Zwei unter einem Dach
Die Verbindung von Brüdergemeine und Kirchengemeinde in Königsfeld ist ein Unikum. Die Herrnhuter Ortsgemeinde und Evangelische Kirchengemeinde arbeiten so eng zusammen, dass weite Teile des Gemeindelebens gemeinsam gestaltet werden. Abwechselnd findet der Gottesdienst nach der Liturgie der Landeskirche und der der Brüdergemeine im Kirchensaal der Brüdergemeine am Zinzendorfplatz statt. Die Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich die beiden Stellen teilen, sind gemeinsam für die Mitglieder beider Gemeinden zuständig und tragen bei Gottesdiensten jeweils die entsprechende liturgischen Kleidung.
Die Herrnhuter Wurzel
Königsfeld ist eine Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine aus dem Jahre 1806. Die Herrnhuter Brüdergemeine geht auf die Böhmisch-Mährische Brüder-Unität zurück, die sich 1457 im heutigen Tschechien zusammenschloss. An ihrem Beginn steht die erste Reformation um Jan Hus, 1415 in Konstanz hingerichtet, an ihrem Ende Jan Amos Comenius, der Böhmen im 30-jährigen Krieg verlassen musste und 1670 im Exil in Amsterdam starb. Flüchtlinge aus Böhmen fanden 1722 in der Oberlausitz eine neue Heimat auf dem Land von N. L. Graf von Zinzendorf, der dem Pietismus um Spener und Franke entstammte. Sie gründeten den Ort Herrnhut. In den folgenden Jahrzehnten entstanden weitere Gemeinden in vielen Teilen der Erde. Dem Wunsch von Freunden der Herrnhuter in Süddeutschland und der Schweiz nach einer Gemeinde und einer Herrnhuter Schule in ihrer Nähe führte zur Gründung Königsfelds.
Eine Win-Win-Situation
Die Herrnhuter blieben in Königsfeld nicht unter sich. 1952 schlossen Brüdergemeine und Badische Landeskirche einen Vertrag, nach dem die aus der Brüdergemeine kommenden Königsfelder Pfarrer auch die Mitglieder der Badischen Landeskirche betreuen. Umgekehrt verpflichtete sich die Badische Kirche, zu den Gehaltskosten beizutragen. Dieses vertrauensvolle Miteinander beider Kirchen führte über die Jahrzehnte zu einem echten Gewinn für beide Seiten. Die Doppelgemeinde hat personelle und räumliche Möglichkeiten, von denen jede allein nur träumen könnte. Traditionen und Knowhow aus beiden Kirchen fließen in Königsfeld zusammen, ohne dass das jeweils eigene völlig verschwindet.
Fotos: zvg.; Jens Hagen Fotodesign