Wie gehen Freud und Leid zusammen?
17.01.2021 (2. Sonntag nach Epiphanias),
Joh. 2, 1-11
17.01.2021 (2. Sonntag nach Epiphanias),
Joh. 2, 1-11
Ach, was ist das im Schwarzwald im Moment herrlich. Alles ist dick verschneit. Wenn die Sonne scheint, glitzern die Eiskristalle auf strahlendem Weiß. Der Schnee knirscht unten den Stiefeln. Hunde, Kinder und auch manche Erwachsenen tummeln sich übermütig in den weichen Massen. Als es vorgestern und gestern aufhörte zu schneien und die Wege wieder begehbar waren, zog auch manche, der nicht mehr so gut sind zu Fuß, an die frische Luft.
Herrlich!
Darf man sich freuen über all diese Pracht, die für andere nur ein Verkehrhindernis ist. Darf man sich freuen, wenn man weiß, dass in den Krankenhäusern Pflegende und Ärzte unter Masken und Schutzkleidung am Rande ihrer Kraft arbeiten und gerne etwas mehr frische Luft hätten; wenn man weiß, dass mancher Patient nicht gerettet werden kann und anderenorts die Kontrolle über die Pandemie entgleitet?
Kann man sich unbefangen freuen, wenn man an die Flüchtlinge denkt, die dem Schnee und der Kälte schutzlos ausgeliefert sind in Zelten? Das mit dem Freuen finde ich Moment sowieso so eine Sache.
Man muss ja sehr vorsichtig sein, positive Seiten dieser Krise zu suchen und zu erwähnen ohne dadurch die Not derer zu verhöhnen, die durch die Krise in ihrer Existenz bedroht sind.
Wie kriegen wir das auf eine gute Weise zusammen, die verschiedenen Seiten dieser Zeit, aber ja auch überhaupt unseres Lebens? Wie kriegen wir das hin mit der Freude ohne das Leid zu verleugnen?
Der heutige 2. Sonntag nach Epiphanias ist von seinen Texten und Liedern her ein richtiger Freudentag. Die Worte sprechen von Glanz und Fülle.
Wenn es gut ist, bekommen wir etwas davon ab und bekommen auch eine Ahnung, wie Freud und Leid zusammengehen.
Der Predigttext steht in Johannes 2, 1-11; ich lese nach der Basis-Bibel.
In diesen ersten Kapiteln des Johannesevangeliums wird von dem Kommen von Jesus in die Welt gesprochen, von der Begegnung mit Johannes dem Täufer und der Berufung der ersten Jünger. Dann heißt es:
1 Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt. Auch die Mutter von Jesus nahm daran teil.
2 Jesus und seine Jünger waren ebenfalls zur Hochzeitsfeier eingeladen.
3 Während des Festes ging der Wein aus. Da sagte die Mutter von Jesus zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!«
4 Jesus antwortete ihr: »Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.«
5 Doch seine Mutter sagte zu den Dienern: »Tut alles, was er euch sagt!«
6 Dort gab es auch sechs große Wasserkrüge aus Stein. Die Juden benötigten sie, um sich zu reinigen. Jeder Krug fasste zwei bis drei Eimer.
7 Jesus sagte zu den Dienern: »Füllt die Krüge mit Wasser.« Die füllten sie bis zum Rand.
8 Dann sagte er zu ihnen: »Schöpft jetzt etwas heraus und bringt es dem Festmeister.« Sie brachten es ihm.
9 Als der Festmeister einen Schluck davon trank, war das Wasser zu Wein geworden. Er wusste natürlich nicht, woher der Wein kam. Aber die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten Bescheid. Da rief der Festmeister den Bräutigam zu sich
10 und sagte zu ihm: »Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus. Und wenn die Gäste dann angetrunken sind, folgt der weniger gute. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.«
11 Das war das erste Zeichen. Jesus vollbrachte es in Kana in Galiläa. Er machte damit seine Herrlichkeit sichtbar und seine Jünger glaubten an ihn.
Hier wird gefeiert. Und Jesus ist dabei. Orientalische Hochzeiten können mehrere Tage dauern.
Als die Weinvorräte aufgebraucht sind, tippt Maria ihren Sohn an. Er soll was tun. Jesus, deine Chance. Zeig ihnen, wer du bist. Jesus weist sie schroff zurück. »Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.«
Jesus ist kein Zauberer, der Menschen durch Kunststückchen zum Staunen bringt.
Er hat eine Botschaft, eine Mission. Werden die Menschen ihn verstehen, werden sie die Zeichen recht deuten? Was meint Jesus mit „meine Stunde“, mit dem rechten Moment, auf den er wartet.
Ich frage das nicht aus theologischer Spitzfindigkeit, sondern weil es uns weiterhilft in der Frage von Freud und Leid. Man muss ein paar Kapitel weiterblättern in Johannesevangelium, um diese Stunde zu finden.
Es geht schon Richtung Passion, als Jesus in Kapitel 12, 23f sagt: Die Stunde* ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Mit der Stunde weist Jesus also auf seinen Leidensweg und sein Sterben am Kreuz..
Dort wird sein letztes Wort sein: Es ist vollbracht.
Es ist nicht die Mission von Jesus, die oberflächliche Festfreude zu verlängern, indem er auf geheimnisvolle Weise die Weinvorräte auffüllt. In seiner Sendung geht es um eine tiefere Freude, eine, die sich vor dem Leid nicht zu fürchten braucht. Es ist nichts Verkehrtes an einer Hochzeit, solche eine Verbindung von zwei Menschen soll gefeiert werden.
Aber es geht um mehr, nämlich um die Verbindung von Gott und den Menschen. Diese Verbindung bringt die Fülle des Lebens, bringt tiefere Freude. Um dieser Verbindung willen, um Mensch und Gott zusammen zu bringen, geht Jesus seinen Weg.
* Das Griechische Wort „hora“ wie in der Erzählung von der Hochzeit in Kana.
Die ganze Schöpfung seufzt danach, dass der Mensch sich versöhnen kann mit dem, der ihn geschaffen hat, mit dem, wie er oder sie ist und nicht ist; dass die Menschen Frieden finden mit dem Unbegreiflichen, dass der Menschen Vertrauen lernt auf den Vater im Himmel, ein Vertrauen, dass die Hand des Ewigen ergreift, wenn das Leben zu versinken droht. Dieses Zusammenbringen von Gott und Mensch, diese Mission Jesus, scheint nicht zu gehen ohne Leid. Das erkennt Jesus.
Im nächsten Kapitel heißt es:
13, 1 Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Die Menschen sollen von Gottes Fülle, von seiner Herrlichkeit etwas abbekommen. Herrlichkeit: das ist das andere schwierige Wort in diesem Abschnitt.
Am Ende heißt es ja: 11 Das war das erste Zeichen … Er machte damit seine Herrlichkeit sichtbar und seine Jünger glaubten an ihn.
Mose, von dem vorhin in der Lesung gehört haben, bittet Gott, seine Herrlichkeit sehen zu dürfen.
Was ist damit gemeint?
Das hat so etwas von großem Licht, von strahlender Wärme, von erfüllender Größe. Es ist das, was Gott umgibt und was von ihm ausgeht.
Eigentlich kann ein Mensch sie nicht aushalten, Moses muss geschützt werden, damit er nicht vergeht. Es reicht Moses, dass er hinterher sehen kann.
Die Herrlichkeit Gottes verhüllt sich. Auch und besonders in Jesus. Im Stall kommt Gott auf Welt. Der Herr der Welt trägt eine Dornenkrone. Die Herrlichkeit Gottes ist nicht etwas, was Gott für sich hätte.
So zum Bestaunen. Es ist das Wesen der Herrlichkeit, dass sie sich mitteilt, sie teilt sich aus.
Im Gebet vor seiner Gefangennahme betet Jesus:
Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;
2 denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.
3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Dazu kommt Gott in Christus auf die Erde, dass Gottes Fülle geteilt wird, dass Menschen sie mitbekommen und ihr Leben ein Leben von Tiefe und Dauer wird, ewiges Leben, das Gott schenkt. Die Herrlichkeit Gottes scheut das Menschliche nicht, auch nicht das Leid. Sie geht hinein und geht hindurch.
Es gibt in dieser Zeit der Pandemie und des Lockdowns viel Not und viel Leid. Es gibt aber auch viel Freude, weil man plötzlich Dinge entdeckt, die zuvor verborgen waren. Weil man einander entdeckt. Weil man fürsorglicher miteinander umgeht. Weil Friede und Verständigung einen Wert gekommen. Es wird viel gemeckert, aber es wird auch viel gedankt.
Die Herrnhuter haben gewusst, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist und nicht alle Tage Hochzeit. Dennoch haben sie ihren Kirchen innen mit weißer Farbe gestrichen. Der Versammlungsraum sollte sein wie ein Hochzeitsgewand für die Gemeinde, die schon in diesem Leben, neben allem Leid die Fülle Gottes erfährt, Erlösung und Befreiung.
In diesen Tagen bleibt der Saal fast leer. Aber viele von uns, die diesen Gottesdienst im Internet mitfeiern, umgibt das Weiß des Winters. Das Hochzeitsgewand ist noch umfassender geworden, es umhüllt Stadt und Land.
Das passt doch gut zu diesem Sonntag, an dem von einer Hochzeit gepredigt wird und der Verbindung von Gott und Mensch, auf die das Handeln von Jesus zeichenhaft hinweist. Wir dürfen uns freuen an dieser Pracht.
Wie sollten wir schwierige Zeiten überleben, wenn wir das Schöne und Gute nicht freudig wahrnehmen und teilen. Freude und Leid leben miteinander. Sie schließen sich nicht aus. Sie sind Teil der Fülle, in die Gott uns hineinnimmt.
„Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.“ (Wochenspruch aus Joh 1,16)
A m e n
Christoph Huss