Freude am Wort Gottes
10. Oktober 2020 (18. Sonntag nach Trinitatis), Dtn 30, 11-14
10. Oktober 2020 (18. Sonntag nach Trinitatis), Dtn 30, 11-14
Der für diesen Sonntag vorgeschlagene Predigttext wurde neu in die Leseordnung der evangelischen Kirchen aufgenommen.
Am Ende der fünf Bücher Moses schwört der alternde Anführer sein Volk ein, sich weiter an Gottes guten Geboten zu orientieren, damit sie gut zusammenwohnen und leben können.
Ich lese 5. Mose 30, 9 -14.
9 Und der HERR, dein Gott, wird dir Glück geben zu allen Werken deiner Hände, zu der Frucht deines Leibes, zu den Jungtieren deines Viehs, zum Ertrag deines Ackers, dass dir’s zugutekomme.
Denn der HERR wird sich wieder über dich freuen, dir zugut, wie er sich über deine Väter gefreut hat,
10 weil du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchst und hältst seine Gebote und Rechte, die geschrieben stehen im Buch dieses Gesetzes, wenn du dich bekehrst zu dem HERRN, deinem Gott, von ganzem Herzen und von ganzer Seele.
11 Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.
12 Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun?
13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 14 Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Bibel gibt einen guten Rahmen vor, in dem man leben kann.
In den 10 Geboten und all den anderen Hinweisen der Thora, wie man die ersten fünf Bücher Mose auch nennt.
Jesus fasst die Thora in das Doppelgebot der Liebe zusammen: Gott lieben von ganzen Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.
Das muss doch jedem so einleuchten, sollte man denken, dass alle Menschen sich danach richten!
Dennoch scheint es immer wieder einer Erinnerung zu bedürfen.
Die 10 Gebote stehen in 2. Buch Mose und noch mal im 5. Buch Mose und jetzt hämmert Moses schon wieder darauf rum.
Ist das heute nicht genau so?
Im Laufe der letzten Jahrhunderte haben die Menschen wunderbare ethische Prinzipien formuliert, wie die Menschen gut zusammenleben können.
Denken wir an Albert Schweitzer und sein Motto „Ehrfurcht vor dem Leben“.
Nach den beiden Weltkriegen haben die Völker Institutionen geschaffen wie die Vereinten Nationen, die geeignet sind, für ein friedliches Zusammenleben der Völker zu sorgen[1].
Wir sind zivilisiert geworden, sollte man denken.
Aber was beobachten wir?
Die Verrohung auf höchster Ebene nimmt zu, das Fernsehduell des amerikanischen Präsidenten und seiner Herausforderers war unterirdisch.
Immer mehr Egozentriker, Psychopaten und Tyrannen gelangen in verantwortliche Positionen.
Die Gutmütigen scheinen gegen die Skrupellosen wenig ausrichten zu können.
Nun schürt gerade der türkische Präsident einen neuen Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan.
Diesen Umgangsstil schauen sich die Leute ab.
Das Internet trägt seinen Teil bei zu Verbreitung von Hetze und Lüge.
Es gibt natürlich auch die anderen.
Ich will nicht schwarz malen.
Was bin ich froh, dass in unserem Land sehr viele vernünftige Leute das Sagen haben.
Ich habe fast den Eindruck, dass die gegenwärtigen Krise zu einem noch nachdenklicheren Umgangston geführt hat in der Gesellschaft.
Wie kriegt man die Leute dazu, dass sie sich ordentlich benehmen und respektvoll miteinander umgehen?
Moses sagt:
… das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.
Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun?
13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun?
Nein, es ist alles da.
Wir brauchen nichts Neues zu erfinden.
14 Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.
Das Wort Gottes ist schon lange im Munde.
Das ist überraschend, wir hätten eher mit dem Ohr gerechnet.
Aber ist es nicht so, dass wir viele Dinge erst verstehen, wenn wir sie laut aussprechen?
Wir sprechen mit jemand über unser Inneres und plötzlich wird uns etwas klar.
Oder wir lesen unseren Kindern eine Geschichte und im laut Lesen bekommen die Worte für uns Klang und Sinn.
Das Alte Testament hat immer Wert darauf gelegt, dass man die Worte der Bibel hörbar liest.
Dann versteht man sie besser.
Dort ist Gottes Wort, sagte Moses, im Mund.
Und es ist im Herzen.
Das Herz ist nach der Vorstellung des Alten Testamentes das Verbindende – nicht so sehr das emotionale wie wir es heute verstehen.
Der Herzschlag gibt dem Körper einen geordneten Rhythmus.
Und das Herz liegt zwischen dem kühlen Hirn und der hitzigen Magen- und Lenden-Gegend
Und bringt beides zu Ausgleich, zum Zusammenspiel.
Dort in der Mitte des Menschen ist das Wort schon lange da.
Das Herz muss Kopf und Bauch zusammenbringen.
In der Zeitung stand letztes Wochenende ein Interview mit dem Bremer Hirnforscher Gerhard Roth[2].
Er wird gefragt, warum bei manchen die Appelle an die Vernunft, etwa jetzt bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, nicht ankommen.
Er stellt bedauernd fest:
„Reine Appelle an Verstand und Einsicht haben überhaupt keine Wirkung. … Die Zentren nämlich, in denen unser Verstand arbeitet, haben gar keine Verbindungen zu den Bereichen, die unsere Gefühle bestimmen und unser Handeln steuern.
Umgekehrt wäre es schon so, dass die Gefühle unser Denken in den Griff bekommen und etwa Panik auslösen können. … Wer eine nachhaltige Reaktion auslösen will, muss also immer Emotionales zufüttern.“
Moses sagt, das Wort Gottes, seine guten Gebote sind in eurem Herz und in euren Mund.
Die Juden feiern an diesem Wochenende das Fest Simchat Thora am Ende des Laubhüttenfestes.
An diesem Tag endet fortlaufende Lesung der fünf Bücher Moses und beginnt von vorne.
Aus diesem Grunde werden an diesen Tag die Schränke mit den Thorarollen geöffnet
und die Gläubigen dürfen eine Rolle nehmen und diese um das Lesepult tragen, ja, mit der Rolle durch den Gottesdienstraum tanzen.
Simchat Thora heißt „Freude der Thora“.
Suchen wir diese Freude, erbitten wir sie, dass Gott uns sein Wort gegeben hat
und damit die Chance, ein erfülltes Leben zu führen und ein gutes Zusammenleben zu gestalten.
Teilen wir die Freude an jedem guten Wort, welches Menschen miteinander sprechen.
Suchen und schätzen wir das Gute, das Respektvolle, das Nachdenkenswerte und machen wir es groß, nehmen wir es in das Herz und in den Mund, damit es wächst und das Böse und Skrupellose klein werden lässt.
Es wäre einen Versuch wert.
A m e n
Christoph Huss
[1] Als ich die Predigt schrieb, wusste ich noch nicht, dass das Ernährungsprogramm der UN den Friedensnobelpreis bekommen würde.
[2] Südkurier 2. 10. 2020, Wochenende: „Appelle an Verstand und Einsicht haben keine Wirkung“