Licht im Tunnel
28.11.2021 (1. Advent)
Jeremia 23, 5-8
28.11.2021 (1. Advent)
Jeremia 23, 5-8
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie schön, dass jetzt wieder die Lichter der Adventszeit brennen. Die Kerzen am Adventskranz, der Stern hier im Saal, die in den Häusern und die über den Straßen.
Dieser Tage war ein Filmteam in Königsfeld, um einen Beitrag über die Herrnhuter Sterne zu drehen. Auch das Aufhängen hier im Saal wurde mitgeschnitten. Am 24. Dezember wird der Film im SWR zu sehen sein.
Wenn wir aus den dunklen November kommen mit seinen traurigen Gedenktagen und schweren Bibeltexten, dann brauchen wir diese Lichter, diese Hoffnungszeichen. Das Schwere und Bedrohliche ist mit diesen Lichtern nicht einfach weggeblasen, aber es wird in ein neues Licht getaucht. Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Es gibt Licht, weil Gott kommt.
Das mit dem Licht am Ende des Tunnels ist vielleicht ein bisschen banal. Aber ich denke, dieses Bild bindet die Erfahrungen vieler Menschen zusammen. Viele kennen das Dunkel.
Das Dunkel des Verlustes eines lieben Menschen, das Dunkel einer Krankheit im engsten Umfeld, die dunkle bedrohliche Stimmung, die die Pandemie in den letzten Tagen wieder auslöst. Das geht vielen Menschen ans Gemüt. Plötzlich sind da nur noch Bedrohliches und Angst. Wie in einem Tunnel sieht man nur die grauen Wände; ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Botschaft unserer Predigttextes ist: es gibt Licht am Ende des Tunnels, weil Gott kommt.
1. Israel
Vor 2500 Jahren fühlten die Menschen der Bibel ähnlich. Wir schreiben das Jahr 600 vor Christus. Den Norden des prachtvollen Davids-Reiches gab es schon längst nicht mehr. Und nun war auch der Süden mit Jerusalem bedroht. Babylon, die Großmacht im Norden, duldete keine Macht neben sich. Nach einigem Hin- und Her wurde Jerusalem erobert und dem Erdboden gleichgemacht. Der eine Teil der Bevölkerung Judas wurde nach Babylon verschleppt, die anderen verstreuten sich in die verschiedensten Länder. Es gab in diesen Jahren kein Licht im Tunnel. Es gab keine Aussicht, sich gegen die babylonische Großmacht zu behaupten. Das ist die Zeit des Propheten Jeremia. Hoffnung sah der Prophet erst in weiter Ferne. Der dunkle Tunnel war lang, der Lichtpunkt nur mit scharfem Auge zu sehen. Jeremia hatte ein scharfes Auge. Er sah Gottes Licht. Der ließ ihn sagen: Es gibt Hoffnung, ganz am Ende.
2. Jesus
Dieser gerechte Davidspross, der Herr der Gerechtigkeit, ließ lange auf sich warten. Das Schicksal der Juden änderte sich zwar nach 70 Jahren babylonischer Verbannung. Die neu entstehende persische Großmacht ließ die Kinder der Verbannten heimkehren. Aber ein prachtvolles Davidsreich gab es nie mehr. So richtig sicher konnte Israel nicht wohnen.
Die Hoffnung blieb aber. Auf den Davidssohn, der Israel und Juda zu seinem Recht verhelfen würde. Die Hoffnung lebte auch noch in der Zeit Jesu. Als er nach Jerusalem kam, riefen die Leute: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
Auf ihm lag ihre Hoffnung. Zu recht. Denn ihn hatte Gott als Retter gesandt.
Und doch erfüllten sich in ihm die alten Verheißungen so ganz anders. Jesus setzte das Recht der Juden nicht durch, indem er sich an die Spitze eines Aufstandes setzte, der die Römer aus dem Land trieb. Das wäre genauso aussichtslos gewesen wie damals bei den Babyloniern.
In ganz anderer Weise nahm Jesus diese alte Verheißung auf, diesen Namen: „Der Herr, unsere Gerechtigkeit.“ Jesus erkämpfte für uns die Gerechtigkeit mit seiner Armut, seiner Hingabe am Kreuz. Er schenkte es uns, dass wir Gott recht wurden. So wie es Paulus im ersten Korintherbrief schreibt: „Gott … habt ihr es zu verdanken, dass ihr zu Christus Jesus gehört. Er ist für uns die Weisheit, die von Gott kommt. Er bringt uns Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung.“ (1. Kor 1,30; Basis-Bibel).
In ganz anderer Weise, als die Menschen das erwartet hatten, war Jesus König. Das Schild „König der Juden“ hing über dem Kreuz, nicht über einem goldenen Thron. Statt der Krone trug er einen Dornenkrone, statt des Zepters den Stab, mit den man ihn geschlagen hatte.
3. Heute
Die Christen erwarten, dass Jesus noch einmal kommen wird, um die Verheißungen ganz zu erfüllen. Um sichtbar Gerechtigkeit zu schaffen. Aber so lange bleibt uns, es ihm gleich zu tun in der Art, wie er Licht in die Welt brachte: nicht herrschend, sondern dienend.
Der Römische Kaiser Domitian wollte einmal wissen, ob die Verheißung eines künftigen Königs aus dem Hause Davids für ihn eine Gefahr darstelle. Gnadenlos verfolgte er in den Jahren 81 bis 96 die Nachfolger Christi. Einmal ließ er sich Angehörige der Familie Jesu vorführen. Er wollte prüfen, ob an den Kindern Davids wirklich etwas Königliches dran sei. Als er aber ihre Armut und die Schwielen an ihren Händen sah, war er überzeugt, dass er von ihnen nichts zu befürchten habe. Er hatte die Botschaft Jesu, des Königs auf dem Esel, nicht verstanden.
Seit Jesus gekommen ist, erhellt das Licht am Ende des Tunnels auch den Tunnel selbst. Der kommen soll, ist schon gekommen, er ist da, bei den Menschen, dienend, helfend, rettend, gerecht machend.
Zurecht schmücken wir in dieser Zeit des Advents unsere Straßen und Häuser mit Lichtern. Das ist aber alles nur Deko, wenn wir nicht auch unsere Herzen erleuchten lassen von dem Licht, das von Gott kommt.
Es ist ein dreifaches Licht. Im Advent gehen wir auf das Weihnachtsfest zu, die Erinnerung an das sichtbare Kommen Gottes in Jesus. Wir denken auch daran, dass er einst kommen wird, um diese Welt zu vollenden. Und er kommt schon heute, in die dunklen Tunnels der Welt.
Es gibt nicht nur Licht am Ende des Tunnels, weil Gott kommt. Nein, es ist schon da. Und macht unser Leben jetzt schon hell.
Ich wünsche denen, die im Moment vom Dunkel umgeben sind, dass sie nicht nur Licht am Ende des Tunnels sehen, sondern ihr Leben jetzt schon in ein warmes Licht getaucht wird.
Amen
Christoph Huss
Foto: Jens Hagen