Karfreitag: Vom Kopf auf die Füße gestellt
10.04.2020 (Karfreitag), BIBELSTELLE 2. Korinther 5, 19-21
10.04.2020 (Karfreitag), BIBELSTELLE 2. Korinther 5, 19-21
Liebe Gemeinde hier in Königsfeld,
liebe Beteiligte und Mitfeiernde an den Bildschirmen!
Heute am Karfreitag hören wir hier Abschnitte aus der Passionsgeschichte,
hören vom Leiden und Sterben Jesu Christi.
Die Texte sind in etwa die gleichen wie im vergangenen Jahr und wie so viele Jahre vorher schon.
Doch wir sind nicht die gleichen.
Zum einen hat sich unser Leben sowieso verändert im vergangenen Jahr.
Wenn Sie kurz für sich nachdenken wollen …
Vor einem Jahr … und heute.
Für die einen gab es kleinere, für die anderen größere Veränderungen.
Zum anderen ist unser Leben dieses Jahr anders wegen dieses Virus, das die Verhältnisse reichlich auf den Kopf gestellt hat.
Wir sind hier nur eine Handvoll im fast leeren Kirchensaal.
Und das ist noch eine halbwegs leichte Folge dieser Krise.
Was ich sagen will: wir hören dieses Jahr die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu anders.
Weil wir anders geworden sind,
und weil die Situation eine andere ist.
Die Wege sind ungewisser, oft auch schwerer.
Wir verzichten auf vieles, was uns lieb ist.
Nicht nur, weil wir müssen – auch weil es vernünftig ist, verantwortlich.
Begegnungen, Familientreffen, gemeinsames Singen und Beten im Gottesdienst, anderes mehr.
Man sucht sie nicht, diese schweren Wege.
Man wird nicht gefragt.
Man gerät in sie hinein.
Es ist nicht möglich, das Virus abzuschütteln.
Wir müssen seinen Weg gehen.
Die Bibeltexte heute beschreiben auch einen schweren Weg.
Einen Weg, in den Jesus hineingeraten ist,
den er nicht abgeschüttelt hat.
Einen Weg, den er gegangen ist.
Verzicht und Opfer seinerseits.
Drei Gedanken bringe ich dazu mit.
Drei Gedanken, die ich versuche, Ihnen anschaulich zu machen, bevor dann dieser schwere, letzte Weg Jesu zu Gehör gebracht wird.
Mein erster Gedanke ist:
Gut, dass Jesus das auch kennt!
Gut, dass Gott in Jesus mit uns unterwegs ist auf unseren schweren Wegen.
Gut, dass wir da nicht allein unterwegs sind.
Auf die Frage: Wo ist denn Gott, hier in meinem Dunkel?
… kommt damit sogleich die Antwort: Ganz nahe bei dir – ist Gott.
Voller Mitleid – voller Barmherzigkeit.
Gott macht nicht gleich alles anders, besser – doch Gott ist da,
ist an deiner Seite,
und das kann Mut geben und Kraft – und Hoffnung.
Mein erster Gedanke: Gott ist in Jesus mit uns unterwegs – und wir mit ihm.
Mein zweiter Gedanke zu diesen Jesus-Geschichten heute ist:
Mit dem Kreuz war es nicht zu Ende.
Mit dem Kreuz hört die Geschichte nicht auf.
Wer Jesus in Gedanken begleitet auf seinem Weg,
oder auch anders herum:
wer sich von Jesus begleiten lässt auf seinem eigenen Weg,
der wird erfahren:
Hier wirst du gestärkt,
hier wirst du ermutigt,
hier wirst du getröstet.
Es geht hier mit Jesus wohl ganz (!) in die Tiefe – und es geht mit Jesus dann ins Licht.
Jesus nimmt dich mit – mit zum Ostermorgen.
Mein zweiter Gedanke: mit dem Kreuz ist es nicht zu Ende.
Mein dritter Gedanke hängt an einem Bibeltext von Paulus.
Der Episteltext für den Karfreitag.
Drei Verse aus dem 2. Korintherbrief.
Drei Verse, in denen viel von Versöhnung die Rede ist.
1 Zunächst, dass Gott in Christus die Welt mit sich selbst versöhnt hat.
2 Dann, dass er damit uns die Aufgabe gibt, Versöhnung in die Welt zu bringen.
Dass wir sozusagen seine Botschafter der Versöhnung sind.
3 Und dass wir für die Versöhnung, die in Gott angeboten wird, werben sollen.
Denn: in Christus hat Gott die Welt auf den Kopf gestellt – oder besser: vom Kopf auf die Füße.
Jedenfalls ganz schön gedreht und getauscht.
Denn da ist von einem göttlichen Tausch die Rede.
Martin Luther sprach von einem „fröhlichen Wechsel“.
Der Kernsatz unseres Bibelabschnitts ist wohl dieser:
dass Gott den Christus, also den, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht hat.
Damit wir die Gerechten wären.
Da tauscht Gott die Rollen – tauscht mit uns.
Hier sind wir in der Mitte des großen Geheimnisses,
in dem Gott in Christus die Welt mit sich versöhnt.
Und wir heile bei Gott herauskommen.
Hört Paulus im 2. Korintherbrief – die Neue Genfer Übersetzung:
19 Ja, in der Person von Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt, so dass er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnet;
und uns hat er die Aufgabe anvertraut, diese Versöhnungsbotschaft zu verkünden.
20 Deshalb treten wir im Auftrag von Christus als seine Gesandten auf;
Gott selbst ist es, der die Menschen durch uns zur Umkehr ruft.
Wir bitten im Namen von Christus: Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet!
21 Den, der ohne jede Sünde war, hat Gott für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch die Verbindung mit ihm die Gerechtigkeit bekommen, mit der wir vor Gott bestehen können.
So gehen wir weiter hinein in diesen Karfreitags-Gottesdienst im Jahre 2020.
So gehen wir dann Schritte weiter auf unserem Lebensweg in dieser merkwürdigen Zeit.
Ermutigt und getröstet – denn Gott ist in Christus mit uns unterwegs.
Mit klarem Blick nach vorn – denn hinter dem Kreuz schimmert schon der Ostermorgen.
Und mit dem Auftrag, Botschafter der Versöhnung zu sein an Christi statt.
Denn Gott hat uns mit sich versöhnt, in dem er in diesem „fröhlichen Wechsel“ die Rollen getauscht hat.
Und uns damit befähigt und befreit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Dekan Wolfgang Rüter-Ebel, VS-Villingen