Die Sehnsucht nach dem himmlischen Zuhause
14.11.2021 (Volkstrauertag)
im Rahmen der Albert-Schweitzer-Tage,
2. Kor. 5, 1-10
14.11.2021 (Volkstrauertag)
im Rahmen der Albert-Schweitzer-Tage,
2. Kor. 5, 1-10
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
wir leben in einer Jahreszeit, in der wir uns gern in das Innere eines Hauses zurückziehen. Dort ist es warm und gemütlich. Wir drehen die Heizkörper auf und machen Licht in den Räumen. Und an solchen Tagen denken wir auch gern zurück an die Zeit, in der die Sonne uns morgens weckte und wir statt des Hauses in einem Zelt übernachtet haben. Ein Zelt besteht aus einem Stück Stoff, welches uns einen Schutz vor der Dunkelheit der Nacht bietet. Und jedes Mal, wenn der Zelturlaub geplant wird, staunen wir nicht schlecht, dass wir zum Leben gar nicht so viel brauchen. Ein Rucksack, Proviant und ein Zelt genügen. Und wenn uns danach ist, so können wir das Zelt in kurzer Zeit abbauen und an einem neuen Ort aufschlagen. Das Leben im Zelt ist ungebundener, wirkt leichter. Nach einer Zeit im Zelt freuen wir uns aber auch wieder auf unser Zuhause, auf den Ort, wo alles vertraut ist. Von der Sehnsucht nach einem festen Zuhause spricht der Predigttext heute, der im 2. Korintherbrief steht.
1 Wir wissen ja: Unser Zelt in dieser Welt wird abgebrochen werden. Dann erhalten wir von Gott ein neues Zuhause. Dieses Bauwerk ist nicht von Menschenhand gemacht und wird für immer im Himmel bleiben. 2 Darum seufzen wir und sehnen uns danach, von dieser himmlischen Behausung gewissermaßen umhüllt zu werden. 3 Wir werden nicht nackt dastehen, wenn wir einmal unser Zelt in dieser Welt verlassen müssen. 4 Doch solange wir noch in dem alten Zelt leben, stöhnen wir wie unter einer schweren Last. Wir würden diese Hülle am liebsten gar nicht ausziehen, sondern die neue einfach darüber ziehen. So könnte das, was an uns vergänglich ist, im neuen Leben aufgehen. 5 Auf jeden Fall hat Gott selbst uns darauf vorbereitet. Er hat uns als Vorschuss auf das ewige Leben seinen Geist gegeben. 6 So sind wir in jeder Lage zuversichtlich. Wir sind uns zwar bewusst: Solange wir in unserem Körper wohnen, leben wir noch nicht beim Herrn. 7 Unser Leben ist vom Glauben bestimmt, nicht vom Schauen dessen, was kommt. 8 Trotzdem sind wir voller Zuversicht. Am liebsten würden wir unseren Körper verlassen und beim Herrn leben. 9 Deswegen ist es für uns eine Ehrensache, ihm zu gefallen. Das gilt, ob wir schon zu Hause bei ihm sind oder noch hier in der Fremde leben. 10 Denn wir alle müssen einmal vor dem Richterstuhl von Christus erscheinen. Dann bekommt jeder, was er verdient. Es hängt davon ab, ob er zu Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat.
Gebet: Herr, stille in uns die Sehnsucht nach Dir.
Wer in einem Zelt unterwegs ist, der ist beweglich. Schnell kann es abgebaut und an einem neuen Ort aufgebaut werden. Paulus beschreibt damit unser irdisches Leben. Unsere Seele ist eingehüllt wie in ein Zelt. Jeder und jede, die über Jahre in einem Zelt ihre Ferien verbringen, wissen, dass so ein Stück Stoff nicht ewig hält. Es bekommt Risse und undichte Stellen, durch die der Regen und anderes eindringen können. Und so ist es auch mit unserer Hülle. Sie wird mit den Jahren dünner, faltiger und bekommt Risse. Das kann schmerzen und mühsam werden. Am liebsten würden wir sie abstreifen, wie das z. B. die Schlangen machen können. Einfach die alte Hülle abwerfen und darunter strahlt schon eine neue hervor. Aber so geht das nicht. Wir tragen alle unsere Hüllen mit uns herum. Und manchmal ist die Sehnsucht groß, diese einfach abzustreifen. Aber nicht wir legen diese Zeit fest und das ist gut so. Wir alle haben unsere Lebenszeit von Gott geschenkt bekommen. Und wir dürfen und sollen verantwortungsvoll und vertrauensvoll damit umgehen.
Einer, der seine Lebenszeit sehr für andere eingesetzt hat, war Albert Schweitzer. Er wuchs in einer Umgebung auf, in der er die Musik und das eigenständige Denken sehr gefördert wurden. Beides hat er zeit seines Lebens auch für sich weiterentwickelt. Er hat als Student Orgel gespielt und Theologie, Philosophie und Musik studiert, später kam dann noch das Medizinstudium dazu. Sein Wissen war in diesen Gebieten sehr groß und weitgefächert.
Hören wir ein Stück von Bach, welches er bei seinen vielen Konzerten in Europa und Amerika gespielt hat.
Albert Schweitzer schreibt: „Ein anderer Gedanke, der mein Leben beherrscht ist der, dass wir das, was uns als Glück im Leben begegnet, nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen dürfen, sondern irgend einem Helfen und Dienen ein Dankbarkeitsopfer dafür bringen müssen.“ (Radio Köln 1932)
Und so hat er Zeit seines Lebens seine Gaben für andere eingesetzt. Er hat kranke Menschen in Gabun medizinisch versorgt und er hat hier in diesem Kirchensaal an der Orgel gesessen und unzählige Bachsätze eingeübt, die er dann bei seinen Konzerten spielte, um damit Spenden für seine Arbeit in Lambarene zu erhalten. Für seine Arbeit hat er innerlich gebrannt und ist um die Welt gereist. Seine Erfahrungen und seine Denkanstöße hat er in Büchern festgehalten.
Albert Schweitzer hat sein Leben in Ehrfurcht vor dem Leben gelebt. Er sagt selbst: „… gut ist Leben erhalten und fördern, böse ist Leben vernichten und hemmen.“ (Radio Köln 1932) Wie kann es nun aber in unserem Leben aussehen, die wir nicht so berühmt sind, wie Albert Schweitzer oder andere?
Wichtig ist, dass wir uns von Gott, unserem Herrn führen lassen. In der Stille, im täglichen Gespräch mit ihm, öffnet er uns unsere Augen für das, was vor uns liegt. Wir sind gerade inmitten der Friedensdekade. Diese Zeit ist eine besondere und erinnert uns daran, dass wir unseren Blick weiten für die Menschen in der Welt, die in ständiger Bedrohung leben. Für die vielen Flüchtenden, die unter freiem Himmel an der polnischen Grenze ausharren, damit sie nach Europa kommen können und die von anderen missbraucht werden, damit Sanktionen gegen sie aufgehoben werden.
Oder für die Menschen, die in Kriegsgebieten ausharren müssen, wie jetzt in Äthiopien und in so vielen anderen Ländern auf dieser Erde. Wir denken auch an die Menschen in Jemen und anderen Ländern Afrikas, die täglich vom Hungertod bedroht sind.
Wir denken auch an alle, die unschuldig inhaftiert sind, nur weil sie ihre Gedanken aussprechen, die anderen nicht passen.
Unsere Welt ist voll von Leid, Bedrohung, Kriegen, Ängsten und Sorgen. Und wir können es manchmal gar nicht mehr aushalten, wenn wir die Nachrichten hören. Wir dürfen uns aber an den lebendigen Glauben an Jesus Christus klammern. Er kennt das Leid dieser Welt. Er ist selbst in diese Welt gekommen um unser Bruder zu werden. Er hat den Schmerz auf sich genommen, damit wir durch seinen Tod erlöst sind von unserer Schuld.
Gott hat uns ins Leben gerufen – Dich und mich. Er hat uns diese Zeit geschenkt. Damit wir es nach unseren Fähigkeiten einsetzen, damit Leben und Liebe in dieser Welt erhalten bleiben. Da reichen ganz kleine Schritte aus, um für andere da zu sein. Lassen wir uns von ihm anrühren und gehen wir raus aus unserer Komfortzone – raus zu den Menschen, die unsere Hilfe brauchen und auf ein Lächeln, einen freundlichen Blick oder eine unterstützende Geste warten.
Wenn wir alle schwesterlich und brüderlich miteinander umgehen und dabei nicht nur an die Menschen, sondern auch an alle Kreaturen dieser Welt denken, dann erfüllen wir den Willen des Herrn.
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Wir alle werden irgendwann unsere Zelte abbrechen und weiterziehen. Dann wird uns Christus fragen, wo und wie wir uns für ihn und für den Frieden im Großen und im Kleinen eingesetzt haben. Dann fallen alle Hüllen, hinter denen wir uns oft verschanzen. Wenn wir ihn bitten, dann dürfen wir auf seine Liebe und Gnade hoffen.
Amen
Gabriele von Dressler