19. März 2023, 4. Sonntag in der Passionszeit Lätare
Jesaja 54, 7-10
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Liebe Gemeinde,
kennen Sie / kennt Ihr die Namen der Sonntage in der Passionszeit? Ich habe sie einmal in einem Merkspruch so gelernt: „In rechter Ordnung lerne Jesu Passion.“ Jeder Anfangsbuchstabe des Merkspruchs weist auf den Sonntagsnamen hin: Invokavit, Reminiszere, Okuli, Lätare, Judika, Palmarum. Heute sind wir am Sonntag Lätare angekommen. Lätare bedeutet: Freuet euch! Mitten in der Passionszeit ist dieser Sonntag ein kleines Fest der Freude. Mitten in die Zeit, in der wir besonders an das Leiden von Jesus denken, strahlt schon ein Lichtschimmer der Auferstehung auf. Es ist fast so, wie das Bergfest. Alle, die schon einmal eine Kur mitgemacht haben, die kennen das. In der Mitte der Zeit wird das Bergfest gefeiert, als ein Zeichen, dass die längste Zeit der Kur hinter einem liegt. Und so befinden wir uns mit dem Sonntag Lätare auf dem Weg zu Ostern hin. Ich lese den Predigttext:
Gott spricht: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer. (Jesaja 54, 7-10 Lutherbibel 2017)
Was war geschehen? Das Volk Israel wurde aus der Heimat vertrieben und lebte nun in Babylon in der Fremde. Selbst nach vielen Jahren bleibt die Fremdheit und Heimweh wird spürbar. Die Erinnerung an alte Zeiten ist wach, als das Land noch nicht verwüstet und das Gotteshaus noch nicht zerstört war. Und dann stand die Frage im Raum: Wo ist Gott?
Wo ist Gott? Ist er da? Diese Frage ist auch eine Frage unserer Zeit. Auch heute werden viele Menschen vertrieben aus ganz verschiedenen Gründen. Menschen fliehen, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht, weil Diktatoren mit aller Gewalt die Macht an sich reißen, weil es an dem Nötigsten zum Leben fehlt, weil sie wegen ihres Glaubens verfolgt werden, weil es ihre Heimat gar nicht mehr gibt. Und die Liste lässt sich noch fortführen, warum Menschen fliehen müssen. Angesichts des großen Leids in dieser Welt möchten wir unentwegt rufen: Gott, wo bist du?
Nicht nur heute hören wir diese Frage. Wenn wir an die Leidensgeschichte von Jesus denken, dann erinnern wir uns an seine Worte am Kreuz: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Diese tiefgreifende Erfahrung der Gottverlassenheit hat auch Jesus durchlitten. Es sind die schmerzlichsten Erfahrungen, die wir Menschen machen, wenn wir verlassen werden. Wenn niemand mehr da ist, der vertraut ist und der zu einem steht. Es ist wie ein Abgrund, der sich vor einem auftut und der Menschen zu verschlingen droht. Einsam, verlassen von Gott und der Welt.
Die dramatischen Auswirkungen der Gottesferne in unserem Land sehen wir in unseren Tagen sehr deutlich. Die Mitgliederzahlen gehen in allen Bundesländern zurück. Immer mehr Menschen wenden sich ab von der Kirche. Sie erleben sie als viel zu weit entfernt von ihrer Lebenssituation, als zu starr und aus der Zeit gekommen. Der christliche Glaube verliert immer mehr an Bedeutung. Kirchen werden verkauft oder als reine Konzertsäle genutzt. Vielen gehen die Reformen zu langsam voran.
Wie dankbar bin ich, dass unser Predigttext nicht beim Verlassensein endet. Nein, er beginnt an dieser Stelle und zeigt einen Weg auf, der uns heute Mut und Hoffnung macht.
Gott setzt einen Neuanfang. Er hat Erbarmen mit uns. Erbarmen bedeutet, dass Gott Mitleid mit uns, seinen Menschen hat. Er sieht, wie wir angesichts der Zahlen und der Reformen, die auch vor Königsfeld nicht Halt macht, zu resignieren drohen. Er sieht den Umbruch der Kirchen, die es im ganzen Land gibt und will uns ermuntern, nach Wegen zu suchen, wie wir mit dieser Situation gut umgehen können. Wir sind nicht allein unterwegs. Gott hat uns ein Zeichen gegeben. Jedes Mal, wenn wir einen Regenbogen sehen, dann dürfen wir uns an den Bund erinnern, den Gott damals mit Noah geschlossen hat: Solange die Erde steht soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 1. Mose 8,22
Dieser Bund gilt auch für uns heute. Und wir haben von ihm den Auftrag bekommen, diese Erde zu schützen und zu bewahren. Lange Zeit haben wir hier in unserem Erdteil so gelebt, als hätten wir mindestens drei oder noch mehr Erden zur Verfügung. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der Klimawandel und die damit verbundenen Naturkatastrophen haben uns deutlich gezeigt, dass wir handeln müssen und zwar jetzt und sofort. Wir müssen unseren Lebensstil überdenken und ändern, damit die nachfolgenden Generationen dieser Erde genug zum Leben haben. Sorgsamer Umgang mit dem, was wir haben, das bedeutet auch dass wir eine große Verantwortung tragen. Und wir sollen den Schöpfer unseres Lebens und dieser Erde nicht vergessen. Er ist es, der uns einmal fragen wird, was wir getan und was wir unterlassen haben.
Am Ende unseres Textes steht die unerschütterliche Gnade und sein Erbarmen.
10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Gottes Gnade zu uns ist felsenfest und unerschütterlich. Er hält, was er uns verspricht. Seiner Gnade gilt. In jedem Gottesdienst, wenn am Ende der Segen gesprochen wird, dann spüren wir Gottes Nähe und Liebe ganz besonders.
Unser Kirchensaal ist ein Ort, an dem wir auch an den Wochentagen die Geborgenheit in Gott erfahren können. Im Alltag hierher kommen und einfach Zeit und Ruhe zu finden, um mit ihm im Gespräch zu sein. Anliegen auf Zettel schreiben, die dann in einem Fürbittengebet mit aufgenommen werden oder einfach da sein und auftanken. Gottes Gnade ist es, die uns leben lässt. Und Gott ist barmherzig.
Die Welt um uns herum scheint völlig aus den Fugen geraten zu sein und das macht uns Angst. Wir dürfen aber wissen, dass Gott mit uns unterwegs ist. Er lässt uns nicht allein. So wie der Regenbogen Himmel und Erde miteinander verbindet, so sind wir mit hineingenommen in Gottes Bund und seiner Liebe zu uns. Wir dürfen darauf vertrauen, dass seine Gnade uns allen gilt, ohne Bedingung. Sie ist sein Geschenk an uns. Sie ist wie ein Lichtschimmer der Ewigkeit, der in dunklen Zeiten zu uns dringt und unser Herz erfüllt und wärmt.
Wir können uns freuen, mitten in diesen Tagen der Passionszeit. Auch diese Zeit des Leidens in dieser Welt wird einmal zu Ende sein und wir dürfen in Gottes Wirklichkeit aufgehoben und geborgen sein.
Amen
Gabriele von Dressler
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