Dann ist er also doch gekommen
25.12.2020 (1. Weihnachtstag), Jesaja 52, 7-10
25.12.2020 (1. Weihnachtstag), Jesaja 52, 7-10
Liebe Gemeinde,
frohe und gute Nachrichten werden in den Zeitungen leider kaum gedruckt. Schreckensnachrichten fallen uns sofort ins Auge. Es gibt Zeitungen, die können das geschickt mit großen Bildern und kleinem Text. Diese schlechten Nachrichten springen uns direkt an. Die guten Nachrichten hingegen sind spärlich. Oder liegt es an uns- den Lesern? Die Katastrophen nehmen uns so in Beschlag, dass wir den Kopf für anderes gar nicht mehr frei bekommen. Dabei lohnt es sich, die guten Nachrichten zu lesen. Mir ist aufgefallen, dass über die Nachsorgeklinik Tannheim fast jede Woche ein Beitrag über Familien zu lesen war, die sich im Schwarzwald nach schwierigen Wochen der Therapie ihres Kindes mit der gesamten Familie erholen können. Diese Berichte lesen sich so mutmachend – obwohl im Hinterkopf mitschwingt, was sie alles in den letzten Monaten und Jahren durchmachen mussten. Die Dankbarkeit und Freude über die Möglichkeit des Auftankens überwiegt. Und wie ist es bei uns heute?
Da ist von der Freudenbotschaft die Rede, von Jubel, lautem Rufen und von Fröhlichkeit. Kennen wir diese Gefühle noch?
Hören wir den Predigttext: Die frohe Botschaft Jesaja 52, 7-10
7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König!
8 Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt.
9 Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Wir sind aufgerufen zum Jubel und zur Fröhlichkeit. Das fällt uns in diesen Tagen eher schwer. Wir sind von der Pandemie so geprägt und betroffen, dass Freude nicht so wirklich aufkommen kann und will.
Auch damals fiel es dem jüdischen Volk schwer, sich zu freuen. Nebukadnezar eroberte Jerusalem und zerstörte nicht nur die Stadt, sondern auch den Tempel. Viele Juden lebten nun in babylonischer Gefangenschaft. Für sie bedeutete die Zerstörung des Tempels, dass Gott nun nicht mehr da ist, dass er sein Volk verlassen hat.
In dieser Zeit geschieht etwas Gewaltiges. Das babylonische Reich wird erobert und geht unter. Die Gefangenen waren nun wieder frei und konnten zurück in ihre Heimat.
Plötzlich wieder nach Hause zurückkehren, das löste in vielen Freude und Jubel aus. Nach Zeiten der Gefangenschaft gibt es nun wieder einen Neuanfang, eine berechtigte Hoffnung. Gott ist da! Er ist da, auch hier mitten unter uns.
Diesen Jubel können wir auch heute empfinden. Wir sind nicht Gefangene im fremden Land, wir sind Gefangene in unseren Sorgen, Ängsten und Zweifeln.
Wir sind aufgefordert uns einzuigeln in unseren Häusern und Wohnungen. Alle Kontakte sind auf ein Minimum zu reduzieren. Das geht uns Menschen zuwider. Wir sind darauf angelegt, miteinander zu leben, uns auszutauschen, uns gegenseitig zu unterstützen. Und nun? Heute bedeutet Verantwortung füreinander Abstand halten, einen Bogen um den anderen zu machen.
Und wir möchten schreien: Herr, wo bist Du? Hast Du uns verlassen?
Nein, unser Gott liebt uns und leidet mit seiner Welt. Er hat uns deshalb das Kostbarste gegeben, was er hat, seinen Sohn. Jesus ist der Freudenbote auch in unseren Tagen. Wenn wir in unseren Wohnungen sitzen und auf das Licht warten, dann werden wir merken: Es ist schon da.
Dazu ist mir eine Geschichte von Leo Tolstoi eingefallen vom Schuhmacher Martin. Der saß am Heiligen Abend in seinem Lehnstuhl und las in der Bibel. Er las die Weihnachtsgeschichte und dachte sich: Kinder, Kinder, wenn „Wenn Maria und Josef zu mir gekommen wären, dann hätten sie in meinem guten Bett schlafen können. Ich hätte den kleinen Jungen mit meiner warmen Decke zugedeckt.“ Dann schlief er ein. Er träumte, dass Jesus ihn am nächsten Tag besuchen würde. Am nächsten Morgen stand Vater Martin, so wurde der Schuhmacher liebevoll von allen im Dorf genannt – ganz früh auf. Er wollte Jesus nicht verpassen. Von seiner Schuhmacherwerkstatt aus hatte er durch ein kleines Fenster eine gute Sicht auf die Straße. Da sah er im Dunkeln schon eine Gestalt. Sie war in der Nähe seines Hauses und bewegte sich. Vater Martin musste genau hinschauen. Da erkannte er den Straßenkehrer Iwan. Der war schon halb erfroren draußen in der Kälte. Martin bat ihn zu sich hinein und gab ihm eine Tasse Tee. Dankbar ging Iwan später aus dem Haus. Dann wartete Martin wieder und eine junge Frau mit einem kleinen Bündel auf dem Arm ging dicht an seinem Fenster vorbei. Da erkannte er, dass die junge Frau ein Baby trug und das Kind keine Schuh hatte. Er bat sie zu sich hinein und gab ihr was zu essen. Für das kleine Baby suchte er nach Schuhen, die er früher für seine eigenen Kinder gemacht hatte. Sie passten ihm. So zog diese Frau glücklich und dankbar weiter.
Dann wurde es dunkel und Martin fragte sich, ob er Jesus verpasst hätte. Doch dann kam es ihm vor, als sei er nicht mehr allein im Zimmer. Zogen da nicht Menschen durch die Werkstatt? Waren das nicht der Straßenkehrer und die junge Frau mit ihrem Kind – und all die Leute, die er heute gesehen und gesprochen hatte? „Hast du mich nicht erkannt? Hast du mich wirklich nicht erkannt, Vater Martin?“ fragten sie im Vorbeigehen. „Wer seid ihr?“ rief Martin. Da hörte Vater Martin dieselbe Stimme wie in der Nacht zuvor, obwohl er nicht hätte sagen können, woher sie kam: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mit zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mit zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Wo immer du heute einem Menschen geholfen hast, da hast du mir geholfen!“ Dann war alles wieder still. „Kinder, Kinder!“ murmelte Vater Martin leise und kratzte sich am Kopf. „Dann ist er also doch gekommen!“
So hat es der Schuhmacher Martin erlebt.
Ja, Jesus ist gekommen. Der HERR ist in diese unsere Welt gekommen. Nun liegt es an uns, dass wir genau hinsehen und ihn in unserem Nächsten entdecken.
Die frohe Botschaft von unserer Rettung – sie ist auch hier bei uns angekommen. Lasst uns selbst zu Botschaftern dieser guten Nachricht werden.
Jesus möchte diese Welt verändern. Er möchte uns verändern. Wir dürfen uns anstecken lassen von der Freude. Und wir können diese Freude in alle Häuser und Wohnungen tragen – mit dem Licht von Bethlehem. Jesus ist da, Halleluja
Im Messias von Händel ganz am Ende erklingt das Halleluja – der Freudenruf. Lasst uns in diesen Jubel mit einstimmen, indem wir das nächste Lied singen:
Gelobet seist du Jesus Christ, dass du Mensch geboren bist. Amen
Gabriele von Dressler