Das Ende des Joches
Predigt 02.07.2017 (Reformationsgedenken am Gemeindefest) Galater 5, 1-6
Predigt 02.07.2017 (Reformationsgedenken am Gemeindefest) Galater 5, 1-6
Evangelienlesung: Matthäus 11, 28-30
Einleitung
Liebe Gemeinde, liebe Geschwister!
Wie fühlen sich Ihre Schultern heute morgen an?
Können sie sich frei bewegen oder sind sie eingeengt
à Diese Predigt will uns einladen, die Freiheit, die uns unser Glaube schenkt, zu erleben und zu leben; eine Freiheit, die sich die ersten Christen mühsam erkämpfen mussten.
Die ersten, die sich Jesus anschlossen, waren Juden gewesen, wie er selbst.
Als nach dem Tod und der Auferstehung von Jesus immer mehr Menschen Christen wurden, gab es eine Uneinigkeit darüber, ob die Menschen aus der Völkerwelt, Griechen, Römer, Germanen, und so, wenn sie Christen werden wollten, erst Juden werden müssten und alle den Juden auferlegten Gesetze befolgen müssten oder nicht: Festzeiten, Speisegebote, Beschneidung für die Jungens im Alter von acht Tagen. Die Beschneidung gilt als Zeichen der Zugehörigkeit zu Gottes Volk. Vor einigen Jahren gab es eine juristische Debatte darum. Beschneidung gegen das Recht auf Unversehrtheit. Die Moslems haben den Ritus der Beschneidung später in veränderter Form übernommen. Die Christen nicht.
Darum geht es genau in dem Abschnitt.
Textlesung Galater 5, 1-6
Liebe Schwestern und Brüder!
(Joch aufnehmen)
Die heutige Predigt zum Reformationsgedenken schien mir ein guter Anlass, wieder einmal das Joch aus dem Keller zu holen.
Als ich vor eingen Jahren hier zum ersten Mal über diesen Text gepredigt habe, habe ich mir ein Joch bei einem Asphaltbetrieb bei Rottweil ausgeliehen. Danach kam der damalige Hausmeister Br. Weißer zu mir und sagte,
dass auch die Bauern hier ein Joch verwendet haben, um die schweren Milcheimer vom Feld zu tragen.
Er hat uns ein Joch besorgt. Es wird seitdem in unserer Hausmeisterei aufbewahrt. Und vermutlich öfter bei Predigten verwandt als bei Arbeit in der Hausmeisterei.
(Joch ablegen)
Denn es gibt mehrere Texte in der Bibel, in denen es vorkommt, mit unterschiedlicher Bedeutung. In der Lesung bedeutete das Joch eine Tragehilfe; in dem Abschnitt aus dem Galaterbrief steht das Joch als Symbol für die Versklavung von Menschen, für Unfreiheit.
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Ursprünglich hatten die Leute in der Gegend Galatien, die Paulus besucht und denen er von Jesus erzählt hatte, begriffen, dass Jesus ein tiefes Vertrauen zu Gott möglich macht und dass dies das Halten vieler Gebote des Alten Testament überflüssig macht. Die sozialen Gebote hat Jesus verschärft, aber den rituellen Vorschriften setzt er ein Ende. Christen brauchen sich nicht an die Regeln zu halten über sogenanntes reines und unreines Essen. Männer müssen sich nicht beschneiden lassen, um Teil zu werden des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Gott fordert nicht die Erfüllung von Gesetzen. Es sucht ein Herz, das lieb hat.
Das Gott lieb hat und die Menschen: Das reicht.
Reicht das wirklich, fragten sich die Galater, als Paulus wieder weg war. Man will doch sicher gehen, dass man alles Nötige tut, dass Gott einen lieb hat.
Kennen wir diese Unsicherheit nicht:
Vielleicht sollte man doch auch noch
dann hätte Gott einen sicher noch lieber. Je mehr jemand auf der Suche ist und das Leben unsicher, umso empfänglicher ist er oder sie für solche Versuche der Einflussname.
Zu den Galatern kamen damals Christen aus Jerusalem, die fanden, das man doch besser erst ein guter Jude werden müsse, bevor man ein guter Christ sein könne. Also doch beschneiden und nur Fleisch essen, dass der jüdische Fleischer geschlachtet hat.
Was sollten die Galater jetzt machen? Der moralischen Übermacht der Leute aus Jerusalem waren sie nicht gewachsen. Die Freiheit kann manchmal mühsam sein. Da tut man lieber ein bisschen mehr. Sicher ist sicher!
Als Paulus wieder einmal in die Gemeinde kam, war diese völlig verändert. Die ursprüngliche Freiheit und Freude war weg; Eine Atmosphäre der Enge war eingezogen, die da entsteht, wo man sich gegenseitig kontrolliert und einer frömmer sein möchte als der andere.
Paulus war rasend, als er das mitbekam.
Denn glasklar sah er, dass es hier nicht um Äußerlichkeiten und kleine Unterschiede ging, sondern um das Zentrum der christlichen Botschaft. Entweder ist Christus, – das war er für die Menschen getan hat – die Basis der eigenen Sicherheit, und zwar alleine.
Solus christus, fasst Martin Luther zusammen. Oder es braucht noch alles Mögliche mehr, und dann ist er nicht mehr die Basis. Entweder ihr vertraut Gott, der Euch in Jesus seine Gnade[1] erwiesen hat – sola gratia – oder nicht.
Ganz oder gar nicht.
Ich will uns das noch einmal mit Hilfe des Joches deutlich machen.
[Pfarrer nimmt das Joch auf seine Schulter]
Das Joch ist das Symbol für allen Zwang, der Menschen auferlegt wird, auch wenn er im Kleid subtiler Manipulation einher kommt.
Hier steht sozusagen drauf: Du musst …
Du musst dieses oder jenes tun, um Gottes Gunst oder die Güte deiner Nächsten zu erwerben. Die Gesetze und Vorschriften des Altes Testamentes sind für uns weit weg, aber solche Zwänge gibt es auch heute.
Gibt es Dinge, die Sie tun müssen, damit sie sich gut fühlen?
Auch dies ist das Gesetz. Jesus hat das Gesetz getragen, auf seinen eigenen Schultern, freiwillig.
Das Gesetz, das er freiwillig trug, hat ihn letztlich ans Kreuz gebracht.
„Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz muss er sterben“, hatten die Priester gesagt (Joh 19,7).
Jesus hat das Joch nicht abgeschüttelt. Er hat es getragen bis zum Ende, bis zum Pfahl auf Golgotha.
[Joch wird an einem Kartenständer auf aufgehängt, das Joch wie der Querbalken eines Kreuzes]
Jesu hat das Joch, unser Joch mit ans Kreuz genommen und da endet es. Denn ein Gesetz, das einem Unschuldigen den Tod bringt, erledigt sich selbst. Es stirbt mit dem, den es umgebracht hat.
Prägen wir uns das ein: Christus ist das Ende des Gesetzes. Dort an dem Kreuz verliert das Gesetz seine Kraft.
„Du musst dieses oder jenes tun, um Gottes Gunst oder die Güte deiner Nächsten zu erwerben.“ ?
Nein! Da hängt das Gesetz. Und dort muss es hängen bleiben.
Es blieb dort auch hängen, als Christus auferstand.
Dieses neue Leben in Freiheit bekommt jeder und jede, der oder die ihm vertraut und nachfolgt.
Luther: „der Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemanden untertan.“
Bleibt nun noch die Frage zum Schluss:
Gibt es für die, die Christus nachfolgen, keine Gesetze?
Dürfen wir denn dann tun und lassen, was wir wollen?
Sind wir an nichts mehr gebunden?
Aber natürlich:
Wir sind an Christus gebunden.
Er hat die Freiheit erworben, in der Bindung an ihn wird sie bewahrt.
Wird die Bindung an Christus gelöst, verliert die Freiheit ihren Halt, wird haltlos, sinnlos, rücksichtlos.
Was uns bindet und leitet und uns frei macht. ist die Verbindung mit Gott, die Christus geknüpft hat, durch Gottes Geist, den er uns gesandt hat.
Christus gab uns anstelle der ganzen Fülle der Gebote zwei Sätze, an denen sie sich orientieren sollen.
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«
38 Dies ist das höchste und größte Gebot.
39 Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«
(Mt 22).
Da fällt eine ganz schöne Last von unseren Schultern mit all den Dingen, die wir dachten zu müssen.
Da bleiben auch noch Dinge auf unseren Schultern lasten, die wir nicht so leicht los werden.
Aber von vielem kriegen wir den Kopf und die Hände frei, frei für andere.
Luther: „der Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Die Kirchenvater Augustinus sagte einmal:
„Liebe – und tue, was du willst.“
Wir sind frei. Gebunden an Christus allein.
A m e n
Chr. Huss, Königsfeld
[1] die anderen beiden Kennzeichen des Evangelischen wären nach Luther: sola fide, sola scriptura
Foto: Chr. Huss