Da muss doch noch Leben ins Leben
16.05.2021 (Exaudi)
Joh 7, 37 – 39
16.05.2021 (Exaudi)
Joh 7, 37 – 39
Liebe Schwestern und Brüder!
Am Mittwoch konnte man in der Zeitung lesen: „Königsfeld steckt Geld ins Wasser“. Es ging um die Sanierung des Hochbehälters von Neuhausen. Der wird gespeist vom Tiefbrunnen Neuhausen, der liegt unterhalb der Enzianwiese, und von den Rotwaldquellen, stand da.
Das ist überraschend. Ich dachte immer, die Rotwaldquellen werden im Hochbehälter am Mozartweg gesammelt. Jetzt muss ich, glaube ich, aufhören.
Ich finde das einfach sehr spannend, wo hier in den Wäldern Wasser aus dem Schichten des Buntsandsteins kommt und wo es hin fließt. Aber vielleicht wollen Sie, die Sie uns zusehen, hier nicht alle Details wissen. Für uns ist ja Wasser auch nicht solch eine Überlebensfrage wie in anderen Erdteilen. Noch nicht.
Für Menschen in anderen Ländern ist die Frage überlebenswichtig: wo gibt es Wasser? Wo kann ich meine Vorräte auffüllen, wo kann ich mein Vieh tränken?
Der heutige Predigttext führt uns nach Jerusalem. An die Stadt können wir in diesen Tagen nicht denken, ohne die Bilder der Gewalt und Zerstörung zu sehen, die dort jetzt wieder herrscht. Es ist bedrückend, wahrzunehmen, dass jede der dort agierenden radikalen Kräfte ihren Profit aus der Eskalation zieht, sodass mit einem baldigen Ende der Kämpfe nicht zu rechnen ist.
Der Predigttext spielt in einer friedlichen Zeit. Eine der wichtigen Quellen für Jerusalem war die Gihonquelle, deren Wasser man über einen Kanal in die Stadt leitete. Sein Wasser speist den Teich Siloah. Die Begebenheit, von der der heutige Predigttext erzählt, spielt bei dem Laubhüttenfest. Es erinnert an den Zug des Volkes Israel durch die Wüste, als man in Zelten wohnte. Beim Laubhüttenfest gab es einen besonders schönen Ritus. Die Priester schöpften jeden Tag Wasser aus dem Teich Siloah und trugen es zum Tempel. Am letzten Tag des Festes gingen die Priester mehrfach um den Altar, um dann das Wasser darüber zu gießen.
Die Leute freuten sich auf diesen Ritus. Er erinnert an Fruchtbarkeit, an erfülltes, ganzes Leben, das von Gottes Gegenwart ausgeht, ein Leben, das reichlich empfängt und aus dem Überfluss weitergibt.
In diesem Jahr war auch Jesus zum Laubhüttenfest nach Jerusalem gekommen, so berichtet der Evangelist Johannes. Am Rande des schönen Wasserritus erhebt er die Stimme. Wir lesen Johannes 7, 37 – 39 (Basis-Bibel)
37 Am letzten Tag, dem Höhepunkt des Festes, trat Jesus vor die Menschenmenge und rief laut: »Wer Durst hat, soll zu mir kommen. Und es soll trinken,
38 wer an mich glaubt. So sagt es die Heilige Schrift: ›Ströme von lebendigem Wasser werden aus seinem Inneren fließen.‹«
Und Johannes fügt erklärend hinzu: 39 Jesus bezog dies auf den Heiligen Geist. Den sollten die erhalten, die zum Glauben an ihn gekommen waren. Denn der Heilige Geist war noch nicht gekommen, weil Jesus noch nicht in seiner Herrlichkeit sichtbar war.
1. Wohin mit dem Durst?
»Wer Durst hat, soll zu mir kommen. Und es soll trinken.«
Natürlich hatten die Leute Durst. Die einen nach einem guten Schluck Quellwasser oder Wein. Andere nach einem reichen Leben. Andere hofften auf Erfüllung ihrer Träume. Vielleicht waren auch Leute drunter, die schon alles hatten und denen doch noch etwas fehlte.
Kennen wir das, dass wir so ein Gefühl haben, etwas fehlt mir, irgendwas bräuchte ich noch. Von Wolf Biermann gibt es so ein Lied:
„Das kann doch nicht alles gewesen sein
Das bisschen Sonntag und Kinderschreien
.
Das muss doch noch irgendwo hingehen
Die Überstunden, das bisschen Kies
Und abends in der Glotze das Paradies
Darin kann ich doch keinen Sinn sehen
Das soll nun alles gewesen sein
Da muss doch noch irgendwas kommen – nein?
Da muss doch noch Leben ins Leben – eben.“
Viele Menschen sind nach über einem Jahr Pandemieeinschränkungen von dieser Sehnsucht erfüllt, endlich wieder das Leben genießen zu können:
zusammenkommen mit Freunden, Kultur besuchen, Essen gehen, die Enkel in den Arm nehmen. Für jeden mag dieser Durst einen anderen Namen haben. Ebenso wie bei den Menschen damals in Jerusalem.
2. Zu Jesus
Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Nun stelle ich mir vor, wie die Leute geguckt haben. Will da einer was verkaufen? Oder den Festbetrieb stören? Vielleicht hat da einer schon zuviel getrunken?
Da all dies nicht zuzutreffen schien, werden die Leute gefragt haben, die Umstehenden, die Anhänger und Anhängerinnen von Jesus, wie er das meint. Vielleicht haben diese die Fragenden auf Bibelstellen hingewiesen. Die Bibel spricht ja ganz oft von Wasser, von der Quelle, dem Brunnen, wenn sie schildert, was Gott für Menschen bedeuten kann.
Psalm 42: Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Vielleicht haben die Anhängerinnen und Anhänger von Jesus den Fragenden auch erzählt, was sie mit Jesus erlebt haben. Zachäus, der zuvor ein gewinnsüchtiger Zollpächter war, erzählte von seinem Durst nach immer mehr und wie er doch trotz seines Reichtums innerlich leer blieb. Bis Jesus zu ihm kam
und ihm aufging, dass Gott ihm alles schenkt und er nichts zu nehmen braucht.
Maria könnte erzählt haben, wie sie zu Jesu Füssen saß und ihr alles andere egal war, weil sie seine Worte aufsaugte wie ein trockener Schwamm. Wie sie ganz voll wurde von Gottes Gegenwart wurde, wenn Jesus sprach.
So haben vielleicht die ein oder die anderen erzählt, wie in der Begegnung mit Jesus ihr Durst gestillt wurde, wie er ihnen zu trinken gab.
3. Und weitergeben
Vielleicht könnten ja auch Sie einem Fragenden etwas sagen dazu, wie Jesus Durst stillt, könnten erzählen von Durst und von Erfüllung und innerer Ruhe, die sie in der Nähe Gottes erfahren haben. Oder Sie könnten erzählen von einer heiligen Unruhe, von einer Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die sie auf der Spur von Jesus hält, die sie wach hält und aufmerksam. Es heißt ja nicht, dass im Glauben alle Sehnsucht vorbei ist. Manche Menschen empfinden es sogar eher so, dass eine letzte Sehnsucht immer größer wird.
Vielleicht könnten so auch Sie etwas sagen davon, wie sie etwas weitergeben konnten von dem lebendigen Wasser. Was wir empfangen, fließt durch uns hindurch. Und im Weitergeben entsteht ein Sog, der neu bei Jesus schöpfen lässt.
Wäre heute eine Gemeinde hier im Saal, dann wäre das ein guter Moment, um mit einem Mikrophon in die Reihen zu gehen und vielleicht wäre jemand bereit, etwas von sich zu erzählen. Da unsere Gottesdienste im Moment aber nur von wenigen Mitwirkenden für Sie zu Hause gehalten werden, habe ich zwei Gemeindeglieder eingeladen und gefragt, ob eine von Ihnen etwas sagen könnte.
Schw. M… und Schw. C… sind Aidlinger Schwestern, wohnen in Königsfeld und sind treue und aufmerksame Besucher unserer Gottesdienste. Danke, dass Sie sich haben einladen lassen. Lebensdurst, durch Jesus gestillt, etwas, was man weitergeben kann.
Das haben Sie erlebt, Schwester C. … (Persönliche Geschichte)
Danke. Wir können uns vorstellen, was Jesus damit meint, wenn er sagt:
Und es soll trinken,
38 wer an mich glaubt. So sagt es die Heilige Schrift: ›Ströme von lebendigem Wasser werden aus seinem Inneren fließen.‹«
In dem Bild von den Wasserströmen ist klar, dass nicht wir die Quelle sind.
Die Quelle ist Gott, der in Jesus gegenwärtig ist. Jesus Christus schickt uns den Heiligen Geist, die Geistkraft Gottes. Wer zu ihm kommt, wer an ihn glaubt, sich vertrauend ihm öffnet, der erfährt Gottes Kraftstrom, der oder die wird zum Kanal, der das Wasser weiterleitet, wie der Hiskiakanal das Wasser der Gihonquelle zum Teich Silaoh leitet.
Glauben heißt so zu strömen, heißt überzufließen. Klaus Engelhardt, der frühere badische Bischof, sagte einmal: „Den Glauben kann man nicht in Flaschen abfüllen für den privaten Gebrauch.“ In Flaschen abgefülltes Wasser schmeckt bald abgestanden und wird irgendwann ungesund.
Ebenso wenig lässt sich Glauben konservieren. Einmal zapfen, jahrelang in den Schrank stellen und in Notzeiten wieder rausholen, das klappt nicht. Glaube muss im Fluss bleiben, muss täglich zu Jesus kommen, das lebendige Wasser trinken und es weiterströmen lassen.
Amen
Christoph Huss
Koilia = Bauch, das Innerste
zitiert nach Neue Calwer Predigthilfen, 1981, 3 B, S. 19