Bei der Neugestaltung des Zinzendorfplatzes wurde nicht nur um das Ganze, sondern auch um manches Detail gerungen. Denn am schönsten ist es, wenn eine Gestaltung für sich selbst spricht, wenn die Form stimmig ist sowie intuitiv erfasst wird. Manches andere versteht man, wenn man um Hintergründe weiß und die Bedeutung kennt. Hier ein paar Beispiele.
Zinzendorfstein
Wo soll der Zinzendorfstein hin? Das war eine Frage bei der Neugestaltung. Soll das Denkmal wieder in die Mitte ans Wegekreuz? Nein, bitte nicht. Der Stein steht jetzt frisch überholt in einem der Blumenfelder, der Blick Zinzendorfs geht zur Mitte. Gut so, denn der Platz erhielt zwar 1933 den Namen des Grafen, um anderen Widmungen zuvorzukommen, aber Zinzendorf steht nicht im Mittelpunkt der Gemeinschaft.
Der Brunnen in der Mitte
Nun ist er wieder da, der Brunnen in der Mitte des Platzes. Als er im letzten Sommer aufgebaut wurde, konnte man sehen, mit welcher Sorgfalt die Steinmetze den roten Sandstein aus dem heimischen Seedorf ausgesucht und bearbeitet haben. Einen ähnlichen Brunnen gibt es bis heute in einer der ältesten Siedlungen der Brüdergemeine auf dem Herrnhaag. In Königsfeld gab es bis 1870 ebenfalls einen Brunnen in der Mitte, einen achteckigen Trog erst aus Holz, dann aus Eisen mit Brunnenstock und vier Laufröhren. Als er nicht mehr gebraucht wurde, setzte man an die Stelle 1887 eine Wettersäule. Zuletzt war an der Stelle nichts mehr. Schön, dass dort nun der Brunnen ist. Zum Plantschen – und weil die Brüdergemeine den Brunnen im Zentrum der Gemeinde als Hinweis auf Jesus Christus versteht, der lebendiges Wasser gibt (Johannes 4, 10).
Wo ist denn hier die Kirche?
„Man sieht nun, wie groß der Platz ist.“ So sagten es viele in der letzten Zeit. Man kann das Ensemble wieder wahrnehmen. So war es auch einmal gedacht. Königsfeld ist die letzte Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine in der barocken Siedlungsperiode. Das macht sie besonders. Man orientierte sich an den typischen Formen der anderen Siedlungen. Dazu gehörte nach Möglichkeit eine Anordnung der Häuser um einen freien Platz. Der „Große Saal“ war in einem der Häuser untergebraucht, etwas hervorgehoben, aber doch eingebunden in die Zeile der anderen Gebäude. Es gab noch andere Säle, etwa im Schwesternhaus. Das ganze Leben sollte Gottesdienst sein: Aufwachen, arbeiten und schlafen können liturgisch verstanden werden; Kirche ist nicht nur sonntags, sondern jeden Tag und in allen Häusern. Der „Große Saal“, heute zur allgemeinen Verständlichkeit „Kirchensaal“ genannt, ist die gute Stube für sonntags und wann immer man sie braucht.
Keine Insel der Seligen
Herrnhuter Siedlungen waren als Orte des Kommens und Gehens gedacht. Darum blieb der Gasthof die erste Adresse am Platz – dort gelegen, wo die Straße den Platz erreicht. Gemeinden sollten nach der Auffassung Zinzendorfs keine „Insel der Seligen“ sein, sondern „Lazarett“ und „Pfeilschmiede“ – um für die Aufgaben des Lebens gerüstet zu sein. Ein Ort zum Auftanken und Kräftesammeln ist Königsfeld heute noch für die Gäste in den Reha-Einrichtungen.
Die Theologen der Brüdergemeine haben gerne nach den biblischen Bezügen in den Gestaltungsformen der Gemeinde gesucht. In den letzten Jahrzehnten stand die Frage im Raum, ob die klassischen Herrnhuter Siedlungsformen etwas mit der Vision des „himmlischen Jerusalem“ zu tun haben, die am Ende der Bibel steht. Zwölf Tore bei zwölf Häusern am Platz könnten darauf hinweisen. Es lässt sich aber nichts finden, das belegen würde, dass die Herrnhuter früher die Siedlungen so gedeutet hätten, während es im Kirchensaal und auf dem Gottesacker mancherlei Bezüge zur Offenbarung gibt.
Zinzendorf warnt eher vor Idealisierungen. Umso spannender ist der 2009 von Ulrike Carstensen publizierte Hinweis auf das Büchlein des Landvermessers P. C. G. Reuter, der für die Herrnhuter eine Siedlung in Nordamerika planen sollte. In seinem „Rissbüchlein“ von 1761 bezieht er sich auf Städte der Leviten, wie sie im Alten Testament beschrieben werden (4. Mose 35 u. a.). Sie versahen in Israel den Dienst der Priester. Das trifft sich gut mit dem Selbstverständnis der Herrnhuter als Gemeinschaft im Dienst an Gott und den Menschen.
All dies kann man erkennen, entdecken oder erfahren auf dem neugestalteten Zinzendorfplatz. Ein Kompliment und ein Dank an die Verantwortlichen.
Christoph Huss (Dachreiter 2019-3)