Karfreitag, 18. April 2025
Diese Predigt zum Ausdrucken
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“
„Es ist vollbracht.“ Ein Satz. Drei Worte. Im Griechischen sind es ein Wort.
Jedes Jahr am Karfreitag halte ich bei diesem Wort inne. „Es ist vollbracht.“ Es steht da, wie eingemeißelt. Im Griechischen ist es Perfekt – das bedeutet: etwas ist vollständig geschehen. Eine Handlung ist abgeschlossen. Ein Werk ist vollendet – und seine Wirkung bleibt bestehen.
Aber was genau wurde durch Jesu Tod „vollbracht“?
Im Johannesevangelium ist der Kreuzestod Jesu kein bloßes Ausgeliefertsein, keine Ohnmacht, sondern: der Ort der souveränen, liebevollen Vollendung. Jesus wird gekreuzigt – ja. Aber Johannes erzählt es anders als die anderen Evangelisten. Kein Simon von Kyrene, der das Kreuz tragen muss – Jesus trägt es selbst. Er geht hinaus – aktiv, selbstbestimmt.
Die Szene ist knapp erzählt – ein Halbsatz: „Sie nahmen aber Jesus…“
Aber was in diesen Versen geschieht, ist monumentaler als alle Details: Jesus regelt vom Kreuz aus, seine letzten Dinge. Er sorgt für seine Mutter, übergibt den geliebten Jünger in eine neue Familie, und schließlich übergibt er den Geist. Er wird ihm nicht genommen. Er gibt übergibt ihn freiwillig. Jesus bleibt – auch beim Sterben – souverän.
Zwischen Kreuzigung und Tod liegen drei Szenen, sorgfältig komponiert:
- Die Inschrift über dem Kreuz: „Jesus von Nazareth, König der Juden“ – auf Hebräisch, Lateinisch und Griechisch. Eine Proklamation, die ironisch gemeint sein mag, aber zur Wahrheit wird. Jesus ist der König – nicht trotz, sondern durch das Kreuz.
- Die Verteilung der Kleider: Psalm 22,18 wird erfüllt – und zwar bis in die sprachliche Struktur hinein. Die Kleider werden geteilt, das Untergewand – „ungenäht“ – bleibt ungeteilt. Ist das ein Bild für die unzertrennbare Einheit der Christusgemeinschaft? Oder ein Zeichen für etwas, das nicht aufgeteilt, nicht besessen werden kann – sondern nur empfangen?
- Die Szene mit Maria und dem Jünger ist mehr als ein Fürsorgeakt. Es ist ein „Stellvertretungstausch“. Der Jünger tritt an Jesu Stelle. Es ist ein Platzwechsel. Ein „fröhlicher Wechsel“, wie Luther sagt. Und es spiegelt Jesu Stellvertretertod für uns wider.
Dann sagt Jesus: „Mich dürstet.“
Er bekommt Essig gereicht – mit Ysop. Und das ist kein Zufall. Denn Ysop ist im Alten Testament ein Reinigungswerkzeug. Es wird bei der Passafeier, in Entsündigungsriten verwendet. Der Tod Jesu ist Reinigung und Entsühnung – nicht im Sinne eines blutigen Opfers, das Gott fordert, sondern als Befreiung, als Auflösung der Schuld, die auf uns liegt.
Und dann senkt er sein Haupt – vielleicht ein zustimmendes Nicken, wie ein König, der sagt: „Es ist gut.“ Und er übergibt den Geist.
Liebe Gemeinde, Jesu Tod ist kein Unfall, kein Scheitern, kein rein menschliches Leiden. Und doch ist es wirkliches Leiden, wirklicher Tod. Keine Show. Kein göttliches Theater. Johannes lässt keinen Zweifel: Das, was geschieht, ist echt – und zugleich eschatologische Vollendung.
Denn:
Gott selbst nimmt den Platz der Sünder ein.
Der Schuldlose trägt, was uns beschwert.
Der König stirbt – aus Liebe.
„Es ist vollbracht.“ – In diesem Wort ist das Ziel der Schrift, die Vollendung der Schöpfung, das Ende des Getrenntseins von Gott. Die Geschichte Gottes mit uns Menschen findet hier ihren Tiefpunkt – und ihren Höhepunkt zugleich.
Liebe Gemeinde, das Kreuz ist nicht leicht zu verstehen. Und das ist gut so. Es widersetzt sich vorschnellen Erklärungen, theologischen Formeln, menschlicher Kontrollsucht. Es entzieht sich der Machbarkeit.
Und doch spricht es in unser Leben:
- Wer kennt nicht das Gefühl, völlig am Ende zu sein?
- Wer hat nicht schon einmal gedacht: Ich halte das nicht mehr aus?
- Wer hat sich nicht danach gesehnt, dass jemand anders den Platz einnimmt – wenigstens für einen Moment?
Das Kreuz sagt: Jesus hat diesen Platz eingenommen. Für dich.
Nicht, um dich zu bemitleiden. Sondern um dich aufzurichten.
Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht in gefährliche Trostbilder abrutschen.
Jesus wurde nicht geopfert, damit wir nun alle Opfer sein müssen.
Er starb nicht, damit wir das Leiden vergötzen.
Er starb nicht, damit wir Schuld beschönigen oder übertünchen.
Nein – er starb, um uns zu befreien. Von Schuld. Von Angst. Von der Macht des Todes.
Er stirbt freiwillig, souverän, in Liebe. Das ist der Unterschied.
Das ist kein „Versöhnungszwang“, kein „Leid muss sein“, kein „stell dich nicht so an“.
Das ist die Botschaft: Du bist nicht mehr allein.
Gott kennt dein Leid. Gott geht in dein Leid hinein. Und verwandelt es. „Es ist vollbracht“.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gerald MacDonald
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