedrohung einer politischen Macht, sondern durch Gleichgültigkeit Vieler dem Glauben gegenüber, durch manches Fehlverhalten der Kirche selbst und durch Resignation im Blick auf unsere immer weiter zurückgehenden Zahlen.
Euch Gefährdeten, sagt Jesus den damaligen Hörerinnen und Hörern des Gleichnisses und uns heute, sind aber Talente anvertraut, damit ihr nicht aufgebt und verzagt. Die Talente, die Gott uns gibt, haben nichts mit Geld zu tun, sondern es sind Glaube, Liebe und Hoffnung. Alle drei sind keine menschlichen Leistungen, mit denen wir prahlen können, sondern es sind uns von Gott anvertraute Gaben. Die sehen bei jedem und jeder wieder etwas anders aus, denn der Herr gibt „jedem/jeder nach seinen/ihren Fähigkeiten“.
Mit Glaube, Liebe und Hoffnung sollen wir so umgehen, dass sie sich mehren, dass sie Frucht bringen. „Treu“ sollen wir dabei sein, wie die beiden ersten Knechte. Das griechische Wort, das hier mit „treu“ übersetzt wird, heißt eigentlich: glaubt, habt Vertrauen. Der oder die ist „treu“, der Gott vertraut, und von diesem Vertrauen her lebt. Dann aber können die Gaben, die Gott uns schenkt, nicht verkümmern, im Gegenteil! Unser Glaube kann fester wer-den, unsere Hoffnung beständiger, und Gottes Liebe können wir mit Anderen teilen.