4. Februar 2024, Sexagesimä
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Gnade sei mit euch und Friede durch unseren Herrn Jesus Christus Amen.
Liebe Gemeinde,
das Gleichnis vom Wachstum des Samenkorns finden wir nur im Markusevangelium. Das Gleichnis vom Samenkorn auf unterschiedlichen Erden findet man dagegen in allen Evangelien außer dem Johannesevangelium. Einiges fiel auf den Weg und wurde von den Vögeln aufgefressen. Einiges fiel auf den Felsen und trocknete aus und einiges viel mitten unter den Dornen und wurde erstickt.
Aber, einiges fiel auf gute Erde, ging auf und trug hundertfach Früchte. Dieses Gleichnis ist aber nicht der Predigttext, denn bei diesem Gleichnis ist ein Prediger oder eine Predigerin fast überflüssig. Warum? Weil Jesus selbst das Gleichnis auslegt. Wenn seine Jünger ihn nach einer Auslegung bitten, gibt Jesus die folgende Erklärung:
- Der Same ist Gottes Wort.
- Der Same, der auf den Weg fällt, ist das Wort, das aufgenommen wird, wird aber vom Teufel weggenommen, wenn man ihn auf dem Weg begegnet.
- Der Same, der auf den Felsen fällt, ist das Wort, das aufgenommen wird, stirbt aber schnell von alleine, weil es keine tiefen Wurzeln geschlagen hat.
- Der Same, der in die Dornen fällt, ist das Wort, das aufgenommen wird, wird aber von den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des irdischen Lebens erstickt.
- Der Same, der auf gute Erde fällt, ist das Wort, das aufgenommen wird, Wurzeln schlägt, Nahrung bekommt, gesund aufwächst und Frucht trägt.
Wenn ich also über dieses Gleichnis predigen würde, könnte die Predigt schon zu Ende sein. Es geht aber um das andere Gleichnis, das tatsächlich auf den letzten Samen aufbaut, der auf gute Erde fällt, wächst und gedeiht und am Ende Frucht trägt.
Das Gleichnis vom Wachstum des Samens ist nicht nur ausschließlich bei Markus zu finden, es ist auch das einzige Gleichnis, dass mit den Worten „mit dem Reich Gottes ist es so“ beginnt.
Als ich das Gleichnis vom Wachstum des Samens lass, fragte ich mich, warum diesen Vergleich? Warum vergleicht Jesus Gottes Reich nicht mit – sagen wir – einem menschlichen Königreich? Oder wenn er unbedingt ein Bild aus der Natur nehmen wollte, hätte er einen Berg oder das Meer nehmen können. Das sind große und großartige Dinge, die eines Vergleichs mit Gottes Reich würdig sind. Was ist das Besondere an das Wachstum eines winzigen Samens?
Das Besondere ist, glaube ich, dass Wachstum ein Prozess ist. Das Reich Gottes, von dem Jesus spricht, ist kein Reich, das zu seinen Lebzeiten etabliert, mächtig und sichtbar war. Es war am Anfang. Es war im Werden. Jesus hat es ja gerade ins Leben gerufen.
Wenn man Jesu Lehre als Ganzes nimmt, geht es immer um das innere Leben eines Menschen. Bei der Bergpredigt, zum Beispiel, geht um innere Eigenschaften: Wir sollten sanftmütig, barmherzig, friedfertig, usw. sein.
Mit dem Reich Gottes ist es ähnlich. Es geht um Gottes Hoheit über unsere Seelen. Über unsere Emotionen. Über unsere Gedanken. Über unser inneres Leben. Gottes Werte sollten unser Denken und Handeln bestimmen, nicht unsere menschlichen Werte.
Und das Wachstum des Samens ähnelt unser Wachstum im Glauben: unser Wachstum als Untertanen – wenn man so will – in Gottes Reich. Wir sehen nicht und wissen nicht, wie der Same aufgeht und wächst. Es ist ein innerlicher Prozess.
Es ist ein Geheimnis. Gesteuert von Gott.
Das Wachstum erfolgt allmählich. In Schritten. Zuerst kommt der Halm, dann die Ähre und schließlich das ausgewachsene Korn in der Ähre. Im Stadium des Halms zum Beispiel ist es noch nicht erntereif. Natürlich kennen wir diese Dinge aus dem Bereich der Natur – aber so ist es auch im Reich Gottes! Es braucht viel Zeit, bis der Same abgestorben ist und die Pflanze alle Stadien durchlaufen hat und endlich die Zeit der Ernte gekommen ist.
Die Menschen zur Zeit Jesu waren ungeduldig. Im Gegensatz zu uns, oder? Warum konnten sie ihn nicht jetzt als König haben? Selbst die Apostel meinten, die Zeit sei reif für die Errichtung des Reiches, als er von den Toten auferstanden war. Aber jedes Mal lautet die Antwort: Wartet. Wartet auf den Herrn. Er scheint sehr langsam zu arbeiten, aber er arbeitet sehr gründlich.
Alles in diesem kurzen Gleichnis deutet auf die Ernte hin. Die Ernte ist das Ziel. Es ist zwar ein Wunder, wie die Saat in der Erde wächst, aber das ist nicht das Entscheidende. Das Wichtigste ist immer die Ernte. Auf dieser Erde kann es zu Missernten kommen, so dass es keine Ernte gibt. Das ist aber in der Lehre Christi in diesem Gleichnis ausgeschlossen. Im Reich Gottes ist die Ernte gewiss. Das Werk, das Gott vom ersten Tag an bis zum Ende der Welt vollbracht hat, wird nicht ergebnislos bleiben. Er wird seine Ernte einbringen. Er wird mit Freude kommen und die Ernte in seinen Speicher bringen. Wenn das Ende der Zeit gekommen ist und das ganze „volle Korn in der Ähre“ reif ist, wird er seine Sichel in die Ernte schicken.
Liebe Gemeinde, der Zeitpunkt der Ernte ist sehr wichtig.
Bei Gott, wie beim Bauer. Erntet man einen Tag zu früh, gibt es zu viele unreife Körner. Einen Tag zu spät sind bereits zu viele Körner auf den Boden gefallen. Es gibt Verluste.
Nach meiner Studienzeit habe ich für einen Erntesaison auf einer Farm in Bundesstaat Iowa gearbeitet. Es war die Familienfarm eines Freundes von der Uni. Sie waren Mennoniten. Eines Morgens fand ich den Vater meines Freundes, also den Bauer, vor dem Getreidespeicher mit einem Gartenschlauch. „Kannst Du mir helfen?“ fragte er. „Der Mais, den wir gestern geerntet haben, ist zu trocken. Wir haben ihn zu spät geerntet.“
Liebe Gemeinde, an dem Tag habe ich etwas für das Leben gelernt, es gibt beim Verkauf vom Futtermais einen idealen Feuchtegehalt: Alles oberhalb oder unterhalb des Idealwerts bedeutet weniger Geld für den Mais. Und das ist bei den Tonnen von Mais, die ein Bauer jedes Jahr erntet, sehr wichtig.
Also sagte der Bauer zu mir: „Nimm das Schlauchende, klettere auf den Speicher, und steck den Schlauch in das Loch oben am Speicher hinein. Ich will versuchen den Mais feuchter zu machen.“
So stieg ich an der Seite des Speichers in die Höhe hinauf, bis ich das Loch erreichte, durch das man normalerweise den Mais mit Hilfe eines Schneckenförderers hinauf transportiert und den Speicher befüllt. Ich hatte erstaunlich wenig Angst. Manchmal sind Jugend und Dummheit von Vorteil.
Erst als ich oben war, begriff ich wie unglaublich groß – und hoch! — der Speicher war. Und wie lächerlich schmal der Gartenschlauch war. Hätte ich damals Deutsch gesprochen, wäre mir den Spruch eingefallen: „ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Wie das sein mag, Zeit darüber zu philosophieren hatte ich nicht. Ich befestigte den Schlauch oben am Speicher, der Bauer drehte den Wasserhahn auf, und Wasser strahlte aus dem Schlauch in den Speicher hinein. Ich stieg herab und freute mich die Füße wieder auf festem Boden zu haben.
Der Bauer ging zum Speicher, öffnete den Elektrokasten an der Seite des Speichers, und schaltete den Trockner ein. Das Geräusch des Gebläses war betäubend laut. „Normallerweise schaltet man den Trockner ein, wenn der Mais zu feucht ist,“ schrie mir der Bauer zu. „Aber ich hoffe, dass die Luft das Wasser aufnimmt und den Mais feuchter macht. Es ist ja ein Versuch wert. Ich schalte den Lufterhitzer aus. Vielleicht wirkt es besser so.“
Und so lief es die ganze Nacht. Wasser und Luft und Mais sollten sich näher kennenlernen und wir hofften auf ein gutes Resultat.
Am nächsten Morgen, ca. 24 Stunden später, ging ich mit dem Bauer zum Speicher zurück. Aus einer kleinen Öffnung unten am Speicher nahm er eine Probe des Maises raus, tat es in sein Hightech Feuchtigkeitsmessgeräts rein, und gab das Ergebnis bekannt: Keine Änderung. Der Mais war immer noch zu trocken.
Liebe Gemeinde, der richtige Zeitpunkt ist so wichtig! Erntet man zu früh, ist der Mais zu feucht. Erntet man zu spät, ist er zu trocken. Und beide Fehleinschätzungen kosten Geld. Viel Geld.
Aber zurück zum Gleichnis: Der große „Ernter“ kennt den genauen Zeitpunkt. Wenn der Tag der Ernte gekommen ist, wird er es wissen. Wir dürfen nicht ungeduldig sein. Wir dürfen die Ernte nicht herbeisehnen, bevor der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wir dürfen auch nicht träge sein, und den richtigen Zeitpunkt verpassen, weil wir ihn verschlafen haben.
Dieses Gleichnis ist nicht dazu da, um uns zu lehren, wie die Gesetze Gottes in der Natur wirken. Im Gegenteil. Dieses Gleichnis nimmt das damalige Unwissen über die Naturgesetze, die das Wachstum eines Samens steuern auf, um Licht auf die Beschaffenheit von Gottes Reich zu werfen.
Nämlich, wir wissen zwar, dass mit Jesus, Gottes Reich angebrochen ist, wir wissen aber nicht, wie es wachsen und gedeihen wird. Wir wissen nicht, wann der Tag des Herrn kommt.
Wir wissen nur, dass das Reich Gottes genau das ist: Gottes Reich. Er hat es etabliert. Er lenkt sein Schicksal durch die Geschichte. Und er und nur er kennt den Zeitpunkt, wo es in Vollkommenheit stehen wird.
2. Petrus, 3:9: Wenn manche also meinen, Gott würde die Erfüllung seiner Zusage hinauszögern, dann stimmt das einfach nicht. Gott kann sein Versprechen jederzeit einlösen. Aber er hat Geduld mit euch und will nicht, dass auch nur einer von euch verloren geht. Jeder soll Gelegenheit haben, zu Gott umzukehren.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne im Christus Jesus. Amen.
Gerald MacDonald
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