Hass kann töten
Predigt 29.08.2021
1. Mose 4, 1-16
Predigt 29.08.2021
1. Mose 4, 1-16
Liebe Gemeinde,
„was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Dieses Sprichwort kennen sicher viele von uns. Jeder und jede von uns möchte frei und ohne Angst leben. Doch geht das überhaupt? Hier in Königsfeld müssen wir uns keine Sorgen machen. Ja, es fällt sogar Gästen auf, wie wir miteinander umgehen. Jeder grüßt jeden auf der Straße und oft bleibt es nicht nur bei dem kurzen „Hallo“. Ein Gespräch schließt sich an, denn wir in Königsfeld haben ja Zeit. Aufeinander achten und nacheinander fragen, wenn das überall so wäre, dann könnte es friedlicher in der Welt sein. Aber so ist es nicht – und nicht nur unter den Menschen, die hier und heute leben. Schon die Bibel erzählt auf ihren ersten Seiten nach den Schöpfungsberichten von einem Mord unter Brüdern.
Hört dazu den Predigttext aus 1. Mose 4, 1-16
4 1 Adam schlief mit seiner Frau Eva. Sie wurde schwanger und brachte Kain zur Welt. Da sagte sie: »Mithilfe des Herrn habe ich einen Sohn bekommen.« 2 Danach brachte sie seinen Bruder Abel zur Welt. Abel wurde Hirte und Kain wurde Ackerbauer. 3 Eines Tages brachte Kain dem Herrn von dem Ertrag seines Feldes eine Opfergabe dar. 4 Auch Abel brachte ein Opfer dar: die erstgeborenen Tiere seiner Herde und ihr Fett. Der Herr schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. 5 Doch Kain und sein Opfer schaute er nicht wohlwollend an. Da packte Kain der Zorn, und er blickte finster zu Boden. 6 Der Herr fragte Kain:»Warum bist du so zornig, und warum blickst du zu Boden? 7 Ist es nicht so: Wenn du Gutes planst, kannst du den Blick frei erheben. Hast du jedoch nichts Gutes im Sinn, dann lauert die Sünde an der Tür. Sie lockt dich, aber du darfst ihr nicht nachgeben!« 8 Kain sagte zu seinem Bruder Abel:»Lass uns aufs Feld gehen!« Als sie auf dem Feld waren, fiel Kain über seinen Bruder Abel her und erschlug ihn. 9 Da sagte der Herr zu Kain:»Wo ist dein Bruder Abel?«Kain antwortete: »Das weiß ich nicht. Bin ich dazu da, auf meinen Bruder achtzugeben?« 10 Der Herr entgegnete ihm:»Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit vom Ackerboden zu mir. 11 Verflucht sollst du sein, verbannt vom Ackerboden, den deine Hand mit seinem Blut getränkt hat! 12 Wenn du ihn bearbeitest, wird er dir künftig keinen Ertrag mehr bringen. Du wirst ein heimatloser Flüchtling sein und von Ort zu Ort ziehen.« 13 Kain erwiderte dem Herrn: »Die Strafe ist zu schwer für mich. 14 Du verjagst mich jetzt vom Ackerland und verbannst mich aus deiner Gegenwart. Als heimatloser Flüchtling muss ich von Ort zu Ort ziehen. Jeder, dem ich begegne, kann mich erschlagen.« 15 Der Herr antwortete: »Das soll nicht geschehen! Wer Kain tötet, an dem soll es siebenfach gerächt werden.« Der Herr machte ein Zeichen an Kain. Niemand, der ihm begegnete, durfte ihn töten. 16 Kain zog fort, weg vom Herrn, und ließ sich im Land Nod nieder. Das liegt östlich des Gartens Eden.
Die Geschichte, die gleich am Anfang der Bibel steht ist ziemlich brutal. Zwei Brüder werden gemeinsam groß, beide haben einen Beruf – Kain – der Ackermann und Abel der Schäfer. Bis dahin ist die Welt in Ordnung – wirklich? Jeder geht seiner Tätigkeit nach und hat sein Auskommen. Die beiden Brüder sind die Söhne von Adam und Eva. Gott hatte sie erschaffen und in den Garten Eden geführt und ihnen alles gegeben, was sie zum Leben brauchten. Aber das war scheinbar nicht genug. Denn es gab ein Verbot. Dieses war am Ende so verlockend, das Eva und Adam nicht widerstehen konnten. Gott war darüber sehr traurig. Er reagierte darauf nicht mit dem Ende der beiden, sondern gab ihnen Kleidung und schickte sie aus dem Garten fort. Sie mussten nun lernen, im Schweiße ihres Angesichts für ihr Leben zu sorgen. Und das taten nun auch ihre Kinder, Kain und Abel.
Zunächst ging mit den Brüdern alles gut. Aber dann kam der Neid auf. Warum? Beide hatten Gott ein Opfer gebracht. Kain von den Früchten des Feldes und Abel von den Jungtieren. Und weiter heißt es: Der Herr schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. Kain und sein Opfer sah er nicht wohlwollend an. Wir können aus dem Bibeltext nicht erfahren, warum Gott so handelt. Doch in Kain steigt sogleich eine Wut auf und er blickt finster zu Boden. Kain wendet sich ab von Gott und ich kann mir vorstellen, dass der Neid und die Wut ihn nun ganz fest im Griff hatten. Die Frage nach dem warum wird ihn gequält haben. Was soll das? Warum sieht Gott nicht, was ich ihm geopfert habe?
Der Neid macht Menschen kaputt. Seitdem es ihn gibt, schielen Menschen auf das, was sie nicht haben. Das Auto des Nachbarn ist viel größer und schneller. Der andere kann sich ein Haus leisten. Woher hat er nur so viel Geld? Die Nachbarin bekommt immer so viel Pakete. Sie muss sehr viele Freunde haben. Und ich? Die Werbung in den Briefkästen macht es nicht einfacher. Wenn ich sie durchblättere, dann sehe ich schnell, was mir noch fehlt. Nur ist es seltsam, wenn ich dann etwas gekauft habe, fühle ich mich nur für eine Weile gut. Dann merke ich, dass ich es vielleicht gar nicht so nötig brauche oder auch hätte ausleihen können.
Der Neid und die Wut machen Menschen kaputt. So war es auch mit Kain. Auf die Frage von Gott: „Warum bist du zornig?“ gibt Kain keine Antwort. Zu groß ist seine Groll. Kain lockt Abel aufs Feld und bringt ihn um. Und wie geht es Kain jetzt? Fühlt er sich erleichtert und gut? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wieder spricht Gott mit ihm: Wo ist dein Bruder Abel? Nun versucht er sich herauszureden: »Das weiß ich nicht. Bin ich dazu da, auf meinen Bruder achtzugeben?« Das ist eine patzige Antwort. Gott wird sich damit ja hoffentlich zufrieden geben. Ich passe doch nicht immer auf meinen Bruder auf – nur weil er jünger ist. Das kann er doch bitte schön selbst machen. Aber Gott lässt nicht locker. Er redet weiter mit ihm und konfrontiert ihn mit der Wahrheit. Nun ist Kain dran. Gott hat die Macht, ihn auch zu strafen und zu töten für das, was er getan hat. Ja, Gott ist zornig auf das, was Kain getan hat und sicher auch auf seine Antwort. Aber er lässt ihn nicht fallen.
Er schützt ihn mit einem Zeichen. Ihm soll nichts passieren, Gott selbst sorgt für ihn. und gibt Kain eine Chance. Er schützt ihn vor der möglichen Gewalt anderer.
Kain, der aus Neid, Wut und Zorn seinen Bruder umgebracht hat, wird nun also von Gott besonders geschützt. Was für ein Gott, der den Menschen nicht Gleiches mit Gleichem vergällt. So geht Gott auch mit uns heute um. Er hat die Welt so wunderbar gemacht und wir Menschen in den reichen Ländern leben so, als gehört die Welt nur uns allein. Wie vielen anderen geht es schlecht. Sie haben nicht einmal das nötigste zum Leben und kein Dach über dem Kopf. Wenn wir an die Menschen in Krisengebieten, wie aktuell in Afghanistan denken, dann sehen wir, was Macht und Gewalt Menschen antun kann. Sie erheben sich über andere und schreiben ihre eigenen Gesetze. Darunter leiden nun vor allem die, die sich für eine Veränderung in ihrem Land eingesetzt haben und auch die, die jahrelang versucht haben, in diesem Land Hilfe zu leisten um ein besseres Leben für alle zu ermöglichen. War die ganze Aufbauarbeit nun über 20 Jahre lang umsonst? Wozu die Taliban fähig ist, dass hat sie schon einmal in den 1990er-Jahren gezeigt. Herr, wir rufen zu Dir, nimm dich der Menschen dort an, die nun Angst haben, dass sich die Schreckensherrschaft wiederholen kann. Und es gibt noch viele weitere Länder, die unter der Macht und der Willkür ihrer Regierung zu leiden haben.
Wie gut wäre es, wenn alle sich daran halten würden und dem Nächsten nur das geben, was sie selbst gern hätten. Wie würde der Frieden im Kleinen und Großen wachsen. Gott hat uns gezeigt, das Friede möglich ist – auch nach Schuld, die Menschen auf sich geladen haben. Darauf dürfen wir vertrauen. Zum Abschluss möchte ich ein Gedicht lesen. Mein Mann hat in den Anfängen der Flüchtlingskrise 2015 ein Gedicht geschrieben, als Tausende Flüchtlinge aus Syrien den Weg nach Deutschland suchten. Es ist angelehnt an die Geschichte von Abel:
Ich habe Abels Lied gehört wohl zu der halben Nacht.
Der Mistral hat es über‘s Meer in meine Welt gebracht.
Über‘s Gebirg Maria flieht, und ihre Bas‘ ist tot.
Und nur ihr kleines Trauerlied erweckt das Morgenrot.
Das Requiem der Engelwelt geht über Stadt und Land.
Gott ist‘s, der euch im Herz behält, nichts fällt aus seiner Hand.
Und in der Stille hat er euch ins Wüstengrab gelegt,
damit die Tür zum Himmelreich all eure Namen trägt.
Komm, Bruder Hiob in mein Haus, und bleib mir nicht allein.
Ich schicke dich nie mehr hinaus, sollst Vater, Bruder sein.
Heut bin ich stärker, morgen schon kann ich der Flüchtling sein.
Gott stürzt die Mächtigen vom Thron, und Sicherheit ist Schein.
Komm, Bruder Abel, in mein Herz im Abendrot der Welt.
Dann ziehn wir beide himmelwärts über‘s verbrannte Feld.
Dr. Axel von Dressler
Amen
Gabriele von Dressler