Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.
01.01.2021 (Neujahr)
Johannes 6, 37
01.01.2021 (Neujahr)
Johannes 6, 37
Liebe Gemeinde, Neujahr 2022, was geht uns dazu durch den Kopf? Was erwarten wir von dem neuen Jahr? Wenn wir etwas Zukünftiges einschätzen wollen, müssen wir es mit Zurückliegendem vergleichen. Aber wie 2021 wollen wir es auf keinen Fall. Und wir hoffen, auch nicht wie 2020. Das waren zu schlimme Erfahrungen. Dürfen wir hoffen, dass es irgendwann so wird, wie es 2019 war? Etwas einigermaßen Normales?
Wir haben ja einiges hinter uns. Wir fühlten uns genügend belastet und haben im letzten Sommer gerne angenommen, dass es nun wirklich besser wird. Und darin sind wir zur Genüge bestärkt worden. Wir wissen, welchen Schaden wir Kindern zufügen, denen wir versprechen, was nicht gehalten wird. Und wenn es um tiefe Emotionen geht, sind wir Erwachsenen auch empfindlich wie Kinder. Und dass statt der Überwindung der Schwierigkeiten eine neue Welle Wirklichkeit wurde mit allen möglichen Einschränkungen, das hat uns wirklich stark mitgenommen. Die täglichen Schreckensnachrichten, die düsteren Erwartungen haben uns mehr als verstört hinterlassen. Wie soll man damit zurechtkommen. Muss man da nicht depressiv werden?
Und das, wo die meisten von uns verschont geblieben sind. Wie muss es denen ergangen sein, die Krankheitsanzeichen gespürt haben oder die gar in die Klinik mussten mit Angst vor schwerster Erkrankung und ohne die Nähe von Freunden und Verwandten? Aber wir müssen noch weiter fragen. Ist denn unser Glaube nicht die Macht, die die Welt überwunden hat? Ist es denn nicht so, dass wir nie wirklich allein gelassen sein können, weil Er immer bei uns ist? Ist Christus denn nicht unsere Zuversicht in jeder Lebenslage? Und haben wir nicht das Leben, um das wir nicht fürchten müssen, eine Zuversicht, die auch schwere Lagen überstehen kann? Und macht nicht das den Unterschied, dass uns ein Leben geschenkt ist, das nicht mehr von uns genommen werden soll? Ja, das ist es, was unser Anderssein kennzeichnet. Wir sollen es nie vergessen, dass Jesus bei uns bleiben will, dass er uns auch für solche Zeiten Stärke geben will. (Kantorin stimmt an und die Gemeinde singt mit (EG 644): Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir. Wenn uns das Lied begleitet, kann es uns als hilfreiche Erinnerung dienen.
Nun ja, es hat uns vielleicht sogar zusätzlich verunsichert, dass wir zeitweise nicht mehr zur Kirche durften oder nicht mehr mitsingen durften. Aber womöglich haben wir im Internet auch manche neue Impulse bekommen. Haben wir etwa mit einem Gott gerechnet, der uns alles so schenkt, wie wir es gedacht hatten und gewohnt waren? Aber er zeigt sich uns doch vor allem richtig in schwierigen Zeiten. Wünschen wir uns nicht fast alle in solchen Zeiten einen oder eine an unsere Seite, mit dem wir über all unsere Belastungen und Gefühle sprechen können, die uns versteht und uns vielleicht sogar mit einem Rat oder etwas Richtungweisenden hilft? Ja, da ist jemand. Warten Sie auf die Jahreslosung.
2021 ist vorbei. Jetzt haben wir aber 2022, Neujahr 2022, und wie in allen Jahren hat uns die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen eine Jahreslosung herausgesucht, ein Wort, das uns durch das neue Jahr begleiten soll. Aber als diese Suche stattfand, hat sich wohl keiner denken können, wie es im Januar 2022 aussehen würde.
Unsere neue Jahreslosung lautet nach Johannes 6, 37: Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Andere übersetzen etwas kräftiger: den will ich nicht hinausstoßen.
Das Johannesevangelium ist wohl das Evangelium, das uns am direktesten wissen lässt, wer Jesus der Christus ist und wie wir mit ihm im Glauben verbunden sein können. Hier begegnen uns auch viele „Ich bin“-Worte, die recht ähnlich klingen wie die Jahreslosung. Sie alle sagen uns, wer der ist, zu dem wir kommen können:
Immer wieder fordert das Evangelium auf, Antwort zu geben auf die Botschaft Jesu. Es wendet sich direkt an unseren Glauben und unser Leben. In den Abschnitten vor unserem Wort finden wir die Speisung der 5000 und wie die Menge ihn verfolgt, um mehr von ihm zu hören oder zu sehen. Und auf ihre Fragen antwortet er „Glaubet an den, den er gesandt hat.“ (Joh. 6,29) Und das ist vielleicht der Kern dieser Abschnitte: Nicht die Zeichen und Wunder sind wichtig, sondern das Vertrauen.
Der Zusammenhang wird etwas deutlicher, wenn wir die vier Verse lesen, aus denen die Jahreslosung kommt: 37 Alle, die mein Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und niemand, der zu mir kommt, wird von mir abgewiesen.
38 Ich bin vom Himmel gekommen, nicht um zu tun, was ich will, sondern um zu tun, was der will, der mich gesandt hat.
39 Und er will von mir, dass ich niemand von denen verliere, die er mir gegeben hat. Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag zum Leben erwecken.
40 Mein Vater will, dass alle, die den Sohn sehen und sich an ihn halten, ewig leben. Ich werde sie am letzten Tag vom Tod auferwecken. (Joh. 6,37-40)
Er ist der, der für uns da ist, dem wir alle unsere Sorgen und Fragen vorlegen dürfen, der uns keinesfalls allein oder einsam lassen will. Jesus will uns helfen, weil ihm das so sein Vater aufgetragen hat. Das ist Hilfe, das ist weniger Hilfe zur Selbsthilfe. Aber einen Teil sollen auch wir tun, uns nicht nur passiv bedienen lassen. Nämlich zu ihm gehen, uns entscheiden und auf den Weg machen. Oft genug stolpern wir über uns selber. Wie kann ich mich von ihm einladen lassen, wenn ich ihn nicht auch genauso wiedereinladen kann. Und wenn ich das nicht kann, dann lass ich es lieber.
Von den Kindern zu Weihnachten konnten wir aber lernen, wie man hemmungslos Geschenke annehmen und sich darüber freuen kann, ohne die entsprechenden Gegengeschenke zu haben. Dankbar annehmen. Das ist es schon. Aber lernen sollen wir natürlich trotzdem aus dieser Haltung. Müssen wir nicht unwillkürlich an die Bootsflüchtlinge denken? „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Wie kann das für diese Menschen aussehen? Wir können sie doch nicht ertrinken lassen oder in Lager sperren. 2015 haben wir das im großen Stil schon einmal versucht und das ging ja eine ganze Zeitlang recht gut.
Wir freuen uns über offene Ohren und Türen und wollen auch für andere offene Herzen und Hände haben.
Amen
Kurt Rittinghaus