Der Heilige Geist lässt Blasen platzen
30. Mai 2021 (Trinitatis)
Joh 3, 1-8
30. Mai 2021 (Trinitatis)
Joh 3, 1-8
© iStock.com / Nadezhda Nesterova
Der heutige Predigttext steht in Johannes 3, die Verse 1 bis 8. Ich lese nach der Basis-Bibel:
1 Unter den Pharisäern gab es einen, der Nikodemus hieß. Er war einer der führenden Männer des jüdischen Volkes.
2 Eines nachts ging er zu Jesus und sagte zu ihm:»Rabbi, wir wissen: Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat. Denn keiner kann solche Zeichen tun, wie du sie vollbringst, wenn Gott nicht mit ihm ist.«
3 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.«
4 Darauf sagte Nikodemus zu ihm: »Wie kann denn ein Mensch geboren werden, der schon alt ist? Man kann doch nicht in den Mutterleib zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden!«
5 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Reich Gottes hineinkommen.
6 Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind. Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes.
7 Wundere dich also nicht, dass ich dir gesagt habe: ›Ihr müsst von oben her neu geboren werden.‹
8 Auch der Wind weht, wo er will. Du hörst sein Rauschen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Genauso ist es mit jedem, der vom Geist geboren wird.«
Liebe Schwestern und Brüder,
Zwei Männer reden in der Nacht. Das ist gut so.
Nikodemus, Mitglied der jüdischen Führungsschicht. Er ist auf Jesus aufmerksam geworden wie viele. Er will der Sache auf den Grund gehen. Und Jesus: ebenfalls Jude, kein Gelehrter und doch hat er etwas. Er ist dabei, die Grenzen des überlieferten jüdischen Glaubens zu überschreiten. Sie reden in der Nacht. Die Nacht ist empfohlen zum Studium der Thora.
Es ist gut, wenn Männer reden. Es ist gut, wenn Menschen aufeinander zugehen und einander Fragen stellen. Es ist gut, wenn Menschen aus ihren Blasen herauskommen. Unsere Welt lebt immer mehr Menschen in Blasen.
Als unsere Kinder klein waren, haben wir gelernt, dass sie sich manchmal wie in einer Blase befinden. Wenn sie ins Spiel vertieft sind, hilft es nicht, sie aus der Distanz anzusprechen. Sie werden nicht zuhören. Wir müssen erst in ihre Welt eintreten, brauchen Augenhöhe und Augenkontakt, bevor sie uns überhaupt bemerken.
In Blasen leben auch Menschen aus unterschiedlichen Milieus. Man unterscheidet neun oder mehr Milieus, unterschieden danach, wie traditionell oder fortschrittlich jemand eingestellt ist, wie man spricht, welche Werte man hat, welche Musik man hört und wie man sich einrichtet. Das wird meist mit so einer „Kartoffelgraphik“ dargestellt.
Dies Leben in Blasen wird in unserer Zeit durch das Internet verstärkt, das jeden mit der Information versorgt, die er oder sie gerne hört und liest. Es geht ja darum, Menschen zu binden. So hat am Ende jeder seine eigene Informationsblase, seine Wahrheit und sein eigenes Verständnis der Welt.
Im den letzten Monaten lebten wir noch mehr in den Blasen unserer jeweiligen kleinen Welt, weil wir unsere Kontakte einschränken mussten. Allerdings gab es manchmal auch Kontakte mit Menschen, die denen wir sonst nicht so viel zu tun hatten, weil wir alle mehr spazieren waren und alle ein verbindendes Thema hatte.
Pfingsten ist das Fest, an dem Blasen platzen. Die Jünger haben die Türen ihres Obergemachs aufgemacht, haben sich auf den Marktplatz gestellt und alle konnten sie verstehen.
Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, 10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.
Der Heilige Geist lässt die Blasen platzen.
Das war damals so und später immer wieder. In Herrnhut gab es in der Anfangszeit solche Blasen, die aus jenem Dorf und die aus jenem, die Mähren und die Separatisten … Beim Abendmahl in Berthelsdorf am 13. August 1727 fanden sie durch Gottes Geist zusammen.
Der Heilige Geist lässt die Blasen platzen, in denen Menschen leben und
aus denen sie oft aus eigener Kraft nicht heraus kommen.
Mit diesem Bild von der Blase haben wir uns dem genähert, was Jesus dem Nikodemus in der Nacht erklärt. Der Mensch muss von neuem geboren werden, um das Reich Gottes zu sehen. Er muss von oben, vom Geist geboren werden. Damit ein Kind geboren werden kann, muss es aus dem bergenden Mutterleib heraus. Die Geburt beginnt, wenn die Fruchtblase platzt.
Huub Oosterhuis hat dieses Bild in einem Gebet verwendet.
Lass die Blase platzen.
Hol uns. Binde unsere
Nabelschnur ab.
Brich uns auf.
Dass wir vollströmen
mit Lebensatem
und schreien
endlich geboren.
Dass wir vollströmen
mit Lebensatem
und lachen
endlich geboren.
Dass wir vollströmen
mit Lebensatem
und wissen
endlich geboren.
Um die Herrschaft Gottes zu sehen, um glauben zu können, muss der Mensch neu, von oben, vom Geist geboren werden. Es gelingt nicht durch viel Nachdenken, das gelingt nicht durch besonders wollen und sich mehr anstrengen. Es ist etwas von oben, von Gott. Gottes Geist kann die Blase zum Platze bringen. Diese und all die anderen, in denen Menschen leben.
Ich weiß nicht, ob sie schon den neuen Dachreiter gelesen haben. Er befasst sich u. a. mit der Badischen Union vor 200 Jahren, durch die die Evangelische Kirche in Baden entstand. Die Menschen empfanden es als ein Wirken des Heiligen Geistes, dass Reformierte und Lutheraner alte Vorbehalte und Unterschiede hintan stellen konnten und nun eine Kirche bildeten. Es lohnt sich, die Berichte der Synode im Juli 1821 zu lesen.
Nikodemus taucht noch zwei Mal im Johannesevangelium auf. Einmal stellt er im Hohen Rat die vorsichtige Frage, ob man nicht Jesus hören sollte, bevor man über ihn richtet. Er hat erfahren, dass miteinander reden hilft. Am Ende wird er mit Josef von Arimathäa dem toten Jesus ein angemessenes Begräbnis gewähren. Vielleicht fragt es sich in dem Moment:
Wie bin ich hierher bekommen?
Ich habe es doch nicht für möglich gehalten?
Und jetzt bin ich doch da,
wo dieser Jesus aus Galiläa ist.
Ja, der Wind weht, wo er will.
Amen
Christoph Huss
Anothen kann beides heißen: von neuem, von oben
Das griechische Wort „gennao“ heißt eigentlich „zeugen“. Man kennt es von Genealogie und Genus. Nur im Neuen Testament scheint es auch für „gebähren“ verwendet worden zu sein.
Huub Oosterhuis, Hoever is de nacht, 1974, S. 63
Breek de vliezen. Haal ons. Bind onze navelstrang af. Sla ons open.
Dat wij volstromen mit levensadem en schreeuwen eindelijk geboren.
Dat wij volstromen mit levensadem en lachen eindelijk geboren.
Dat wij volstromen mit levensadem en weten eindelijk geboren.
Ein Teil wurde im Niederländischen vertont.
Joh 7,50
Joh 19,39