Verlieren und Gewinnen
14.03.2021 (Laetare),
Joh 12, 20-26
14.03.2021 (Laetare),
Joh 12, 20-26
Liebe Gemeinde!
Passend zum heutigen Sonntag Laetare „Freut Euch“ versetzt uns der Predigttext in eine Stadt in Festfreude. Das Fest ist das Passahfest. Dies jährlich wiederkehrende Fest erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, jenem Moment, an dem in der Geschichte Israels der Knoten platzte. Um dies zu feiern trifft man sich in Jerusalem. Dazu reisen Menschen von weither an.
Sie wollen sich treffen, wollen Opfer bringen im Tempel und dort beten. Unter den Walfahrern befinden sich Juden, die woanders wohnen, aber auch Angehörige anderer Völker, die sich dem jüdischen Glauben an den einen Gott nahe fühlen, Diese Anhänger dürfen sich nicht den Opfern beteiligen, aber sie kommen, um an zu beten.
Man erfährt auch neues bei solche einem Fest. Es hat sich herumgesprochen, dass es eine gewisse Unruhe um einen Mann mit Namen Jesus gibt. Hoffnungen und Befürchtungen heften sich an den Mann. Es wundert also nicht, wenn sich manche Festbesucher gerne selbst ein Bild machen möchten, was das für ein Mensch ist.
Hören wir Joh 12, 20-24, ich lese bis 26. (Basis-Bibel)
20 Es befanden sich auch einige Griechen unter denen, die zum Fest nach Jerusalem gekommen waren, um Gott anzubeten.
21 Die gingen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und baten ihn:»Herr, wir wollen Jesus sehen!«
22 Philippus ging zu Andreas und sagte es ihm. Dann gingen die beiden zu Jesus und berichteten es ihm.
23 Da sagte Jesus zu ihnen: »Die Stunde ist gekommen! Jetzt wird der Menschensohn in seiner Herrlichkeit sichtbar.
24 Amen, amen, das sage ich euch: Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
25 Wem sein Leben über alles geht, der verliert es. Aber wer sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.
26 Wer mir dient, muss mir auf meinem Weg folgen. Denn wo ich bin, wird auch mein Diener sein. Wer mir dient, wird beim Vater Anerkennung finden.«
Gebet
Wie kann das gehen? Kann man etwas hinzugewinnen, indem man etwas weggibt?
Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
Geht das: Frucht bringen durch Sterben?
Wem sein Leben über alles geht, der verliert es.
Geht das: gewinnen durch verlieren?
Das scheint dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen. Wer weggibt, hat am Ende weniger. Wer nimmt und kriegt, hat am Ende mehr. So ist das doch meistens? Oder? Was sind unsere Erfahrungen?
Mir fiel eine lange zurückliegende Begebenheit aus meine Jugend ein.
Es war ein Tischtennismatch auf dem Herrnhaag, bei einer Jugendfreizeit. Ich hatte es bis ins Endspiel geschafft. Es wurde hart gekämpft. Doch schließlich habe ich gewonnen. Super? Aber irgendwie auch nicht. Denn die Sympathien der Gruppe waren auf Seiten des Verlierers. Ich hatte gewonnen, aber stand einsam da.
Gewinnen heißt nicht immer gewinnen, Gewinnen kann einsam sein. Ich frage mich: geht es überhaupt ums Gewinnen, ums Bessersein, ums besser werden? Bringt uns diese Denkweise von Gewinner und Verlierer nicht in eine Welt voller zerstörerischer Motive? Eine Welt von betörendem Stolz nagender Neid Missgunst.
Vor einigen Jahren habe ich diesen Predigttext einmal mit Konfirmanden besprochen und ihnen die Frage gestellt: Kann man etwas gewinnen, wenn man etwas weggibt? Ich habe die Antworten von damals aufgehoben. Sonja Siebörger, die momentan ein FSJ in Königsfeld macht, wird die Zettel vorlesen.
Noch einmal die Frage: Kann man etwas hinzugewinnen, indem man etwas weggibt?
Kann man etwas hinzugewinnen, indem man etwas weggibt?
1. Jesus als Weizenkorn
Es ist also ungewöhnlich, aber vorstellbar, dass man etwas gewinnt, indem man etwas weggibt. Jesus möchte, dass wir seinen Weg und vor allem seinen Tod so verstehen. Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
Ein Weizenkorn, das in die Erde gesät wird, ruht dort, bis es unter dem Einfluss von Feuchtigkeit und Wärme aufbricht; der Keim sucht das Licht, die Wurzel die Feuchtigkeit, der Halm und die Ähre wachsen bis eine Vielzahl von Körnern daran entstehen. Von dem Korn im Boden bleibt nur eine leere Hülle zurück.
Es ist ja nicht einfach für uns, zu akzeptieren, dass Jesus diesen Weg des Leidens und Sterbens gehen musste. Das Bild vom Weizenkorn soll uns dabei helfen. Jesus gibt sein Leben hin, um Frucht zu bringen. Die Frucht ist Leben für uns. Versöhntes Leben, tief gegründetes Leben, ein Leben im Frieden mit Gott, ein Leben, das bleibt, wenn es vergeht, da neu ersteht, weil Gottes Atem es belebt.
2. Gott finden in der Nachfolge Jesu
Das Prinzip des Weizenkorns gilt nicht nur für Christus. Es gilt auch für die Menschen, die wissen wollen, was es mit Jesus auf sich hat, wie jene Griechen auf dem Fest in Jerusalem. Jesus sagt, wer etwas vor mir verstehen will, muss mir folgen. Und muss das Prinzip des Weizenkorns beherzigen.
Hier möchte ich noch einmal die ehemaligen Konfirmanden zu Wort kommen lassen. Ich habe auch noch gefragt: Können Menschen dem Weg von Jesus folgen? Die Antworten wurden auf Zetteln notiert.
Können Menschen dem Weg von Jesus folgen?
Können Menschen dem Weg von Jesus folgen?
Können Menschen dem Weg von Jesus folgen?
Jesus sagt: Auch hier gilt das Prinzip des Weizenkorns. Jesus formuliert dies für mein Empfinden sehr krass:
25 Wem sein Leben über alles geht, der verliert es. Aber wer sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.
So wie Jesus dies sagt, finde ich es beinah unverständlich. Wörtlich heißt es sogar: „Wer sein Leben hasst.“
Ich würde niemals jemand auffordern, sein eigenes Leben gering zu achten. Im Gegenteil muss es doch darum gehen, dass Menschen Gottes Barmherzigkeit erfahren und seine Liebe ihnen hilft, sich selbst anzunehmen.
Aber anscheinend ist das ja nicht alles. Es gibt auch ein „verhaltet sein in sich selbst“, das einsam macht und das gemeinschaftliche Leben behindert. Wenn zum Beispiel das Suchen nach Anerkennung und gekränkter Stolz daran hindern, gemeinsam ein Ziel zu verfolgen. Ich ertappe mich dieser Tage immer wieder dabei.
Das, was Jesus sagt, versuche ich so zu verstehen: Es geht im Leben nicht darum, seine eigene Haut retten. Eigene Wünsche und Motive sind nicht allein seligmachend. Gott segnet uns nicht, damit wir uns darin über andere erheben.
Wir werden gesegnet, um anderen ein Segen zu sein.
Das Leben gewinnen heißt nicht krampfhaft festhalten am Eigenen, der eigenen Einsicht, der eigenen Ehre, dem eigenen Vorteil, sondern sich öffnen zum anderen und zu Gott hin. Das ist das Prinzip des Weizenkorns: In der Hingabe des Lebens das Leben gewinnen.
Schluss
Die Gruppe Griechen auf dem Fest wollte Jesus sehen. Jesus sagt: Wer etwas von mir sehen und verstehen will, muss meinen Weg mitgehen. Da gibt es keine Zuschauerränge. Wer auf Abstand bleibt, lernt Jesus nicht kennen. Erst wenn sich jemand auf Jesus einlässt, bereit ist, sein Leben durch ihn und das Prinzip des Weizenkorns bestimmen zu lassen, lernt er oder sie ihn kennen.
A m e n
Christoph Huss