Gabe und Aufgabe
9. August 2020 (9. Sonntag nach Trinitatis)
Jeremia 1, 4-10
9. August 2020 (9. Sonntag nach Trinitatis)
Jeremia 1, 4-10
Liebe Schwestern und Brüder, liebes Jubelpaar mit der Familie,
der heutige 9. Sonntag nach Trinitatis trägt als Thema zwei zusammenhängende Stichworte: Begabung und Verantwortung – kürzer: Gabe und Aufgabe.
Das Evangelium, der Hauptabschnitt des Tages war früher das Gleichnis von den anvertrauten Talenten.
Das fand ich immer etwas schwierig, dieses: wenn Du deine Talente nicht einsetzt, wirst du gewaltig einen auf die Mütze kriegen. Mit der Reform der Gottesdiensttexte hat man einen anderen Abschnitt an die Spitze gestellt und das finde ich gut.
Mt 13, 44 – 46
44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker.
45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,
46 und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Perlen, Schätze, sind in unsere Hände gelegt. Wir wollen sie sehen, schätzen, Freude entdecken und teilen aus dieser Freude.
Es ist uns viel gegeben. Dieses Bewusstsein war für Euch, Geschwister Ihle, der Anlass, zu sagen: Zu unserer diamantenen Hochzeit wollen wir mal wieder in Königsfeld sein, dort wo wir vor bald 60 Jahren geheiratet haben, wir wollen danken für Freud und Leid in dieser langen Zeitspanne, danken für zwei prächtige Söhne, die wiederum zwei liebenswerte Schwiegertöchter und eine wunderbare Enkelin brachten – so habt ihr es geschrieben – wollen danken für gegenseitige Liebe, Achtung und Respekt, für vieles Erlebte, für ein Leben in Frieden, Freiheit und Sicherheit.
Für diesen Dank wolltet Ihr bewusst hierher kommen, nachdem ihr sonst von Freiburg aus durch die Gemeindenachrichten und die Online-Gottesdienste mitlebt.
Es ist gut, sich selbst solche Momente zu setzen, um zu schauen, was wir alles empfangen haben. Wir als Gemeinde erinnern uns immer wieder daran, gerade in diesen Zeiten, was für einen wunderbar großen Raum wir hier haben, hinten einen Pfarrgarten, wo wir gestern abend die Singstunde gefeiert haben, viele Räume, die auch andere nutzen können, fähige Mitarbeiter*innen und Ehrenamtliche, die gerade jetzt an einem Strang ziehen.
Etwas erhalten zu haben, bedeutet immer auch eine Verantwortung. Jede Gabe ist mit einer Aufgabe verbunden. Da zuckt dann mancher etwas.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag erzählt von dem Prophet Jeremia, der nicht weiß, ob er die Gabe und die Aufgabe, die Gott ihm anträgt, wirklich haben möchte. Es ist die Geschichte seiner Berufung.
Jeremia 1, 4-10:
4 Und des HERRN Wort geschah zu mir:
5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.
7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.
8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.
10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.
Jeremia ahnte schon hier, dass seine Aufgabe nicht immer lustig sein werde. Darum sucht er Gottes Auftrag zu entkommen. Wenn man das Buch Jeremia und das, was in den Königebüchern über ihn berichtet wird, liest, bekommt man einen lebendigen Eindruck von den Kämpfen, die er zu bestehen hat. Man erfährt aber auch davon, dass er das Anvertraute nicht für sich behalten konnte.
Jer 20, 9:
Da dachte ich: Ich will seiner nicht mehr gedenken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, verschlossen in meinen Gebeinen. Ich mühte mich, es zu ertragen, aber konnte es nicht.
Kein Wunder, dass es brennt. Gott hat seine Worte in seinen Mund gelegt. Das ist was: zu wissen, was zu sagen ist von Gott her. Den Leuten nach dem Mund reden kann jeder. Aber Gottes Mund zu sein, das ist ein ganz anderes Ding. Dann geht es darum, dass Menschen zum Leben kommen, dass Menschen den Weg finden, dass Menschen Gott nahe kommen.
Was für eine gewaltige Aufgabe. Was für ein Wunder, dass Gott sein Wort in den Mund von Menschen legt! Aber wie sollten es Menschen auch anders verstehen, als in Menschengestalt.
Solch eine Gabe und solch ein Aufgabe sollen uns nicht erschrecken.
Gott sagt zu Jeremia
8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir …
Wenn wir von Gott etwas anvertraut bekommen, dann soll uns nicht die Angst erdrücken, eventuell etwas falsch zu machen – wie bei dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten – sondern es soll uns die Freude dessen erfüllen, der etwas wunderschönes gefunden hat und der dies mit anderen teilen möchte.
Natürlich fragt man sich: Warum muss jetzt schon wieder ich hier die Leitung übernehmen, sagen, wo es lang geht, überlegen, wie es gehen könnte.
Warum muss schon wieder ich die Klappe aufmachen, … und so weiter.
Die Frage ist nicht verkehrt. Man kann sie auch mit anderen besprechen. Man kann ja auch mal falsch liegen. Aber wenn sich dann zeigt: „Es ist gut, wenn ich die Aufgabe übernehme, weil ich auch die Gabe dazu habe“ dann sollen wir nicht länger Ausflüchte suchen: „Herr, nimm jemand anders“, sondern sagen: okay, ich mach’s, hilf mir.
Das Leben besteht aus Dingen, die wir uns ausdenken und planen, und den Dingen, die ein Anderer für uns ausdenkt und plant. Und das ist gut so.
A m e n
Christoph Huss
Auch eine eindrucksvolle Predigt: calwer-stiftung.com/.413874.202264.htm