Das Wort vom Kreuz
04.07.2021 (5. Sonntag nach Trinitatis)
1. Korinther 1, 18-25
04.07.2021 (5. Sonntag nach Trinitatis)
1. Korinther 1, 18-25
Liebe Schwestern und Brüder,
Kreuze begegnen uns nicht nur in Kirchenräumen. An Straßen und Wegen sind sie sichtbar. Sie erinnern uns an den Tod Jesu. Viele Christen tragen Ketten mit einem Kreuz und bekennen sich damit zu Jesus Christus. Dabei ist dieses bekennende Zeichen auch umstritten. Aus vielen öffentlichen Gebäuden wurde es in den letzten Jahren entfernt. Es gibt aber auch ein anderes Beispiel. Auf dem neu errichteten Berliner Stadtschloss wurde das Kreuz im letzten Jahr weit sichtbar auf die Kuppel gesetzt mit der Inschrift: „Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Diskussionen über das Kreuz gab es damals zur Zeit des Paulus, und sie gibt es auch heute noch. Warum musste Jesus – Gottes Sohn – am Kreuz sterben? Was ist das für ein Gott, der so etwas zulässt? Wie kann das heute weitererzählt werden? Wie kann ich das verstehen? Eine Menge Fragen, die uns gleich am Anfang der Predigt im Kopf schwirren. Bevor wir versuchen können, Antworten darauf zu finden, hören wir den Predigttext für heute aus dem Brief des Paulus an die Korinther im 1. Kapitel die Verse 18-25.
18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft. 19 Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« 20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben. 22 Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, 23 wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit; 24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.
Wie gehen wir mit dem Kreuz um? Wir leben hier in Sicherheit und können das Zeichen als Bekenntnis tragen. Aber wenn wir z. B. nach Syrien oder auch den Iran oder Irak schauen, dann wissen wir, dass dieses Bekenntnis zu dem Gekreuzigten, zu Jesus Christus, Menschen mit dem Leben bezahlen müssen. Dort werden Christen verfolgt und umgebracht, nur weil sie an Jesus glauben. Und eigentlich brauchen wir auch gar nicht so weit weg schauen. Auch in unserem Land treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus und können mit dem Glauben nicht mehr viel anfangen. Auf der anderen Seite wachsen die Frei- und Pfingstkirchen. Wie kommt das? Oft wird den traditionellen Kirchen vorgeworfen, dass sie das Wort vom Kreuz nicht klar verkündigen. Doch was bedeutet das?
Paulus schreibt seinen Brief ungefähr im Jahr 50 an seine junge Gemeinde in Korinth. Die Menschen dort waren gebildete Leute und versuchten mit Weisheit und Verstand zu begreifen, was damals passiert ist. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist auf so furchtbare Weise umgebracht worden. So wurden Aufrührer und Verbrecher für ihre Vergehen bestraft. Im Tod Jesu am Kreuz wird alles auf den Kopf gestellt, was gültig war. Gott selbst stellt sich auf die Seite der Schande. Er stellt sich auf die Seite der Torheit und der Ohnmacht. Gott kehrt alle gültigen Werte um!
Das ist den Juden und den Griechen zu viel. Die einen fordern Zeichen und die anderen wollen es mit Weisheit und Verstand angehen. So wichtig Weisheit ist, jeder und jede ist in seinem Leben auf der Suche nach ihr, sie führt nicht zum Heil und zur Errettung. Die Weisheit der Welt kommt an diese Weisheit Gottes nicht heran. Das Wort vom Kreuz zeigt und das Opfer, das Gott in seiner unendlichen Liebe zu uns gebracht hat. Im Kolosserbrief schreibt Paulus im 2. Kapitel Vers 14: „Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.“ Er selbst hat sich uns Menschen zugewandt und ist auf der Seite der Sündigen, Verachteten, Verfolgten, der Schwachen und Leidenden. Und das geschieht aus seiner unendlichen Liebe zu uns. Gott tritt in Beziehung zu seinen Menschen. Er kennt uns, dich und mich, weil er selbst als Mensch gelebt, weil er selbst gelitten und Schlimmstes ausgehalten hat. Und er weiß, wie nötig wir die Gotteskraft und damit die Lebenskraft haben, weil wir ohne sie nicht leben könnten Ja, er nimmt das Ende unseres Lebens und setzt mit seinem Tod am Kreuz einen Doppelpunkt. Das Leben ist nicht mit unserem Tod zu Ende. Er durchkreuzt dieses Ende, in dem er den Tod endgültig besiegt hat. Das Kreuz verbindet Himmel und Erde miteinander. Der Glaube an Jesus Christus und sein Opfer gilt mir ganz persönlich und öffnet mir den Zugang zu Gottes himmlischer Welt. Das soll nicht vertrösten auf das Jenseits, sondern es macht frei, sich schon hier und jetzt für sein Wort, und für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Der Glaube an Jesus ist etwas, was ich nicht vererben kann. „Gott hat keine Enkel“, so hat es jemand einmal formuliert. Mein Glaube braucht eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus und er braucht erste Schritte. Dazu laden die Kirchen ein. Und der Glaube braucht Austausch und Ermutigung. Eine Nachfolge von Jesus lässt uns zu Menschen werden, die sich für andere einsetzen, die helfen, trösten, zuhören, Wunden verbinden und Wege mit anderen mitgehen und noch vieles mehr. Nachfolge bedeutet demütig, verletzbar und angreifbar zu sein.
Der Predigttext endet mit den Worten: Und was an Gott schwach erscheint, ist stärker als die Menschen. Wir alle kennen das. Es zählt nur der etwas in unserer Gesellschaft, der stark ist und er sich durchsetzen kann. Bei Gott ist das anders. Hier ist der im Mittelpunkt, der seine Schwäche zugeben kann, der seine Fehler vor Augen sieht und um Verzeihung bittet. Denn, wenn wir ehrlich zu uns sind, dann haben wir alle unsere Ängste und Sorgen, Verunsicherungen und Fehler. Und das alles dürfen wir zu Jesus bringen, der für dich und mich am Kreuz meine Sünden und Vergehen und die der ganzen Welt getragen und ertragen hat. Das mit dem Verstand zu begreifen ist schwer und nicht möglich. Aber wir können es im Glauben und mit seiner unendlichen Liebe zu uns begreifen. Und das schenkt Freiheit und Mut.
Diese Freiheit und diesen Mut, den Glauben in die Welt zu tragen, den haben auch die vielen Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine gespürt, als sie in die Welt zogen. Im Gepäck hatten sie die freimachende Botschaft vom Wort vom Kreuz. Sie sind in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen – mit einem festen und unerschütterlichen Glauben an Jesus Christus. Lasst uns ihm und seiner großen Liebe auch heute wieder ganz neu vertrauen.
Amen
Gabriele v. Dressler