20.08.2023, 11. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 7, 36-50
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Gnade sei mit euch und Friede durch unseren Herrn Jesus Christus Amen.
Der Predigttext heute ist Lukas 7, 36-50.
36Einer der Pharisäer lud Jesus zum Essen ein. Jesus ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch.37In der Stadt lebte eine Frau, die als Sünderin bekannt war. Sie erfuhr, dass Jesus im Haus des Pharisäers zu Gast war. Mit einem Fläschchen voll kostbarem Salböl ging sie dorthin.38Die Frau trat von hintenan das Fußende des Polsters heran, auf dem Jesus lag. Sie weinte so sehr, dass seine Füße von ihren Tränen nass wurden. Mit ihrem Haar trocknete sie ihm die Füße, küsste sie und salbte sie mit dem Öl.
39Der Pharisäer, der Jesus eingeladen hatte, beobachtete das alles und sagte sich: „Wenn Jesus ein Prophet wäre, müsste er doch wissen, was für eine Frau ihn da berührt – dass sie eine Sünderin ist.“40Da wandte sich Jesus an ihn und sagte: „Simon, ich habe dir etwas zu sagen. „Er antwortete: „Lehrer, sprich!“41Jesus sagte: „Zwei Männer hatten Schulden bei einem Geldverleiher: Der eine schuldete ihm fünfhundert Silberstücke, der andere fünfzig.42Da sie es nicht zurückzahlen konnten, schenkte er beiden das Geld. Welcher von den beiden wird den Geldverleiher dafür wohl mehr lieben?“43Simon antwortete: „Ich nehme an der, dem der Geldverleiher mehr geschenkt hat. „Da sagte Jesus zu ihm: „Du hast recht.“
44Dann drehte er sich zu der Frau um und sagte zu Simon: „Siehst du diese Frau? Ich kam in dein Haus, und du hast mir kein Wasser für die Füße gebracht. Aber sie hat meine Füße mit ihren Tränen nass gemacht und mit ihren Haaren getrocknet.45Du hast mir keinen Kuss zur Begrüßung gegeben. Aber sie hat nicht aufgehört, mir die Füße zu küssen, seit ich hier bin.46Du hast meinen Kopf nicht mit Öl gesalbt. Aber sie hat meine Füße mit kostbarem Öl gesalbt.47Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben. Darum hat sie so viel Liebe gezeigt. Wem aber wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.“48Dann sagte Jesus zu der Frau: „Deine Sünden sind dir vergeben.“49Die anderen Gäste fragten sich: „Wer ist dieser Mann, der sogar Sünden vergibt?“50Aber Jesus sagte zu der Frau: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden.“
Liebe Gemeinde,
Es war einmal eine Mutter. Sie hatte drei erwachsene Söhne. Alle drei waren schon aus dem Haus und hatten einen guten Weg in das Leben gefunden. Wenn der Große zu Besuch kam, fragte er gleich nach der Begrüßung: „Mama, was kann ich Dir helfen? Gibt es im Haus etwas zu reparieren?“ Wenn der Mittlere Nachhause kam, fragte er als erstes: „Mama, was gibt’s zu essen?“ Der Dritte fiel ihr um den Hals und sagte: „Mama, ich hab‘ dich lieb!“
Die drei Brüder sind alle im gleichen Haus aufgewachsen und doch so verschieden. Eins haben sie aber gemeinsam. Alle drei lieben ihre Mutter. Sie zeigen es nur auf unterschiedlicher Weise. Der Älteste hilft. Der Mittlere bereitet ihr Freude durch seine Wertschätzung ihrer Kochkunst. Der Jüngste kann ihr einfach mit ganzem Herz sagen, wie sehr er sie liebt. Das würde der Große nie machen.
Es gibt unterschiedliche Weisen, Liebe zu zeigen und zu leben. Die Mutter kann das bei ihren Jungs wahrnehmen, weil sie die drei mit den Augen einer liebenden Mutter betrachtet. Sie sieht, wie unterschiedlich die drei sind. Sie sieht auch, dass sie unterschiedliche Bedürfnisse haben und ihre Liebe auf unterschiedliche Art zum Ausdruck bringen.
Jesus trifft im Haus des Pharisäers auf zwei sehr unterschiedliche Menschen. Der Geistliche und die Sünderin. Es treffen zwei Welten in einem Haus aufeinander.
Da ist Simon, der Jesus in sein Haus eingeladen hat. Wahrscheinlich war Simon schon einmal dabei, als Jesus gepredigt hat. Es fasziniert Simon, wie Jesus die heiligen Schriften auslegt. Doch er ist sich noch nicht sicher, was er von Jesus halten soll. Ist er ein Prophet?
Simon empfängt Jesus in seinem Haus, um mit ihm über die Schrift und die Lehre zu diskutieren. Simon gilt als ein Gerechter. Er ist kein „böser“ Pharisäer, wie wir zu oft von den jüdischen Geistlichen damals denken. In Jesus sieht er einen Propheten oder Lehrer. Simon ist offen und neugierig. Wer ist Jesus?
Während Simon reden und diskutieren möchte, sagt die namenlose Sünderin kein Wort. Sie zeigt auf andere Weise, dass Jesus für sie wichtig ist. Sie handelt und tut sogar sehr viel: Sie bringt ein Gefäß mit Salböl, sie netzt Jesu Füße mit ihren Tränen, sie trocknet seine Füße mit ihren langen Haaren, schließlich küsst sie die Füße und salbt sie mit dem Öl. Eine erstaunliche Szene!
Sie war mit Sicherheit nicht eingeladen und hatte mit Simon bislang nichts zu tun, denn als Sünderin war sie aus seinen Kreisen ausgeschlossen. Da sie nicht spricht, erfahren wir den Grund ihres Handelns nicht.
Auch warum sie weint, wissen wir auch nicht. Doch auch sie hat schon von Jesus gehört. Sie hat erlebt oder erfahren, dass Jesus gerade auch zu den Menschen hingeht, die sonst keiner beachtet. Sie sieht in Jesus einen Freund oder einen Helfer – einen, der sie nicht verachtet und auch für sie da ist.
Da sind zwei so unterschiedliche Menschen, beide haben unterschiedliche Erwartungen an Jesus und beide spüren auf ihre Weise eine Zuneigung zu ihm.
Und Jesus? Obwohl beide für ihn nahezu fremde Menschen sind, schaut Jesus beide mit den Augen der Liebe an. Stellen wir uns für einen Moment vor, wir wären irgendwo zu Gast, ein wildfremder Mensch käme auf uns zu und würde uns mit Zärtlichkeiten überschütten. Wir wären wahrscheinlich ziemlich irritiert. Wir würden es als übergriffig und unangenehm empfinden. Vermutlich würden die meisten von uns versuchen, sich der Situation zu entziehen.
Als eine Art Promi seiner Zeit ist Jesus es gewohnt, dass die Menschen ihn berühren wollen. Er lässt die Frau gewähren. Er weist sie nicht zurück. Er spürt, diese Tränen müssen geweint werden. Jesus spürt auch, wie unwohl Simon sich bei der ganzen Sache fühlt: „Eine Sünderin in seinem Haus und Jesus erkennt es nicht – er kann kein Prophet sein.“
Durch Gedankenübertragung weiß Jesus, was Simon durch den Kopf geht. Doch er weist ihn nicht zurecht oder hält ihn eine Bußpredigt. Nein. Jesus geht auf Simon ein und gibt auch ihm das, was er braucht. Er fordert ihn zum Nachdenken heraus – durch ein Gleichnis: Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er‘s beiden.
„Wer von ihnen wird den Gläubiger, der so großzügig ist, mehr lieben?“, lautet die Frage, die Jesus stellt; und Simon antwortet erwartungsgemäß: Ich denke, der, dem er mehr geschenkt hat.
Es ist die Großzügigkeit dieses Gläubigers, die das Gleichnis nach menschlichen Maßstäben unglaubwürdig macht. Warum sollte er ohne ersichtlichen Grund so große Schulden erlassen? Nach den gängigen Regeln der Welt, ist das nicht zu glauben. Doch Gott widersetzt sich immer wieder den gängigen Regeln dieser Welt. Wie sich auch Jesus den Regeln seiner Zeit widersetzt, als er die Frau einfach gewähren lässt. Schon an dem Punkt, als er ihr nicht verbietet, ihn zu berühren, hat er sie angenommen. Er hat sie nicht weggeschickt. Und auch Simon weist er nicht von sich, er weist ihn auf etwas hin: Du hast mir kein Wasser für die Füße gegeben, sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen genetzt.
Und er könnte ergänzen: „Trotzdem bin ich hier in deinem Haus geblieben und habe mit dir diskutiert. Ich habe auch dich so angenommen, wie du bist.“
Und dann geht er mit beiden einen Schritt weiter: Simon signalisiert er: „Pass auf, dass du über der Lehre nicht unbarmherzig wirst. Du sollst nicht nur die Schriften verstehen, sondern auch, was die Menschen bewegt. Neben der Liebe zu den Schriften braucht es auch die Liebe zu den Menschen. „Der Frau sagt er: „Du hast zwar Schuld auf dich geladen, aber du hast die Chance ergriffen, da rauszukommen. Du wirst nicht ein Leben lang darauf festgelegt. Dir sind deine Sünden vergeben.“
Jesus zeigt den beiden Menschen aus so unterschiedlichen Welten – Simon und der namenlosen Frau –, die mit so unterschiedlichen Erwartungen an ihn herangetreten sind, einen Liebeszeichen und traut ihnen zu, sich zu ändern. Beiden von ihnen.
Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Wenn wir die Menschen in unserer Nähe, aber auch die, die uns zufällig begegnen, mit den Augen der Liebe betrachten, dann werden unsere Urteile milder. Dann wird uns klar, dass auch wir immer wieder Gottes Liebe und Vergebung nötig haben.
Wenn Gott uns ohne Liebe richten würde, wären wir alle verloren. Es ist dank seiner Liebe, dass sein Urteil, d.h. unsere Verurteilung in einen Gnadenspruch umgewandelt wird.
Es ist interessant. Wenn man jemanden lange kennt, hat man Höhen und Tiefen mit dem erlebt. Weil man das Gute an einem alten Freund kennt, ist man eher bereit, seine Vergehen zu verzeihen. Das macht die Freundschaft aus. Wenn man aber jemanden kaum kennt, und er tut etwas Böses, bestimmt diese einzige Tat das Bild. Es fällt uns leicht ihn zu verurteilen.
Das heißt, alte Freundschaften haben schon so manchen Streit, so manche Verletzung überdauert. Da können wir Menschen mit dem Blick der Liebe aufeinander schauen, vergeben und sind nicht nachtragend. Die Mutter mit den drei Söhnen, von der ich am Anfang erzählt habe, hat wahrscheinlich eine Weile gebraucht, um in den unterschiedlichen Begrüßungen ihrer Jungs Zuneigung zu entdecken. Vielleicht hat sie dem Mittleren auch erst einmal vorgeworfen: „Du besuchst mich nur weil Du deinen Bauch vollstopfen willst. Hier ist doch nicht das Hotel Mama.“ Hätte sie den Blick der Liebe nicht angewandt und nur bei dem Sohn Liebe erkannt, der es ihr aus vollem Herzen sagt, dann hätte sie viel Liebe verpasst – die Liebe des Großen, der helfen will und die Liebe des Mittleren, der ihre Gesellschaft bei einem guten Essen genießt.
Die Augen der Liebe. Jesus schaut die Menschen mit den Augen der Liebe an, die barmherzig macht und Menschen nicht auf ihre Vergangenheit festlegt. Es ist eine Liebe, die für jeden und jede von uns Möglichkeiten sieht und schafft. Und Gott sei Dank dafür!
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gerald MacDonald
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