21. Mai 2023
Lukas 17,20-21
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Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Lukas 17,20-21
Liebe Schwestern und Brüder,
Wann kommt das Reich Gottes?
Das ist nicht nur die Frage von Pharisäern, diesen frömmsten von Jesu Gesprächspartnern.
Das war in der Zeit zwischen Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auch die Frage der Jünger Jesu.
Und es ist, meine ich, eine sehr aktuelle Frage:
Eine typische Krisenfrage.
Wenn alles gut geht, die Landschaften blühen und die Wirtschaft brummt und die Zukunft rosig aussieht, fragen nur wenige so.
Wenn aber, wie damals und wie heute wieder,
Großmächte das Leben beherrschen oder bedrohen,
wenn Katastrophen heraufziehen,
wenn die eigene Zukunft oder die unserer Kinder unsicher ist,
dann fragen Glaubende immer wieder:
Wann greift Gott endlich durch?
Wann zeigt er allen seine gute Macht?
Wann werden die Gewaltherrscher in die Schranken gewiesen?
Heute fragen wir vielleicht auch:
Wann stoppt Gott die immer weitergehende Vernichtung des Lebens auf unserer Erde?
Wann die Kriege in aller Welt, die Gewalt gegen Frauen und Kinder, das Sterben auf der Flucht aus unerträglichen Situationen.
Als bibelfeste Christen stehen uns womöglich dabei auch die von Jesus überlieferten apokalyptischen Bilder vor Augen:
Erdbeben sollen kommen, Kriege und Kriegsgeschrei …
Manche fragen darum auch:
Sind das jetzt vielleicht tatsächlich die Vorzeichen der von Jesus vorausgesagten großen Katastrophe, steht das Ende der Welt, wie wir sie kennen, unmittelbar bevor –
und der Anbruch des paradiesischen Gottesreiches?
Die gesamte Kirchengeschichte hindurch haben das Christen in Krisenzeiten immer wieder erwartet.
Es wäre nicht schlecht, euch das heute so zusprechen zu können.
Ja, freut euch. Jesus kommt gleich wieder, wenn nicht heute, dann morgen oder doch spätestens nächstes, übernächstes Jahr.
Die Zeit des Wartens hat ein Ende. Die Zeit der Unsicherheit.
Die Zeichen sind eindeutig.
Dann, könnten wir meinen, müssten wir uns um all das nicht kümmern. Nicht um die Klimaerwärmung und das Insektensterben.
Nicht um Kriege hier und dort, nicht um die Armut vieler, auch in unserer Kirche in anderen Ländern, nicht um die um sich greifende Gewalt …
Das ist ja eh nur noch für ein paar Jahre –
dann kommt das Reich Gottes und alles wird gut.
Die kleine Szene aus dem Lukasevangelium erlaubt das nicht.
Das Reich Gottes ist mitten unter euch, sagte Jesus den Pharisäern.
„mittendrin.“ Ich gebe zu, ich war gar nicht zu begeistert von der Namenswahl für den Laden damals vor zehn Jahren, denn ich hatte mir irgendetwas Supermodernes, irgendwie Originelleres gewünscht.
Heute denke ich, der Name ist genau richtig.
Und nein, ich werde jetzt nicht über den Laden mittendrin predigen. Denn das ist ja klar: Wir können auch auf diesen schönen Ort nicht zeigen und sagen: „Siehe, da ist es!“
Aber Jesu Botschaft war und bleibt bis heute gerade dies:
Dass das Reich Gottes genau dort, mittendrin in unserem Leben geschieht bzw. erlebt werden kann.
Da, wo wir einander begegnen.
Mittendrin, wenn wir einkaufen.
Mittendrin, wenn wir einander einen guten Tag wünschen – und wenn wir einander dann vielleicht noch von unseren Sorgen und Ängsten erzählen. Mittendrin auch in unseren Konflikten.
Dass wir nicht warten müssen, bis Gott das ganz große, endgültige Machtwort spricht.
„Gott ist gegenwärtig“, so haben wir es vorhin gesungen.
Es ist wundervoll, wenn wir es so fühlen können in einem Gottesdienst.
Aber, wenn ich Jesus richtig verstehe,
sagt er diesen frommen Männern, den Pharisäern damals,
und sagt uns mehr oder weniger frommen Frauen und Männern heute:
Gott und seine gute Kraft ist nicht vorwiegend im Tempel, nicht vor allem im Kirchensaal zu erfahren.
Jesus ging ja selbst in den Tempel, betete da und lehrte in der Synagoge.
Doch das Wichtige, der Raum, wo Gott wirken will, das ist „mittendrin“.
Bei Jesus war „mittendrin“ überall am Rande seiner Wege durch das Land:
Wo er die Fischer in seine Gefolgschaft einlud.
Wo er den Zöllner Zachäus vom Baum herunterholte und der dann eine 180°-Kehrtwende vollzog.
Wo Jesus die zehn Aussätzigen wieder geheilt in ihr Leben in Familie und Gesellschaft zurückkehren ließ.
Am Brunnen, an dem er mit der fremdgläubigen und noch dazu moralisch anrüchigen Frau redete.
Da, wo er Kinder segnete.
Am Tisch, an dem er mit denen tafelte, die jeder mied. Und so weiter.
So auch bei uns:
Das Reich Gottes mitten unter uns zu erwarten, heißt also:
in unseren Familien, in den Nachbarschaften, da, wo wir arbeiten, in der Evangelischen Gesamtgemeinde natürlich, und – in Königsfeld sicher nicht zu vergessen – in Schulen und Internat.
Und nicht nur etwa unter Christen.
Nicht zuletzt ist das Politische nicht außen vor.
Auch da soll mittendrin Gottes gute Herrschaft erfahrbar werden.
Ganz sicher nicht in einer machtbesessenen Kirche.
Aber auch nicht in einer selbstgenügsam um sich selbst kreisenden Kirche.
Der Glaube, wir könnten mit Jesus und dem Reich Gottes im Privaten, Innerkirchlichen bleiben, hat uns jedenfalls durch die Geschichte hindurch immer wieder auf böse Abwege geführt:
Ich denke an die Haltung der Brüdergemeine, besonders ihrer Leitung, seinerzeit zur Sklaverei.
Oder an die der meisten Brüder und Schwestern zum Nationalsozialismus. Nein, auch in den gesellschaftlichen Zusammenhängen, um es mit einem anderen Jesus-Wort zu sagen, sollen wir nach Gottes Reich „trachten“.
Als ich hier angekommen war, dachte ich:
„Puh! – danach trachten …, sollen wir“…,
das klingt doch schon wieder nach ganz viel Anstrengung!
Sind es nicht gerade die vielen anstrengenden Probleme in unserem Zusammenleben,
die bewirken, dass wir uns danach sehnen, dass Gott sich endlich durchsetzt?
Ist es nicht so, dass wir seine gute Herrschaft gerade eben nicht sehen?! Fühlen wir uns nicht selbst gerade ohnmächtig?
Jedem/ jeder stehen da sicher andere Dinge vor Augen:
persönliche Zerwürfnisse, die nicht heilbar scheinen, Gewalt in Familien, Spannungen am Arbeitsplatz, Konflikte in der Gemeinde…
Und politisch, da muss ich gar nicht erst anfangen aufzuzählen.
Nach dem Reich Gottes trachten, wie stellt sich Jesus das vor?
Erleben wir nicht viel zu oft „mittendrin“ ganz das Gegenteil von Gottes Herrschaft – und kann uns das, was wir mittendrin beobachten, auch in der Kirche, nicht eher verzweifeln lassen?
Ja, das kann es. Jesus weiß es.
Und deswegen gehört hierhin nun tatsächlich die zweite Szene aus dem Neuen Testament mit der Frage danach, wann es endlich so weit ist mit dem Reich: Apg. 1, 6-8.
Sie passt gut heute zwischen Himmelfahrt und Pfingsten:
Die zusammengekommen waren fragten Jesus: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Und nun muss ich doch noch etwas aus der Geschichte des zehnjährigen Ladens mittendrin erzählen, oder besser: aus der Zeit, als wir ihn noch planten.
Es war damals ganz und gar unsicher, ob das zu schaffen sei.
Ob sich genug Freiwillige finden würden.
Ob es nicht auf ein finanzielles Desaster hinauslaufen würde.
Die Räte der Gesamtgemeinde waren ratlos.
Und da, ich jedenfalls sehe es so, kam uns der Geist Gottes zu Hilfe.
Einer der Räte sagte plötzlich: Schwestern und Brüder, lasst uns auf die Hoffnung setzen. Denn wegen der Hoffnung sind wir doch schließlich da.
Daraufhin gingen die Räte das Risiko ein.
Das war für mich so ein Geisterlebnis.
Wenn wir uns hier im Kirchensaal umhören würden, könnten ganz bestimmt viele von euch aus ihrem Leben Ähnliches berichten.
Sie könnten, ihr könntet von Erfahrungen berichten, wo etwas im Sinne Jesu gewagt wurde, dessen Ausgang ganz und gar ungewiss war.
Wo ein Geistesblitz dem eigenen manchmal müden oder lahmen Geist zu Hilfe kam. Es wäre gut, wenn wir uns gegenseitig mehr von solchen Erfahrungen berichten würden.
Als Jesus sagte: Ihr werdet meine Zeugen sein, bis an die Enden der Erde, dachte er sicher nicht an den Schwarzwald oder die Baar
Der lag damals eher noch außerhalb der Welt.
Aber ich bin mir sicher:
Das Wort gilt heute für uns und für hier.
Lasst uns ihn also erwarten, Jesu Geist, mittendrin in unserem Leben,
mitten im Schwarzwald-Baar-Kreis wie in der noch abgelegeneren Oberlausitz …
Lasst ihn uns –seine Kraft erwarten für die Situationen,
die uns ratlos machen oder gar verzweifelt,
und nicht zu schnell aufgeben.
Lasst ihn uns erwarten in unseren Familien und an unserem Arbeitsplatz.
Lasst ihn uns nicht hinaushalten aus unseren Überlegungen für die kirchlichen Herausforderungen (ich sage nur Strukturreform)!
Und lasst uns auch in den gesellschaftlichen Fragestellungen (ich sage nur Klimaschutz)! erwarten, dass uns Gottes, Jesu Geist mit seiner Kraft zu Hilfe kommt.
Jesus hat ihn uns versprochen. Da wird es hell in uns und im Zusammenleben. Da ist das Himmelreich nahe, da erleben wir es mittendrin.
Amen
Benigna Carstens
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